Nach jahrelangem Wettbewerb befinden sich heute die Versicherungsbedingungen vieler Anbieter auf einem vergleichbar hohen Niveau. Im weltweiten Vergleich sind die Bedingungen in Deutschland qualitativ weit vorne. Das führt paradoxerweise zunehmend zu Nachteilen für Verbraucher. Von der hohen Qualität profitieren nämlich nur Verbraucher, die auch einen Vertrag bekommen. Und auch wer einen Vertrag zu guten Konditionen geschlossen hat, ist nicht in jedem Fall auf der sicheren Seite. Der Qualitätswettbewerb hat sich zu einem harten Preiswettbewerb entwickelt. Und auch die Versprechungen über „einzigartige Leistungen“ sind oft nicht haltbar.
Verdeckte Ausweichstrategien von Versicherern
Um sich dem Preiswettbewerb zumindest partiell zu entziehen beziehungsweise diesen abzumildern, fahren Versicherer zunehmend unterschiedliche Strategien, die aber oft zu Lasten von Vermittlern und Versicherten gehen:
Strategie 1: Der Versuch, bessere Leistungen herauszustellen.
Denn nach wie vor zieht das Qualitätsargument. Deutliche Bedingungsunterschiede lassen sich heute aber nur noch in wenigen Fällen herausstellen. Daher wird zunehmend auf eine zweifelhafte Vorteilsargumentation ausgewichen. Bei genauer Analyse entpuppen sich viele dieser „Verbesserungen“ jedoch als „Pseudo-Highlights“, die keine messbaren Vorteile bringen.
Skepsis ist angebracht, wenn beispielsweise folgende Argumente für eine Produktempfehlung herangezogen werden.
– Bereits „altersentsprechender Kräfteverfall“ sei versichert.
– Eine „Infektionsklausel“ brächte erhebliche Vorteile.
– Eine „gelber Schein“ reicht aus, um die BU nachzuweisen.
– Der Versicherer verzichte auf zeitlich befristete Leistungen.
Strategie 2: Neuverträge in der BU-Versicherung werden mit günstigen Nettoprämien angeboten. Die Bruttoprämien jedoch (die im Verkauf oft keine Rolle spielen) werden hoch angesetzt. Hohe Differenzen zwischen Netto- und Bruttoprämie von bis zu über 100 Prozent sind keine Seltenheit. Das Versicherungsunternehmen kann die Beiträge des Versicherten dann zukünftig bis zur vereinbarten Bruttoprämie erhöhen, sodass die anfangs günstige BU-Versicherung sich nach und nach deutlich verteuert. Dieser Aspekt sollte in der Beratung grundsätzlich berücksichtigt werden.
Strategie 3: Im Leistungsfall werden auch gute Bedingungen durch Hinhaltetaktiken unterlaufen. Eine Verschleppung von Leistungsfällen erfolgt beispielsweise durch Kettung von immer weiteren Nachfragen oder Gutachten-Anforderungen. Oder es werden statt der vertraglich vorgesehenen Rentenzahlung Vergleiche angestrebt.
Besonders ärgerlich für Versicherte: Sie haben zumindest auf dem Papier eine Versicherung mit qualitativ hochwertigen Versicherungsbedingungen. Sofern solche Umgehungsstrategien eingesetzt werden, schlägt sich dieser Vorteil im Leistungsfall jedoch nicht nieder. Immerhin bleibt der Klageweg, und spätestens hier zahlen sich gute Bedingungen dann aus.
Tipp: oft bringt ein Rechtsstreit erst in der zweiten Instanz Erfolge, da die Erstinstanz aufgrund Überlastung zu Vergleichen neigt und somit Versicherern mit Umgehungsstrategien in die Hände spielt. Hartnäckigkeit zahlt sich daher aus.
Echte Qualitätskriterien
Trotz all dieser Unsicherheiten: Es lohnt sich, auf die Suche nach einer guten Berufsunfähigkeitsversicherung zu gehen. Denn die Alternative wäre, den Kunden im Ernstfall mit den unzureichenden staatlichen Leistungen allein zu lassen.
Für die Auswahl des richtigen Produktes bieten die folgenden Qualitätskriterien eine Orientierung. Dabei sind Detailkenntnisse des Beraters sehr wichtig:
– Der Versicherer bietet verbesserte berufsspezifische Klauseln
– Gute Regelungen zum versicherten Beruf und zur versicherten Lebensstellung
– Nachversicherungsgarantien zur Erhöhung des Versicherungsschutzes
– Überbrückungsmöglichkeiten von Zahlungsschwierigkeiten (beispielsweise bei Arbeitslosigkeit)
– Eine niedrige Differenz zwischen Brutto- und Nettobeitrag
– Kurze durchschnittliche Regulierungsdauer bei Leistungsfällen
Gerade der letzte Punkt – Regulierungsdauer – ist besonders wichtig, da er Versicherer mit Verschleppungstaktik im Leistungsfall entlarvt. Ermitteln lassen sich valide Werte aber nur durch Stichproben beim Versicherer vor Ort. Derzeit sind nur wenige Versicherer bereit, sich in die Karten schauen zu lassen (www.franke-bornberg.de).
Autor Michael Franke ist geschäftsführender Gesellschafter des Analysehauses Franke & Bornberg.
Fotos: Shutterstock, Stefan Neuenhausen
Weitere aktuelle Artikel und News zum Thema:
15. Januar 2013: LV 1871 verabschiedet sich von Berufsgruppen
11. Januar 2013: Volkswohl Bund bringt Kombiprodukt für BU und Pflege
10. Januar 2012: Morgen & Morgen zieht erste Unisex-Bilanz
30. November 2012: Erwerbsunfähigkeit: Deutsche setzen auf Unfallpolice
29. November 2012: Axa bietet nahtlosen Übergang von Krankentagegeld auf BU-Rente
29. November 2012: Im Invaliditätsfall: Der finanzielle Airbag
11. Oktober 2012: Umfrage: Junge Menschen verkennen Berufsunfähigkeit
28. August 2012: WWK forciert Unisex-Endspurt mit neuer BU-Nachversicherungsoption
21. August 2012: Berufsunfähigkeit: Lassen Versicherer Gefährdete im Regen stehen?
16. August 2012: Berufsunfähigkeit: Schutz vorm freien Fall
1. August 2012: Berufsunfähigkeit: Neue Unisex-Tarife bei Swiss Life
18. Juli 2012: Volkswohl Bund buhlt um Berufsanfänger
21. Mai 2012: Berufsunfähigkeitsversicherung: Nur ein Viertel ist abgesichert