Die Dynamik, welche sich hierin verbirgt, hat ihre Relevanz auch für die Zertifizierungen. Investoren stellen zunehmend die Frage, ob Zertifikate allein überhaupt ausreichend sind. Eine aktuelle Umfrage von IVG CS&Research unter europäischen Investoren zeigt, dass das Interesse an Gebäudezertifikaten nicht mehr signifikant hoch ist. Erste Sättigungstendenzen machen sich bemerkbar. Nur noch 44 Prozent der Befragten fordern die ausschließliche Zertifizierung der Objekte. Bereits zwölf Prozent verlangen dagegen künftig kein Zertifikat. Für weitere 44 Prozent ist der Punkt „Gebäudezertifikat“ nicht mehr allein ausschlaggebend – sie erwarten eine tiefgehende Analyse der Gebäude, in welche sie investieren und des bisherigen Gesamtportfolios. Das bedeutet: einen verbesserten Überblick über die Energiebilanz des Gebäudes beziehungsweise des Gesamtportfolios.
Unternehmensweite Energiebilanz
Die unternehmensweite Verbrauchsdatenerfassung rückt so in den engeren Fokus. Die Analyse des gesamten Energie- und Wasserverbrauchs sowie des Abfallaufkommens trägt dazu bei, einen detaillierten Überblick über das eigene Portfolio zu erhalten. Durch die Erfassung der aktuellen Werte ist auch eine Bilanzierung der CO2-Emissionen möglich. Neben einem umfassenden Portfolioscreening lohnt es sich auch, die Investment- und Fondsstrategie an bestimmten Nachhaltigkeitskriterien auszurichten. Wer konkrete Ziele in diesem Bereich verfolgt und erreicht, wird auch eine positive Performance nachweisen können.
Im Ergebnis zeigt sich, dass Zertifizierungen in Märkten mit hohem Leerstand einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil darstellen. Trotz aller Erfolge der Nachhaltigkeitsbemühungen im Neubausegment, stehen wir nunmehr vor einer gleichwohl größeren Herausforderung: dem Bestand. Und der hat es in sich, denn in die Jahre gekommene Objekte definieren sich bei den hohen technischen Standards in Deutschland letztlich nur durch das Gebäudealter selbst.
Insgesamt 70 Prozent des deutschen Bürobestands sind vor 1990 erbaut worden und bedürfen eines Refurbishments im Sinne der Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Heute existierten eben andere Standards und Sichtweisen. Doch was ist, wenn zehn, 20 oder 30 Jahre nach Erstellung der Gebäude Anforderungen gestellt werden, die man damals kaum technisch für möglich gehalten hat? Oder ökonomisch ausgedrückt: die „grüne Revolution“ findet in den gebildeten Rückstellungen nicht statt. Mit Schrecken sei an die Asbest-Welle Anfang der 90er-Jahre erinnert.
Bestand rückt in den Fokus
Die heutigen Nachhaltigkeitsanforderungen sind für die meisten deshalb die Blaupause des Handelns im Asset Management. Damit die teilweise divergierenden Zielvorgaben – Verringerung des Energiebedarfs, Erhöhung der Energieeffizienz, Verringerung der Betriebskosten und damit die Reduktion der CO2-Emissionen – sich zum Nutzen aller Prozessbeteiligten auflösen. Genau darin liegt der Mehrwert, den Gedanken und die Aktivitäten der Zertifizierungen weiterzutragen. Denn der monetäre Mehrwert einer Zertifizierung zeigt sich nicht im Kaufpreisaufschlag, sondern in einem Abschlag auf diejenigen Objekte ohne Nachhaltigkeitsstandard beziehungsweise Zertifizierung.
Chancen sind folglich zuhauf gegeben. Wir erwarten, dass sich die Nachhaltigkeitsaktivitäten gerade bei Büroimmobilien in den kommenden Jahren zu einem entscheidenden Investitionsfaktor entwickeln werden, zumal sich etliche namhafte Unternehmen verpflichtet haben, möglichst emissionsreduzierend zu investieren, das heißt explizit ausschließlich in zertifizierte Immobilien. Für risikoaverse Investoren bedeutet dies, dass insbesondere „grüne“ Büroimmobilien den Anforderungen einer langfristig erfolgreichen Kapitalanlage gerecht werden müssen.
Autor Dr. Thomas Beyerle leitet den Bereich Corporate Responsibility & Research im Managementteam der IVG Immobilien AG.
Vorteile nachhaltiger Gewerbeimmobilien
Nachhaltige Büroobjekte bieten neben der besseren Energiebilanz auch ökonomische Vorteile.
Verbesserte Gebäudeeigenschaften bei:
– Wassereffizienz
– Energieeffizienz
– Abfallreduzierung
– Gesteigertes Wohlbefinden
– Geringere Umwelteinflüsse
Ökonomische Vorteile:
– Geringere Betriebskosten
– Geringere Leerstandskosten
– Mietsteigerungspotenzial
– Image
Für Investoren wichtige Aspekte:
– Wertgenerierung und Wertsteigerung von Immobilien
– Wichtiges Entscheidungskriterium beim An- und Verkauf
– Höhere Beleihungswertvorschläge
– Geringere laufende Kosten
– Substanzerhalt durch vorausschauende und bereits in der Konzeption
berücksichtigte Folgeinvestition zum Werterhalt
– Ertragssicherung und -steigerung von Immobilien durch stabilen
Cashflow und Verringerung der Lebenszykluskosten
– Der Wert der NachhaltigkeitBessere Finanzierungskonditionen
Foto: Christian Daitche