Finanzberatung von Frauen: „Frauen machen 50 Prozent der Gesellschaft aus und sind keine Minderheit“

Hava Misimi, Geschäftsführerin Femance und Christian Häsch, Alte Leipziger
Foto: Femance/ALH
Hava Misimi und Christian Häsch: "Frauen haben grundsätzlich ein höheres Verantwortungsbewusstsein für Vorsorge:"

EXKLUSIV Hava Misimi hatte 2021 den Jungmakler Award gewonnen und ist bislang die einzige Finanzberaterin mit dieser Auszeichung. Cash. sprach mit der Geschäftsführerin von Femance und Christian Häsch, Leiter Dezentraler Vertrieb bei der Alte Leipziger Leben, über die Bedeutung der Absicherung gegen Berufsunfähigkeit und die Notwendigkeit für Frauen, vorzusorgen.

Frau Misimi, es gibt rund 45 Millionen Berufstätige. Allerdings ist nur ein Bruchteil gegen Berufsunfähigkeit versichert. Warum tun sich viele mit einer Absicherung so schwer?

Misimi: Viele denken, die BU leistet ohnehin nicht. Dieses Vorurteil hält sich schon sehr hartnäckig auch bei jungen Menschen, weil sie den Wert ihrer Arbeitskraft nicht erkennen. Dabei hat sie einen enorm hohen Wert, wenn man sie über die Zeit hochrechnet. Zum Teil sprechen wir hier von siebenstelligen Summen. Ein weiteres Problem sind die Annahmerichtlinien. Mittlerweile es nicht mehr ganz einfach, eine Berufsunfähigkeitsversicherung zu bekommen, weil sehr viele junge Menschen sehr sensibilisiert sind und wegen psychischer Probleme vorsorglich zu einer Psychotherapie gehen. Viele Versicherer sehen das anders, weil sie insbesondere bei jungen Menschen nicht abschätzen können, wie sich ein Vorgang entwickelt. Insofern erschwert das natürlich den Annahmeprozess erheblich.

Häsch: Viele unterschätzen das Risiko, berufsunfähig zu werden. Statistiken zeigen, dass jeder Vierte im Berufsleben mindestens einmal betroffen ist. Der Preis der Absicherung spielt eine Rolle, aber wir sollten dies in der Branche als Chance sehen. Viele Vermittler fokussieren sich nur auf die Berufsunfähigkeit, doch es geht um die ganzheitliche Arbeitskraftabsicherung. Dazu gehören auch Grundfähigkeit, Erwerbsminderungsrente und Dread Disease. Diese Bausteine sind je nach Zielgruppe unterschiedlich wichtig. Das Marktpotenzial bietet immense Chancen für Versicherer und Vermittler.

Schaut man sich die Entwicklung der vergangenen drei Jahrzehnte an, haben sich die Abschlusszahlen nicht wirklich verbessert. Wieso dreht sich die Branche hier im Kreis?

Misimi: Ich glaube, es liegt auch am allgemeinen Wissen über Versicherungen. Viele wissen nicht, dass es die Berufsunfähigkeit gibt und dass die Absicherung der Arbeitskraft sehr wichtig ist, in welcher Form auch immer. Da spielt Finanzbildung schon eine Rolle. Die Bereitschaft, sich damit auseinanderzusetzen, hat sich in den letzten Jahren nicht wesentlich verändert. Es ist ja nicht so, dass wir in der Schule lernen, welche Versicherungen wichtig sind. Und ich glaube auch, dass die negative Berichterstattung eine Rolle spielt. Man sieht im Fernsehen selten positive BU-Berichte, sondern immer die Fälle, wo es negativ gelaufen ist. Zudem spielt der Preis eine Rolle und die Frage: zahlt die Versicherung überhaupt. Bei solchen Argumenten entscheidet man sich dann gegen eine BU-Versicherung.


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Häsch: Wir reden immer nur über Negatives. Dabei haben wir bei der Alte Leipziger eine gute Leistungsanerkennungsquote von fast 80 Prozent, das heißt, acht von zehn Fällen werden anerkannt. Darüber spricht niemand. Ich glaube auch, dass wir das Thema ganzheitlich diskutieren sollten. Und da gehört eine BU-Absicherung für junge Menschen dazu.

Ab welchem Alter sollte man sich mit einer Arbeitskraftabsicherung auseinandersetzen?

Häsch: Wir als Alte Leipziger bieten echten Berufsunfähigkeitsschutz ab dem zehnten Lebensjahr an, haben aber in unserem ganzheitlichen Beratungsansatz die Möglichkeit, bereits jüngere Kinder ab dem sechsten Lebensmonat zu versichern. Wir bieten für die Altersklasse einen Grundfähigkeitsschutz mit späterer Umstellungsoption ohne erneute Risikoprüfung in die Berufsunfähigkeit an. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ich würde sagen, so früh wie möglich. Mit dem frühen Eintrittsalter sichert man sich den Gesundheitszustand und hat später noch viele flexible Möglichkeiten der Nachversicherung, die ein guter BU-Schutz bietet.

Misimi: Für manche Familien auch nicht so einfach, jetzt für jedes Kind eine BU oder eine Grundfähigkeit mit sechs Monaten abzuschließen, weil die finanziellen Mittel fehlen. Aber finanzielle Bildung kann viel früher beginnen, auch wenn man selber nicht die Mittel dafür hat. Wenn das Kind beim Berufseinstieg sich entsprechend absichert und die Vorteile der guten Gesundheit nutzt, wird es deutlich günstiger.

Wie alt sind die Kunden, die zu Ihnen kommen, Frau Misimi

Misimi: Unsere Hauptzielgruppe sind Berufseinsteiger zwischen 20 und 35 Jahren, darunter viele Studierende und Azubis. Auch frischgebackene Eltern entscheiden sich häufig für eine Grundfähigkeitsversicherung bei der Alte Leipziger, weil sie sensibilisiert sind. Zudem gibt es Kunden, die nach sinnvollen Geschenken für ihre Kinder gefragt wurden und sich dann für eine Grundfähigkeitsversicherung entschieden haben.

Das hört man aber eher selten.

Misimi: Wenn finanzielle Bildung da ist, dann ist die Bereitschaft größer und man sieht den Wert dahinter.

In der Pandemie war die Bereitschaft zur Absicherung der Gesundheit oder Arbeitskraft hoch. Jetzt haben wir aber eine relativ unsichere Wirtschaftslage. Hat sich Bereitschaft verändert?

Misimi: Die Erfahrung mache ich nicht. Ich habe das Gefühl, dass diese Unsicherheiten eher die jungen Menschen animieren, in ihrem Privatleben Sicherheit zu suchen, in dem man sich gut absichert. Und auch beim Thema Altersvorsorge sind viele sensibilisiert und geben mehr Geld aus, weil der Staat es nicht mehr richten wird. Allerdings sind die Einmalanlagen zurückgegangen.

Häsch: Wir haben einen starken Fokus auf die Zielgruppe Akademiker. Und dort merken wir nicht, dass die Absicherungsbereitschaft gesunken ist. Wir haben weiterhin einen hohen Eingang an BU-Geschäft. Aber man merkt natürlich: Wenn junge Leute bereit sind, für die Berufsunfähigkeit entsprechende Mittel zur Verfügung zu stellen, sparen sie im Bereich der privaten Altersvorsorge eher geringere Beiträge.

Sie erwähnten gerade die Akademiker oder Studenten, ein Kundenkreis der gut verdient oder später gut verdienen wird und mit relativ geringen Berufsunfähigkeitsrisiken behaftet ist. Doch gerade die körperlich Tätigen fallen durchs Raster, weil sie die BU-Absicherung kaum bezahlen können.

Häsch: Wir sehen Arbeitskraftabsicherung ganzheitlich. Natürlich ist die BU für einen Dachdecker oder einen Fliesenleger teuer. Dann sollte man sich überlegen, ob man vielleicht doch besser die Grundfähigkeitsversicherung wählt, bei der es gezielte Konzepte für Berufe mit hohen körperlichen Risiken gibt, oder die Erwerbsunfähigkeitsversicherung. Oder wir wählen den Weg über die betriebliche Berufsunfähigkeitsversicherung. Dort gibt es in der Regel eine etwas vereinfachte Risikoprüfung und günstigere Prämien für körperlich Tätige.

Misimi: Für uns steht die Absicherung der Arbeitskraft im Vordergrund, nicht die BU. Kürzlich suchte eine Hebamme nach einer Arbeitskraftabsicherung, konnte sich aber eine BU wegen des hohen Preises nicht leisten. Eine Grundfähigkeitsversicherung passte viel besser und war 50 Prozent günstiger. Als Vermittlerin muss ich mit verschiedenen Absicherungsformen arbeiten und Kompromisse machen, statt die BU als das Nonplusultra darzustellen. Auch Grundfähigkeitsversicherungen können die Psyche einschließen. Das Problem ist, wie man auch Menschen mit geringem Einkommen gut absichert. Würden mehr Menschen eine BU abschließen, würde sich das Risiko auf mehr Schultern verteilen und die Tarife würden für alle günstiger Eigentlich müsste es das Bestreben aller Versicherer sein, mehr Berufstätige in die Absicherung zu bekommen, denn davon würden letztlich alle Kunden profitieren.

Sie sprachen gerade die Erwerbsunfähigkeitsrente an. Warum spielt die EU als mögliche Alternative vertrieblich kaum eine Rolle?

Häsch: Die EU ist eigentlich für den Worst-Case gedacht. Sie ersetzt aber keine BU. Das ist im Endeffekt eine Ergänzung des gesetzlichen Erwerbsminderungsschutzes. Aber natürlich merken wir auch bei uns im Haus, dass das Thema Erwerbsminderung relativ gering durchdrungen ist. Nichtsdestotrotz halte ich es in der ganzheitlichen Beratung für wichtig, das Produkt zumindest mit anzubieten. Für mich ist die Grundfähigkeit auch keine schlechtere BU. Sie hat für mich einen komplett anderen Charakter. Die Erwerbsminderung ergänzt im Endeffekt lediglich den Schutz der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente und stockt ihn dementsprechend auf. Aber Sie haben recht, die Durchdringung ist ausbaufähig.

Seite 2: „Männer suchen seltener Beratung bei Frauen“

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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