Bürgerversicherung: „Wir spielen um ein hohes Gut“

Kaum irgendwo sonst lasse sich das Gefühl von Ungerechtigkeit so hautnah erleben wie bei der Besserbehandlung der Besserverdienenden in den Arztpraxen, argumentieren Befürworter der Bürgerversicherung. Was halten Sie von diesem Argument?

Schumacher: In Deutschland haben alle Patienten Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung mit freier Arztwahl. Sie alle, egal ob in der GKV oder in der PKV versichert, profitieren vom medizinischen Fortschritt sowie von Innovationen im Gesundheitssystem – und das ist entscheidend. Für eine angebliche „Zwei-Klassen-Medizin“ wird immer wieder der Aspekt unterschiedlicher Wartezeiten herangezogen.

Dies ist umso erstaunlicher, wenn man sich folgende Aspekte näher anschaut: Erstens belegt Deutschland im europäischen Vergleich Platz eins, wenn es um kurze Wartezeiten bei Haus- und Fachärzten geht. Zweitens ist in den Ländern, die schon ein Einheits-Gesundheitssystem haben, eine Zwei-Klassen-Medizin bereits Alltag und auch die Wartezeiten sind dort deutlich länger als in Deutschland, weil sich über Zusatzversicherungen erst recht unterschiedliche Versorgungszugänge bilden.

Letzten Endes würde die Einführung einer Bürgerversicherung in Deutschland eine Zwei-Klassen-Medizin fördern: Nur wer sich Zusatzversicherungen letztlich auch leisten oder alternativ den Arzt direkt bezahlen kann, hätte dann noch Zugang zu einer Spitzenmedizin. Und genau das würde zu großen Unterschieden in der Gesundheitsversorgung führen.

Und dies obwohl aktuell die große Mehrheit der Bevölkerung eine positive Bilanz des Gesundheitssystems und der Gesundheitsversorgung in Deutschland zieht, so auch das Ergebnis einer aktuellen Studie des Allensbach Instituts. Das gilt übrigens für privat wie gesetzlich Versicherte gleichermaßen. 91 Prozent der privat Versicherten und 86 Prozent der gesetzlich Versicherten bewerten die Gesundheitsversorgung in Deutschland mit „gut“ oder „sehr gut“.

Stellen Sie sich auf die mögliche Einführung einer Bürgerversicherung ein?

Schumacher: Wir gehen nicht davon aus, dass es eine Bürgerversicherung geben wird. Vielmehr sind wir weiterhin von der Daseinsberechtigung der PKV fest überzeugt. Auch viele Kenner des dualen Systems bringen diese Haltung zum Ausdruck.

Selbstverständlich befassen wir uns dennoch mit den von den Parteien vorgelegten Konzepten bzw. Positionen zu einer Bürgerversicherung und deren möglichen Auswirkungen auf das Geschäftsmodell der PKV. Ich denke, dass dies im Sinne unserer Kunden und Mitarbeiter auch geboten ist.

Interview: Kim Brodtmann

Foto: Axa

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