Finanzberatung von Frauen: „Frauen machen 50 Prozent der Gesellschaft aus und sind keine Minderheit“

Frau Misimi, Sie sind Vermittlerin und haben ein reines Frauenteam hinter sich. Sie fokussieren sich zwar nicht nur auf Frauen, dürften aber aufgrund Ihrer Ausrichtung viele Frauen als Kundinnen haben, vermute ich mal. Wie kam es dazu?

Misimi: Durch Zufall. Mein Finanzblog, der viele Frauen ansprach, war der Ausgangspunkt. Ein großer Teil unserer Kunden sind Frauen, aber viele Paare kommen auch gemeinsam zur Beratung, sodass wir auch Männer als Kunden haben. Unser Team besteht momentan nur aus Frauen, weil sich bisher keine Männer beworben haben. Gesellschaftlich wird der Versicherungsmakler eher als männlich wahrgenommen, und Männer suchen seltener Beratung bei Frauen. Das Umdenken in den Köpfen muss noch stattfinden. Eine Studie der Universität Mannheim zeigt, dass weibliche Finfluencer weniger Reichweite haben, da ihnen meist nur Frauen folgen, während männliche Accounts Follower beider Geschlechter haben und dadurch größer sind. Männer werden in diesem Bereich oft als kompetenter wahrgenommen, was sich hoffentlich in Zukunft ändern wird, wenn man mit gutem Beispiel vorangeht.

Wo liegen denn die Herausforderungen in der Ansprache und Beratung von Frauen?

Misimi: Also Frauen haben nicht den geradlinigen Lebenslauf. Das ist, glaube ich, eine ganz, ganz wichtige Sache, die man einfach berücksichtigen muss. Themen wie Elternzeit, die man sich nimmt, dass man da eben in Richtung Altersvorsorge richtig mitdenkt. Aber auch bei der Berufsunfähigkeitsversicherung ist Elternzeit immer ein Thema. Denn wenn ich während der Elternzeit eine BU abschließe, habe ich eine niedrigere Absicherungshöhe, obwohl ich eigentlich mehr verdiene oder wieder arbeiten möchte. Ich glaube, da braucht es Empathie und Verständnis für diese Themen. Etwa bei frauenspezifischen Gesundheitsthemen wie Endometriose, wo das Gegenüber mehrmals nachfragt, weil er es nicht versteht. Wir kennen die Problematiken und können daher gezielter mit unseren Kundinnen arbeiten.

Sie hatten gerade die speziellen Risiken angedeutet. Gibt es da Themen, die nicht richtig durchdacht sind?

Misimi: Frauen haben ein höheres Risiko, berufsunfähig zu werden, insbesondere durch psychische Belastungen, wie Studien zeigen. Frauen sind häufiger von psychischen Problemen betroffen, was sich auch in der BU-Risikovoranfrage zeigt. Außerdem erkrankt eine von neun Frauen vor dem 49. Lebensjahr an Brustkrebs. Diese gesundheitlichen Faktoren machen es für Frauen schwieriger, eine BU zu bekommen, obwohl sie diese dringend benötigen. Frauen gehen zweimal im Jahr zur Vorsorge. Insofern ist es verständlich, dass Gynäkologen viele Diagnosen stellen, darunter aber auch psychische. Wenn man mit diesen Diagnosen in eine BU-Risikovoranfrage geht, verkompliziert das einfach alles. Die Versicherer sollten diese Aspekte berücksichtigen, um die BU für Frauen zugänglicher zu machen. Da ist einiges nicht richtig durchdacht.

Inwiefern?

Misimi: Nehmen wir das Thema Elternzeit. Wenn ich länger als die gesetzliche Elternzeit in Elternzeit bleibe, weil ich zum Beispiel keinen Kita-Platz bekomme, und wir haben zu wenig Kita-Plätzen, rutsche ich direkt in die Position der Hausfrau. Und dort haben wir immer das Problem der konkreten Verweisung. Weil eine Hausfrau per se kein Geld verdient, die Care-Arbeit wird nicht bezahlt. Das heißt, wenn ich von der Definition Lebensstellung ausgehe, könnte ich eigentlich als Hausfrau immer, wenn ich berufsunfähig bin, direkt konkret verwiesen werden. Wenn ich psychisch krank wäre, würde ich mich aufgrund der Lebensstellung, ohne einen Verdienst, besserstellen, wenn ich im Supermarkt Regale einräume. Das ist ein Thema, das nicht richtig mitgedacht wurde.

Gibt es noch weitere Kritikpunkte?

Misimi: Und wir hatten eben auch das Thema der Nachversicherungsoptionen. Viele Frauen denken zum ersten Mal über das Thema Absicherung nach, wenn sie ihr erstes Kind bekommen. Das heißt, die kommen dann, wenn sie in Elternzeit sind oder wenn sie schwanger sind und nicht mehr arbeiten und sagen, ich möchte eine BU abschließen. Und dann habe ich halt eine Obergrenze, wie viel ich absichern kann. In der Regel sind es 1.500 Euro durch das Elterngeld. Das heißt, ich kann 1.500 Euro abschließen und wenn ich dann wieder in den Beruf einsteige, kann ich maximal durch die Nachversicherungsoption ein Jahr 500 Euro nach oben gehen. Das heißt, ich komme maximal auf 2.000 Euro, aber ich habe vielleicht Kundinnen bei uns, Akademikerinnen, die gut verdienen. Sie wollen eine deutlich höhere Absicherung, bis zu 3.000 Euro. Dann geht das nicht. Diese Erwerbsbiografie wird nicht berücksichtigt.

Das klingt so, als müssten die Versicherer noch einige Hausaufgaben machen.

Misimi: Einige ja. Es sind kleine, feine Dinge, die wir in der Praxis im Vertrieb immer wieder das Leben erschweren. Wir hatten letztes Jahr eine gutverdienende Kundin, die in Elternzeit ging und zuvor noch eine BU-Versicherung abschließen wollte. Es waren aber nur 1.500 Euro BU-Rente möglich, die sie um 500 Euro hätte aufstocken können. Sie wollte aber unbedingt 2.500 Euro, was ich verstehen kann, weil ihre Lebenshaltungskosten auch so hoch waren. Außerdem hat sie über 3.000 Euro verdient. Also es wäre auf jeden Fall verhältnismäßig gewesen, hat aber nicht geklappt, weil die Nachversicherungsoption schon ausgeschöpft war. Weil sie zum falschen Zeitpunkt ihre BU abgeschlossen hat, nämlich in der Elternzeit. Aber das muss man erst mal wissen. Und da sind wir in der Finanzbildung noch nicht so weit, weil das Basiswissen fehlt.

Aber nicht alle Versicherer werden so vorgehen?

Misimi: Doch, die meisten. Der Markt regelt das einfach so, weil ich immer die Verhältnismäßigkeit zu meinem Einkommen habe. Und wenn mein Elterngeld gedeckelt ist, dann muss ich natürlich, kann ich mich nicht überversichern lassen und irgendwie auf 2.500 gehen, dann wäre ich quasi per Gesetz überversichert und das funktioniert einfach nicht, die Verhältnismäßigkeit ist nicht da.

Häsch: Das Thema finanzielle Angemessenheit ist schwierig, da hinter dem Erstversicherer immer ein Rückversicherer steht. Wir haben zum 1. Januar 2024 die Nachversicherungsoption für die Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit nach Elternzeit eingeführt. Das ist noch nicht komplett marktüblich. Oft ist zu beobachten, dass bei der Wahl von Ausbau- und Nachversicherungsgarantien höhere Schadenquoten im Vergleich zu einem klassischen BU-Vertrag aufkommen. Wenn man dies aufweichen würde, hätte es eventuell weiter steigende Schadenquoten zu Folge. Daher braucht es eine gesunde Mischung. Ich bin bei Ihnen, dass sich die BU-Versicherer weiterentwickeln sollten, weil die Erwerbsbiografien heute anders sind als vor 15 oder 20 Jahren.

Wie kommt es, dass die Schadenquoten bei dieser Nachversicherungsoption höher sind?

Häsch: Die Ausbaugarantien werden ereignisunabhängig gezogen und meistens nutzen das Leute, die wissen, dass sie ein kleines gesundheitliches Problem haben. Damit sind wir nicht allein; bei den meisten Versicherern sind gerade bei den ereignisunabhängigen Nachversicherungen die Schadenquoten oft etwas höher.

Was sind die Schlussfolgerungen daraus? Was muss der Versicherer tun?

Häsch: Mehr Flexibilität, mehr Erwerbs- oder Lebensphasenmodelle. Wir haben in den letzten Jahren sehr umfangreiche Nachversicherungsoptionen aufgenommen, welche sich bewährt haben.

Misimi: Ich glaube, die Mischung macht’s. Wir versuchen, Aufklärung zu betreiben. Wir raten vielen Frauen, eine BU-Versicherung abzuschließen, bevor sie schwanger werden. Denn dann kann sie ihr Einkommen absichern, bevor sie in Elternzeit geht. Aber wie gesagt, generell fehlt das Bewusstsein für das Thema. Und dann müssen natürlich auch die Produkte von Seiten der Versicherer optimiert werden und bezahlbar bleiben. Immerhin: 50 Prozent der Gesellschaft sind Frauen. Es ist nicht so, dass man Minderheiten optimiert, sondern man optimiert einfach nach Lebensphasen. Und ich glaube, dass wir in Zukunft immer mehr Männer in Elternzeit sehen werden. Und dass bei denen die Herausforderungen ähnlich sind. Man denkt nicht an die BU, macht sie während der Elternzeit und steht vor den gleichen Problemen. Das ist sehr unabhängig vom Geschlecht.

Stichwort Zielgruppe. Wie steht es um das Bewusstsein um die Absicherung um Notwendigkeit bei den Frauen?

Misimi: Ich würde sagen, noch zu wenig. Da würde ich mir mehr wünschen. Wir arbeiten auch daran oder es gibt viele Initiativen. Ich persönlich finde, dass das schon in der Schule ein Thema sein sollte. Dass man die Unabhängigkeit vom Elternhaus fördert. Dass man zumindest ein finanzwissenschaftliches Grundgerüst hat. Man muss nicht alle Details kennen, aber zumindest wissen, wo man sich informieren kann? Wenn Frauen über Finanzwissen verfügen, ist die Relevanz der BU schon vielen bekannt. Also bei uns kommt jetzt niemand in die Beratung und sagt, ich weiß nicht, ob ich eine BU abschließen soll, sondern eher, ich will eine BU abschließen oder ich will eine Arbeitskraftabsicherung. Was können wir tun? Wie machen wir das?

Häsch: Ich glaube, Frauen haben grundsätzlich ein höheres Bewusstsein für Vorsorge als Männer. Eine Studie im Auftrag des Versorgungswerks MetallRente zeigt, dass 39 Prozent der Frauen die Wahrscheinlichkeit einer Berufsunfähigkeit auf über 30 Prozent schätzen, bei Männern ist dieser Wert deutlich niedriger. Frauen gehen bewusster mit dem Thema um. Wir müssen jedoch viel früher mit der Aufklärung beginnen, bereits in der Schule. Themen wie Arbeitskraftabsicherung und Altersvorsorge werden dort kaum behandelt, obwohl sie in jeden Lehrplan gehören sollten.

Welches Leitbild hat Femance?

Misimi: Unser Leitbild ist, dass wir Frauen dabei helfen wollen, finanziell sorglos zu sein. Und das tun wir eben, indem wir zum einen finanzielle Bildung mittragen oder mit verbreiten, aber auch indem wir Online-Kurse anbieten und eben unsere Beratung haben. Die geht ganzheitlich an das Thema Vorsorge heran. Wir schauen von verschiedenen Perspektiven, ob eine Frau mit dem Grundgerüst auch langfristig finanziell sorglos ist. Oder ob es Lücken gibt. Aber so, dass sie auf Augenhöhe abgeholt wird. Ich glaube, am Ende ist es ein Bewusstsein für seine eigenen Finanzen, für die Unabhängigkeit und was man dafür tun muss. Der Berater kann dabei unterstützen. Aber trotzdem geht die Initiative vom Kunden aus. Andersherum wird es nie funktionieren.

Letztendlich ist es doch oft so, dass, wenn man die Beratungsempfehlungen mit den eigenen Einkommensverhältnissen abgleicht, man doch irgendwo Einschnitte machen muss. Wie gehen Sie in solchen Fällen vor?

Misimi: Wir berücksichtigen immer die Prioritäten des Kunden und unterscheiden zwischen Essentials und zusätzlichen Optionen. Es geht darum, Kunden durch verschiedene Lebensphasen zu begleiten: Wir starten oft mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung und sensibilisieren dann für die Altersvorsorge. Wichtig ist, früh damit anzufangen, denn schon kleine Beiträge können einen großen Impact haben und motivieren, später aufzustocken. Wir zeigen, wie Gehaltsveränderungen die Rentenlücke beeinflussen und wie berufliche Neuorientierung oder Gehaltsverhandlungen helfen können. Zudem empfehlen wir VL-Sparen in ein ETF-Depot, um auch mit wenig Geld Vermögen aufzubauen. Unser Fokus liegt auf einer langfristigen Perspektive. Das motiviert.

Häsch: Für mich ist ein ganzheitliches Lebensphasen-Konzept entscheidend: Man beginnt mit den wichtigsten Versicherungen wie der Berufsunfähigkeit und baut Schritt für Schritt weitere Bausteine auf. Die Altersvorsorge betrachte ich nicht isoliert, sondern in verschiedenen Schichten und Produkten, wie private Altersvorsorge, Riester-Rente oder Basisrente. Ergänzend gibt es Formen wie ETF-Sparpläne.

Gleichwohl müssen die Verträge es hergeben, dass man in der Elternzeit auch die Möglichkeit einer Beitragspause hat. Stichwort Flexibilität. Denn Kündigung ist die falsche Option.

Häsch: Deswegen haben wir als Alte Leipziger eine Beitragspause eingeführt, die nicht nur für die Berufsunfähigkeit, sondern auch für alle gängigen Altersversorgungstarife gilt. Kunden können bis zu 24 Monate den Beitrag aussetzen und danach mit gleichem Versicherungsschutz oder verminderter Prämie wieder aufnehmen. Es gibt auch die Beitragsstundung und -freistellung, wobei letztere meist zu geringem Versicherungsschutz führt. Die Beitragspause ermöglicht es, Phasen wie ein Sabbatical auszugleichen, während der Versicherungsschutz erhalten bleibt.

Wie bewerten Sie die Riester-Rente?

Häsch: Ich sage, die Riester-Rente war nie schlecht, lediglich zu kompliziert, auch für uns Versicherer. Die enormen rechtlichen Anforderungen und die Komplexität haben insgesamt die Produkte verteuert, was es schwierig machte. Zudem gibt es die Einschränkung der hundertprozentigen Beitragsgarantie bei 0,25 Prozent Rechnungszins. Wenn dieser ab 1. Januar 2025 steigt, könnte es eine Renaissance der Riester-Rente geben. Es hängt von der Regierung ab, ob sie andere Modelle bevorzugt. Ich halte die Riester-Rente für eine gute Möglichkeit, eine Versorgungslücke zu minimieren.

Misimi: Ich glaube, man muss ein wenig von den Beitragsgarantien weggehen. Und auch da ist finanzielle Bildung hilfreich. Man sollte von der vollständigen Garantie abweichen und mehr Risiko eingehen, da Risiko auch Chancen bietet. Versicherer dürfen das ebenfalls. Ich bin ein großer Fan der Aktienrente und würde es begrüßen, wenn unsere Regierung das umsetzt. Es könnte als Vorbild dienen und Menschen ermutigen, privat in ETFs oder ähnliches zu investieren, auch in Riester-Produkte. Dies würde die Akzeptanz erhöhen und es der Branche erleichtern.

Wie sieht es bei Frauen und den Aktien aus? Sind Frauen risikoaverser als Männer, wie diverse Studien sagen?

Misimi: Nein. Frauen sind vorsichtiger, dass zeigen viele Studien. Sie wollen alles erstmal verstehen und durchdringen. Und dann sind sie aber die besseren Anlegerinnen. Weil sie bessere Renditen erzielen, weil sie bei einem Thema bleiben, die Strategie verfolgen und nicht so viel hin und her zocken. Allerdings sind aktuell noch recht wenig Frauen am Aktienmarkt.

Wie nehmen Sie Ihren Kundinnen die Unsicherheit vor dem Aktienmarkt?

Misimi: Unser Online-Kurs wirkt dem entgegen, indem er den Vermögensaufbau mit Aktien und ETFs von Grund auf erklärt. Er startet bei den Grundlagen der Börsen mit Angebot und Nachfrage, was viele nicht kennen, wenn sie keine Wirtschaft studiert haben. Der Kurs hilft enorm, sodass die Teilnehmer selbst am Aktienmarkt investieren können. Viele kommen danach in die Beratung, um ein Aktienaltersvorsorgeprodukt zu finden. Der Kurs hat jedes Jahr über 600 Teilnehmende und wird bald häufiger angeboten. Durch Erklärungen und die Möglichkeit, Fragen zu stellen, nehmen wir die Angst und vermitteln ein klares Konzept.

Häsch: Ich glaube, das Wichtigste ist Aufklärung. Wir merken, dass die Deutschen generell über viele Jahre und Jahrzehnte sehr garantieorientiert und klassikverliebt waren. Und man hat erst spät gemerkt, dass die Versicherungsbranche mit 0,25 Prozent Rechnungszins gar keine hundertprozentige Garantie mehr sinnvoll anbieten kann. Also gingen viele auf die 80 Prozent, sozusagen die alte 100-Prozent-Garantie. Aber es erfordert schon einiges an Wissenstransfer und Aufklärung, damit die Kunden wirklich verstehen, dass der Aktienmarkt nichts Teuflisches ist, wenn man damit richtig umzugehen weiß.

Frau Misimi, Sie haben 2021 den Jungmakler Award gewonnen und ich war wirklich überrascht, dass Sie bislang die einzige Finanzberaterin mit dieser Auszeichnung sind.

Misimi:  Das ist traurig. Die Branche hat ein kein gutes Image. Wenn ich auf Messen gehe, sehe ich meist 50-jährige Männer. Viele Frauen bei uns haben das Feedback gegeben, dass es immer um Vertrieb geht, nicht um Beratung. Es wäre anders, wenn es wirklich Beratung hieße und auch als solche wahrgenommen würde, statt nur Dinge zu verkaufen. Unser Job hat eigentlich einen Purpose, wir unterstützen andere und tragen eine große soziale Verantwortung. Doch das schlechte Image der Branche, die sich auf Vertrieb und Vermittler konzentriert, macht sie für Frauen unattraktiv.

Das hat sie nie gestört?

Misimi: Ich kann mich von solchen Themen distanzieren. Bei Vorträgen kommt oft die Frage auf, ob es sich lohnt, Frauen zu beraten, da sie angeblich nichts verdienen. Vermittler sehen oft nur die direkte Provision und nicht die langfristige Wirkung zufriedener Kunden, die weitere Kunden bringen. Die Rolle der Frau und unsere Gesellschaft verändern sich, daher sollte man nachhaltiger agieren. Frauen sind oft in Partnerschaften, und man sieht das Thema gemeinsam. Es ist schade, dass der Fokus auf schnellem Verkauf liegt. Nachhaltiges, wachsendes Geschäft ist langfristig interessanter als schnelles Geld.

Annalena Baerbock hatte vor kurz nachdem sie Außenministerin wurde, den Begriff der feministischen Außenpolitik geprägt. Daran angelehnt, braucht es einen feministische Finanzberatung?

Misimi: Es geht nicht um Feminismus, sondern um Grundwerte wie soziale Verantwortung und nachhaltige Kundenbeziehungen. Wichtig ist, alle zu beraten, niemanden auszuschließen und nicht nur auf Gewinn zu achten. Der Begriff „feministisch“ könnte im Maklertum abschreckend wirken, da einige denken könnten, Männer würden ausgegrenzt. Es geht darum, alle auf Augenhöhe zu beraten und verschiedene Lebensrealitäten zu berücksichtigen. Frauen machen 50 Prozent der Gesellschaft aus und sind keine Minderheit. Systemische Probleme, wie Schwierigkeiten, nach der Elternzeit einen Kita-Platz zu finden, führen oft dazu, dass der besserverdienende Partner weiterarbeitet, während der andere, meist die Frau, zu Hause bleibt. Dieses System ist nicht ideal und braucht mehr Struktur. Auch ohne eigene Kinder mache ich mir Gedanken darüber, wie ich Familie und Beruf vereinbaren würde. Kita-Plätze sind oft teuer und schwer zu finden, was Familien vor große Herausforderungen stellt.

Eine Berufsfähigkeitsversicherung oder eine Arbeitskraftabsicherung, gehört zu den Produkten, die man eigentlich nicht umdecken sollte und ab einem gewissen Alter auch nicth mehr umdecken kann. Die Herausforderung besteht darin, das Produkt so maßzuschneidern, dass es auch noch nach drei oder vier Jahrzehnten passt.

Häsch: Ein Lebensphasenkonzept muss größtmögliche Flexibilität bieten, inklusive Erhöhungsmöglichkeiten ohne erneute Risikoprüfung, Nachversicherungsoptionen, Berufseinsteigerboni und Mittel zum Inflationsausgleich wie Dynamiken. Viele Versicherer verwirken den Dynamikanspruch nach einmaligem Aussetzen, wir jedoch nicht. Weitere Möglichkeiten sind Beitragspausen und -stundungen. Seit 1. Januar 2024 bieten wir zusätzliche Gesundheitsservices rund um psychische Erkrankungen an, insbesondere zur Prävention. Dafür arbeiten wir auch mit unserer Schwestergesellschaft Hallesche Krankenversicherung zusammen sowie mit externen Kooperationspartnern wie Novego und MD Medicus.

Misimi: Ich finde es wichtig, dass BU-Versicherungen nicht nur reine Risikoversicherungen sind, sondern auch Vorsorgeangebote wie Coaching für Psychotherapie und Stressbewältigung umfassen. Dadurch kann man BU-Fälle präventiv vermeiden. Wenn Versicherer in solche Angebote investieren, sehen Kunden direkte Leistungen und bleiben dem gewählten Versicherer treu.

Häsch: Als Alte Leipziger Leben widmen wir uns bewusst den Gesundheitsservices. Auf einem Fachkongress im April betonte die Deutsche Rück die Wichtigkeit von Assistenzleistungen im Gesundheitsbereich. Nur wenige Versicherer bieten dies an; wir gehören zu den Top Drei und werden unser Angebot konsequent ausbauen. Ziel ist es, Berufsunfähigkeit vorzubeugen. Wir bieten zusammen mit unseren Kooperationspartnern diverse Möglichkeiten an, z. B. Online-Programme, Risiko-Selbsttests und Services zur schnellen Terminfindung beim Psychologen. Versicherer müssen sich neu erfinden und präventiv tätig werden. Hier sind wir als Alte Leipziger einer der Vorreiter.

1 2Startseite
Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments