„Wir beobachten in der BU keine Verschlechterung des Schadenverlaufs“

Die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) ist ein attraktives Geschäftsfeld für Versicherer. Reinhard Kunz, Vorstand der Alte Leipziger Lebensversicherung, äußert sich zu vermeintlichen Ungerechtigkeiten in der BU, zur Zunahme psychischer Erkrankungen und sagt, ob sein Haus an einem steuerlich geförderten Tarif arbeitet.

„Der Anteil an psychischen Erkrankungen bei BU-Leistungsfällen steigt auch in unserem Versichertenkollektiv, allerdings beobachten wir keine Verschlechterung des Schadensverlaufs insgesamt.“

Cash.: Die Versicherungswirtschaft setzt in der BU zunehmend auf die junge Zielgruppe. Ihr Haus hat zum Beispiel einen BU-Schutz für Schüler entwickelt. Dieser sieht unter anderem vor, dass auch beim Wechsel in einen risikoreicheren Beruf die ursprüngliche Berufsgruppe beibehalten wird. Ältere Berufstätige können davon oft nur träumen: Kommt es zu einem Jobwechsel, bleibt es in der Regel bei der ursprünglichen Einstufung und der darauf beruhenden Beitragshöhe. Misst die Branche mit zweierlei Maß?


Kunz: Nein, die Branche misst hier nicht mit zweierlei Maß. Generell gilt: Die bei Vertragsabschluss vorgenommene Berufsgruppeneinstufung gilt für die gesamte Vertragsdauer – auch bei einem späteren Wechsel in einen risikotechnisch gesehen ungünstigeren Beruf. Das gilt sowohl für Schüler als auch für Berufstätige gleichermaßen. Insofern gibt es keine Ungleichbehandlung. Das bedeutet: Der bei Vertragsabschluss ermittelte (Brutto-) Beitrag und das festgelegte Schlussalter bleiben auch dann erhalten, wenn sich die Risikoverhältnisse drastisch verschlechtern und ein Neuabschluss nicht oder nur zu deutlich ungünstigeren Konditionen möglich wäre.

Psychische Erkrankungen sind mittlerweile die häufigste Ursache für Berufsunfähigkeit – Tendenz steigend. Bereitet es Ihnen vor diesem Hintergrund Sorge, dass der zunehmende Preiskampf zu einer kalkulatorischen Unterschätzung dieses Risikos führen könnte?


Der Anteil an psychischen Erkrankungen bei BU-Leistungsfällen steigt auch in unserem Versichertenkollektiv, allerdings beobachten wir keine Verschlechterung des Schadensverlaufs insgesamt, sondern eine korrespondierende Abnahme der Leistungsfälle insbesondere aufgrund von orthopädischen und internistischen Diagnosen.

Wir vermuten deshalb keine echte Zunahme psychischer Erkrankungen, sondern eine Umklassifikation psychosomatischer oder mit Somatisierungsstörungen einhergehender Erkrankungen, die in der Vergangenheit eher primär als orthopädische oder internistische Erkrankungen eigeordnet wurden. Dies ist für den Schadensverlauf insgesamt eher günstig, weil eine an den Ursachen ausgerichtete Therapie deshalb in der Regel früher und mit besserer Aussicht auf Erfolg stattfinden kann.

Ein relativ neuer Markt-Trend sind sogenannte Cross-Over-Deckungen, die mehrere biometrische Risiken in einer einzigen Police abdecken, wie etwa der Schutz vor finanziellen Folgen bei Eintritt von Berufsunfähigkeit und Pflegebedürftigkeit. Wie bewertet Ihr Haus diesen Trend?

Auch wir haben diese Tendenzen am Markt beobachtet und halten diese Produkte für bestimmte Zielgruppen durchaus für sinnvoll. Damit kann eine kostengünstige Absicherung für unterschiedliche Bedarfssituationen angeboten werden.

Planen Sie in diesem Bereich Innovationen?


Aufgrund unserer aktuellen Zielgruppen planen wir allerdings derzeit noch nicht ein derartiges Produkt einzuführen. Einen ersten Schritt in Richtung zusätzlicher Pflegeabsicherung hat die Alte Leipziger zum 1. Dezember 2013 genommen: Eine kostenlose Pflege-Option ist automatisch zu allen aufgeschobenen Altersrenten der dritten Schicht eingeschlossen. Das ist genau das Richtige für diejenigen, die sich jetzt noch nicht mit dem Thema Pflege beschäftigen möchten. Erst zu Rentenbeginn müssen sich unsere Kunden entscheiden, ob die Pflege-Option und damit eine erhöhte Rente bei Pflegebedürftigkeit zu Lasten einer (geringfügig) reduzierten Altersrente in Anspruch genommen werden soll. Eine BU-Absicherung bis zum Rentenbeginn kann ebenfalls eingeschlossen werden.

Wird die Alte Leipziger in nächster Zeit einen steuerlich geförderten Tarif entwickeln, der im Sinne des Altersvorsorgeverbesserungsgesetz eine lebenslange Rentenzahlung leistet?

Nein, das ist derzeit nicht geplant.

 

Interview: Lorenz Klein

Foto: Alte Leipziger

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