„Großbritanniens Austritt entpuppt sich nur als ein Brandbeschleuniger. In ganz Europa sieht die Situation der Transportlogistik ähnlich aus.“ Es fehle schlichtweg auf dem gesamten Kontinent an Fahrern. Durch die Pandemie hat sich diese Situation sogar verschärft, denn sie verlangsamte die Ausbildung neuer Fachkräfte. Gleichzeitig sprang eine Vielzahl Letzterer aufgrund der gegenwärtigen Impfsituation von ihrem Job ab. Das Resultat: Europaweit fehlen bereits aktuell circa 400.000 Fahrer.
Schnell die Reihen schließen
Der Brexit hat direkt und indirekt die Situation der Logistikbranche auf der Insel beeinflusst, indem ausländische Fahrer entweder nicht mehr im Königreich arbeiten durften oder sich aufgrund der unsicheren Jobsituation freiwillig in ihre Heimatländer begaben. Aus der EU auszutreten hat die Situation, in der sich ganz Europa befindet, für das Königreich lediglich verschärft. Früher oder später macht sich der Personalmangel auch auf dem Rest des Kontinents bemerkbar. „Wir spüren jetzt bereits die ersten Effekte. Durch die pandemiebedingte Verlagerung auf E-Commerce entsteht eine Belastung, der es schnell entgegenzuwirken gilt. Kurzfristig ließen sich mehr Fahrzeugführer durch erhöhte Gehälter und Löhne rekrutieren“, so Heine. Zusätzliche Prämien und Bonusregelungen sollen ebenfalls Unentschlossene locken. „Auch flexiblere Arbeitszeiten oder die Möglichkeit, Anteile an den jeweiligen Unternehmen zu kaufen, helfen dabei, die Lücke schnellstmöglich zu schließen.“ Dennoch bringen diese Maßnahmen ohne eine Kombination mit langfristigen Lösungen nur bedingt Erleichterung.
Mehr Unterstützung für Nachwuchs
Greifen die kurzfristigen Maßnahmen, gewinnen die Verantwortlichen Zeit, sich mit der langfristigen Herausforderung auseinanderzusetzen: regelmäßigen Nachschub an qualifiziertem Personal zu gewährleisten. Allein in Deutschland gehen jedes Jahr 30.000 Fachkräfte in Rente, während nur 15.000 in das Geschäft eintreten. Bis 2027 könnte sich so hierzulande ein Rückstau von bis zu 185.000 Fahrern ansammeln. Europaweit lassen sich ähnliche Tendenzen wie in der Bundesrepublik feststellen. Dabei existieren verschiedene Stellschrauben, an denen Politiker und Unternehmen drehen können. „Einerseits gilt es, die Ausbildung qualitativ anzupassen, indem Interessenten schnell und einfach Zugang zu Praktika finden. Zusätzliche professionell geleitete Rekrutierungsprogramme etablieren Systeme und Mechanismen, welche einen steten und nachhaltigen Fluss an Fachkräften gewährleisten und gleichzeitig das Niveau der Ausbildung sichern“, so Heine. Zusätzlich brauche es Anreize, Nachwuchs auszubilden. „Hierfür müssen die Gehälter dauerhaft angehoben und Preise für die entsprechenden Führerscheine heruntergesetzt werden. Es lohnt sich für Unternehmen nicht, Fahrer auszubilden und ihre teuren Zulassungen zu bezahlen, wenn andere Betriebe sie nach der Genehmigung durch ein höheres Gehalt abwerben.“
Arbeitsplatz attraktiver machen
Auch die Rahmenbedingungen des Berufs können abschreckend wirken. Beispielsweise ließe sich bezüglich der Rast- und Schlafmöglichkeiten der Komfort erhöhen. „Oftmals stellt sich die Qualität der Rastplätze als verbesserungswürdig heraus. Dieses Problem ließe sich langfristig regeln, wenn sich das Fahrzeug selbst als Unterkunft nutzen ließe“, erklärt Heine. „Jedoch legt die EU die Größe von Lkw fest, was sich hinderlich auf die Ausstattung auswirkt.“ Mit wenig Aufwand lässt sich das Fahrzeug so ausbauen, dass neben dem festgeschriebenen Bett auch eine Mikrowelle und ein TV sowie Ausstattung für die Toilette und Hygiene Platz finden. Damit wären die Fahrer auch unabhängiger vom Zustand der Schlafmöglichkeiten. „Gleichzeitig haben die Verantwortlichen den Nachholbedarf bereits erkannt. So hat die Europäische Kommission über 170 Millionen Euro für die qualitative Verbesserung der Rast- und Parksituation versprochen“, erklärt Heine. Solche Nachrichten ließen hoffen, dass sich die Dinge in die korrekte Richtung bewegen. Heine bleibt optimistisch: „Durch den Brexit wissen wir, wo die Reise hingehen kann, wenn wir nicht entgegensteuern. Es erweist sich jedoch als unser Vorteil, dass wir eben noch nicht dort angekommen sind, wo sich das Königreich befindet. Wir können also die Geschehnisse noch immer positiv gestalten.“