Viele BU-Versicherer positionieren sich mittlerweile als Partner des Versicherten in allen Gesundheitsfragen statt als reiner Leistungszahler. Ist das ein erfolgversprechender Ansatz?
Wedekind: Wir sehen die Unterstützung des Kunden während der gesamten Vertragslaufzeit als wichtigen Aspekt, insbesondere um die Kundenzufriedenheit zu fördern. Versicherer verfügen über ein umfassenderes Wissen um Gesundheit und Rehabilitation als einzelne Kunden. Aktuell sehen wir verschiedene Ansätze am Markt, die echte Vorteile für die Kunden bringen können. Bei vielen Versicherern wird dieses Thema jedoch aktuell noch vernachlässigt bzw. das Potenzial nicht erkannt. Gerade in der BU-Versicherung kann die Unterstützung des Kunden während der Vertragslaufzeit für beide Seiten von Vorteil sein. Denn durch Prävention und frühzeitige Diagnose bzw. Behandlung können Leistungsfälle vermieden und durch Unterstützung nach einem Leistungsfall die Chancen einer Reintegration verbessert werden. Dies ist für Versicherer und Kunde eine „Win-win“-Situation.
Wie bewerten Sie die verschiedenen am Markt angebotenen Gesundheitsservices? Vieles nützlich, aber vieles auch überflüssig?
Wedekind: Grundsätzlich können Gesundheitsservices für den Kunden immer einen Mehrwert darstellen. Wichtig ist hierbei jedoch, dass Kunden über das Serviceangebot informiert sind, den Mehrwert erkennen und dieses Angebot auch nutzen. Aus unseren Gesprächen mit Versicherern wissen wir, dass grade Gesundheitsservices, die im Leistungsfall unterstützen, bei den Kunden nicht sehr gefragt sind. Die Kunden wollen im Leistungsfall primär die Versicherungsleistung erhalten. Daher muss man früher ansetzen und den Kunden die Vorteile der Angebote näher bringen.
Psychische Erkrankungen, Burn-out und Überlastung spielen heute eine immer größere Rolle im Berufsleben, speziell bei der „GenZ“. Wird das von den BU-Versicherern hinreichend berücksichtigt?
Wedekind: Ja, die Berufsunfähigkeitsversicherer sind sich des Themas durchaus bewusst. Hier hat sich in den letzten Jahren viel getan, um auch Kunden mit Vorerkrankungen einen Versicherungsschutz zu gewähren. So wird in der Risikoprüfung von vielen Versicherern bei einer psychischen Vorerkrankung nicht mehr generell eine Ablehnung ausgesprochen. Es wird vielmehr geprüft, welche Gründe vorliegen und wie wahrscheinlich eine erneute Erkrankung ist. Auch in der Leistungsprüfung wird versucht, Kunden zu unterstützen. So bieten einige Versicherer digitale Gesundheitsservices an, die die Zeit bis zum Beginn der Therapie überbrücken. Aber die Versicherer sind sich auch der daraus resultierenden Gefahr bewusst. Denn wenn noch mehr psychisch bedingte Leistungsfälle auftreten, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Versicherer reagieren müssen. Und dies kann dann so weit gehen, dass psychische Erkrankungen gar nicht oder nur gegen einen erheblichen Mehrbeitrag versichert sind.
Wie schätzen Sie Telematik-Tarife in der BU ein? Sind diese sinnvoll oder fragwürdig?
Wedekind: Tarife, die die Höhe der Prämienzahlung von gewissen Voraussetzungen abhängig machen, wie regelmäßiger körperlicher Bewegung oder die Durchführung von Vorsorgeuntersuchungen, sind nicht grundsätzlich als negativ anzusehen. Auch hier sind jedoch verschieden Aspekte zu berücksichtigen. Es muss für den Kunden transparent sein, durch welche Maßnahmen der Kunde welche Vergünstigungen erreichen kann. Zudem muss auch der Datenschutz berücksichtigt werden. Denn viele Kunden sehen es sicher nicht gerne, wenn ihrem Versicherer Daten zur Verfügung stehen, die im Leistungsfall zu ihrem Nachteil ausgelegt werden könnten. Sind diese Punkte gegeben, können solche Tarife für gewisse Zielgruppen interessant sein.
Die Fragen stellte Kim Brodtmann, Cash.