Brexit: Wie sich der „May Day“ verhindern lässt

Natürlich hätte ein erneutes Referendum mit anderem Ausgang ein Geschmäckle. Die Brexit-Anhänger fühlen sich mit Blick auf das Ergebnis der ersten Abstimmung massiv getäuscht. Einen Tod muss Großbritannien jedoch sterben. Entweder sie leben in einem Little Empire für wirtschaftlich Arme oder auf deutlich höherem Wohlstandsniveau in einem vereinten Europa.

Hier spielt die Zeit eine wichtige Rolle. Je mehr sich die wirtschaftliche Unsicherheit im Vereinigten Königreich mit nachgebenden Immobilien- und Wertpapierpreisen, weniger Unternehmensinvestitionen, steigenden Arbeitsplatzverlusten bei steigender Inflation für Güter des alltäglichen Gebrauchs – wenn sie überhaupt ausreichend zur Verfügung stehen – zeigt, umso mehr wird die Kraft des Faktischen die Briten spüren lassen, dass die gesamte Austrittsidee eine masochistische, Wohlstand auffressende Schwachsinns-Idee ist.

Dass es den Briten außerhalb des gemeinsamen Wirtschaftsraums bessergeht, ist eine so große Lüge des Brexit-Lagers, die sich selbst Pinocchio nie getraut hätte. Annehmlichkeiten vermisst man immer dann am meisten, wenn man sie nicht mehr hat.

Finanzmärkte glauben nach wie vor an einen geregelten Austritt

Übrigens, bei Annahme des Brexit-Deals im Parlament wären die Briten tatsächlich am 29. März aus der EU ausgetreten. Das hätte eine Rückkehr in die EU ziemlich unmöglich gemacht.

An den Finanzmärkten ist Gelassenheit zu beobachten. Dort wird nicht von einem ungeregelten EU-Austritt der Briten ausgegangen. Man hat den Glauben an die wirtschaftliche Vernunft im Inselstaat noch nicht aufgegeben. Sollten die Briten dennoch unkontrolliert austreten, muss man sie gehen lassen. Vogel, friss oder stirb. Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Dann werden sie zur Insel der wirtschaftlich Verdammten. Irgendwann, wenn sie ihren Fehler eingesehen haben, können sie ja wieder beitreten, allerdings zu den Bedingungen der EU.

Die Börsen wären von einem No Deal-Brexit zwar not amused. Aber nach ein paar wilden Tagen an der Börse wird man sich auch daran gewöhnt haben. Viel wichtiger ist ohnehin, was das Thema Handelskrieg zwischen den USA und China macht. Jede Entspannung hier wird den Brexit weit überstrahlen.

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator. Er ist aus Funk und Fernsehen bekannt und schreibt regelmäßig für Cash.

Foto: Baader Bank

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