BU-Urteil des BGH: „Ob sich Telematik-Tarife am Markt durchsetzen, dürfte fraglich sein“

Björn Thorben M. Jöhnke
Foto: Jöhnke & Reichow
Björn Thorben M. Jöhnke

EXKLUSIV Im Streit um Regelungen eines BU-Tarifs, der bei gesundheitsbewusstem Verhalten Rabatte auf die Versicherungsprämie in Aussicht stellt, hat der BGH Versicherungsnehmern den Rücken gestärkt. Cash. befragte Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke, Kanzlei Jöhnke & Reichow, zu dem Urteil.

Wie bewerten Sie das BGH-Urteil?

Jöhnke: Das Urteil des BGH zugunsten des Bundes der Versicherten (BdV) gegen die Klauseln eines Tarifs der Generali-Tochter Dialog Lebensversicherungen (Az. IV ZR 437/22) ist zu begrüßen. In dem streitgegenständlichen Tarif „SBU-professional Vitality“ konnte der Versicherungsnehmer durch bestimmte gesundheitsfördernde Aktivitäten Punkte ansammeln, die ihn in einen bestimmten „Vitality Status“ einstuften. Die streitgegenständlichen Klauseln wurden wegen Intransparenz und unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers für unwirksam eingestuft. Unabhängig von der rechtlich nicht nachvollziehbaren Tatsache, dass der Versicherungsnehmer im Rahmen des Telematik-Tarifs bestimmte, während der Vertragslaufzeit gesammelte Daten an den Versicherer übermittelt, müssen nun mal die zu Grunde liegenden Klauseln dem Versicherungsnehmer hinreichend klar verdeutlichen, wann eine Vergünstigung der zu zahlenden Prämie eintritt und wann nicht. Dieses war vorliegend nicht der Fall, so dass die Entscheidung des BGH absolut nachvollziehbar ist und auch vorhersehbar war. Auch das Einschreiten des BdV gegen derartige Klauseln war an dieser Stelle äußerst begrüßenswert.


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Inwieweit könnte sich das Urteil künftig auf die Konzeption von BU-Tarifen auswirken?

Jöhnke: Zunächst soll das Urteil nur wenige Verträge der Dialog selbst betreffen. Dennoch ist zu insistieren, dass sich die rechtliche Umsetzung derartiger Telematik-Tarife schwierig für Versicherungen gestalten dürfte, wie das vorliegende Verfahren zeigt. Auch ist fraglich, ob sich Versicherte bei Berufsunfähigkeitsversicherungen nicht eher auf Tarife verlassen, die sich gerade nicht ändern (unabhängig von Dynamisierungen bzw. Garantieerhöhungen). Zweifelsohne wird diese Entscheidung von allen Berufsunfähigkeitsversicherungen bewertet werden. Ob sich so dann Telematik-Tarife am Markt durchsetzen bzw. überhaupt etablieren, dürfte fraglich sein. 

Wie schätzen Sie Telematik-Tarife grundsätzlich ein, unabhängig von der Versicherungssparte? Sind sie sinnvoll oder fragwürdig? 

Jöhnke: Das Verständnis für Telematik-Tarife dürfte dem Markt schwierig zu vermitteln sein. Zum einen geht es dabei auch um datenschutzrechtliche Aspekte, denn es werden im laufenden Vertragsverhältnis ständig Daten an den Versicherer übermittelt, aus welchen er ebenso Rückschlüsse auf das (Gesundheits-) Verhalten des Versicherten ziehen kann. Dieses kann sich auch in einem etwaigen Leistungsfall möglicherweise negativ für den Versicherten auswirken, da der Versicherer Kenntnis von einigen gesundheitlichen Parametern hat. Auch die inhaltliche Gestaltung der entsprechenden Klauseln ist an hohe rechtliche Hürden gebunden, was auch die Entscheidung des BGH zeigt. Versicherungen laufen dabei immer Gefahr, dass neu ausgestaltete Klauseln ständig einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden können. 

Die Fragen stellte Kim Brodtmann, Cash.

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