Auch falsche Angabe zum Beruf, etwa um einen günstigeren Beitrag zu ergattern, stellen eine Anzeigepflichtverletzung mit möglicherweise schwerwiegenden Folgen dar. Hierauf gibt es keinen Hinweis, obwohl dies den meisten Verbrauchern nicht bewusst ist. Lediglich auf die korrekte Beantwortung der Gesundheitsfragen wird hingewiesen.
Klauseln für Studenten / Auszubildende
Hierzu wird auf eine früheren Test verwiesen, der jedoch auf ein bedeutsames Problem nicht hinweist. Das Abstellen auf den mit der Ausbildung bzw. mit dem Studium angestrebten Beruf öffnet eine Grauzone für die Leistungsregulierung. Wie sollen Versicherte die Berufsunfähigkeit nachweisen, wenn eine Vielzahl an möglichen Berufsbildern beispielsweise mit einem Wirtschaftsstudium angestrebt werden können? Es fehlt der konkrete Anknüpfungspunkt für die Ermittlung des BU-Grads.
Leichtsinniger Rat für Selbständige
Bei Selbständigen würde die BU „oft erst anerkannt, wenn sie auch erwerbsunfähig sind“. Daher wird auf eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung (EU) verwiesen. Richtig ist demgegenüber, dass bei Selbständigen geprüft wird, ob der Betrieb umorganisiert werden kann. Dabei muss aber die Position als Selbständiger angemessen gewahrt bleiben. Der Betrieb ist hier der Maßstab und nicht der komplette Arbeitsmarkt.
Bedeutsam ist vielmehr, dass Selbständige nicht verwiesen werden können; ein Verweisungsverzicht hier also keine Vorteile bringt. Der passende Ratschlag für Selbständige ist daher eine günstigere BU-Versicherung mit abstrakter Verweisung. Hier scheint eine emotionale Komponente der Tester in der Bewertung der abstrakten Verweisung deutlich zu werden. Man rät eher zu einer EU als zu einer (sachlich richtigen und deutlich besseren) BU mit abstrakter Verweisung.
Falsch verstandene Infektionsklausel
Hierzu führen die Tester aus, dass diese Klausel greift, „wenn sie wegen berufsbedingter Infektion nicht arbeiten können“. Tatsächlich greift diese Klausel aber nur bei behördlich verhängten Tätigkeitsverboten aufgrund einer Infektion gemäß Infektionsschutzgesetz. Praktische Bedeutung hat dieser Sachverhalt gerade dann, wenn die Person sehr wohl noch arbeiten, den Erreger oder Viren aber verbreiten kann ohne selbst erkrankt zu sein. Auf berufsbedingte Infektionen stellen weder das Gesetz noch die Klauseln der Versicherer ab.
Nur wenige Kriterien geprüft
Neben den wenigen getesteten Kriterien, die zudem nicht immer hinreichend differenziert werden, gibt es eine Vielzahl weiterer wichtiger Sachverhalte in den Bedingungswerken, die bei einer qualitativen Prüfung berücksichtigt werden müssen, da der Versicherungsschutz gefährdet oder qualitativ schlechter als „Sehr Gut“ sein kann.
Zum Beispiel Regelungen zur Überbrückung von Zahlungsschwierigkeiten oder Elternzeit, Fixierung der Lebensstellung bei vorübergehenden Ausscheiden aus dem Berufsleben, Kosten bei geforderter Anreise aus dem Ausland bei Weltweitem Versicherungsschutz, Befristetes Anerkenntnis definiert als Ausnahmetatbestand oder Umorganisation für Angestellte mit Weisungs- und Direktionsrecht.
Die Stiftung hat hier noch das Glück, dass andere Analysten seit Jahren deutlich tiefer gehen und für Qualität sorgen. Somit bleiben dem Verbraucher trotz flachem Testdesign oftmals Überraschungen erspart. Dennoch hätte man bei tiefergehender Prüfung einige Tarife nicht mehr mit „Sehr Gut“ bewerten können.
Befristetes Anerkenntnis
Als beste Regelung wird hervorgehoben, wenn der Versicherer auf befristete Anerkenntnisse verzichtet. Dabei erfolgt kein Hinweis, dass ein solcher Verzicht den Kunden nicht vor befristeten Leistungen schützt. Der „Verzicht“ kann über eine individuelle Vereinbarung im Leistungsfall umgangen werden. Eine transparente und klar definierte Regelung für zeitliche Befristungen ist daher zu bevorzugen.
Fazit
Richtig ist, dass bereits ein BU – Markt mit einem großen Angebot an Top – Leistungen und niedrigen Beiträgen existiert – aber nur noch für wenige Verbraucher, die zudem diesen Schutz am wenigsten benötigen. Die Stiftung Warentest sollte sich daher nicht nur um die „Elite der noch Versicherbaren“, sondern stärker um die große Mehrheit der Nichtversicherten kümmern, statt weitere Anreize in die gegenteilige Richtung zu setzen.
Fraglich wird an einigen Beispielen das Selbstverständnis der Tester. Ein solcher Test sollte Verbrauchern das Lesen des Kleingedruckten eigentlich abnehmen. Keine Hilfe für den Leser ist es, wenn qualitativ nachteilige Regelungen, wie unübliche Ausschlüsse, nicht im Test bewertet, sondern in Fußnoten dargestellt werden. Da könnte man gleich auf das Selbststudium der Versicherungsbedingungen verweisen. Zudem werden in mehreren Fußnoten qualitativ sehr unterschiedliche Klauseln undifferenziert zusammengefasst.
Die Analyse des Tests zeigt, dass sowohl die fachliche Sorgfalt als auch die notwendige Tiefe der Untersuchung fehlt. Die Öffentlichkeitswirkung dieses Tests ist deutlich größer als das Testdesign rechtfertigt. Für einige der fachlichen Mängel beziehungsweise problematischen Ratschläge der Tester stünden Versicherungsmakler wahrscheinlich in der Haftung.
Foto: Stefan Neuenhausen, Stiftung Warentest