Hintergrund ist die Frage, ob der Fiskus bei Rentnern zweimal „zulangt“. Diese Frage ließ der BdSt bereits gerichtlich klären, war in den konkreten Fällen aber nicht erfolgreich. Nach seiner Darstellung hat der Bundesfinanzhof (BFH) in dem Urteil jedoch bereits im Mai 2021 bestätigt, dass künftige Rentnerinnen und Rentner tatsächlich doppelt besteuert werden, wenn nicht gehandelt wird.
Der BFH hatte in dem Urteil demnach erstmals eine Rechenformel aufgestellt, wie eine Doppelbesteuerung konkret zu ermitteln sei (Az.: X R 20/19, X R 33/19). „Nach Ansicht der Richter kann es danach vor allem bei künftigen Rentnern zu einer zweifachen Belastung kommen. Deshalb fordert der BdSt mit Nachdruck: Eine Reform ist dringend notwendig!“, heißt es in der Mitteilung.
Auch wenn in den beiden konkreten Klagefällen (Rentenbeginn 2007 beziehungsweise 2009) keine Doppelbesteuerung festgestellt wurde, müsse die Politik handeln. Die dazu eingereichte Verfassungsbeschwerde (Az.: 2 BvR 1143/21) hat das Bundesverfassungsgericht zwar nicht angenommen und für unzulässig erachtet. Dennoch habe der Verband erreicht, dass der BFH für künftige Jahrgänge, die in Rente gehen, eine Doppelbesteuerung (offiziell „Zweifachbesteuerung“) feststellte.
Bisherige Rechenweise bereits 2021 gekippt?
Diese liegt laut BdSt vor, wenn die aus bereits versteuerten Einkommen gezahlten Versicherungsbeiträge höher waren als der steuerfreie Teil der Rentenzahlungen. Der BFH habe klargestellt, dass bestimmte Rechengrößen im Steuerrecht – etwa der Grundfreibetrag, der zur Absicherung des steuerfreien Existenzminimums dient – nicht zu Ungunsten der Senioren berücksichtigt werden dürfen.
„Wir fordern: Der Gesetzgeber muss endlich handeln!“, so der BdSt. Denn die bisherige Rechenweise der Finanzverwaltung, nach der diese zu keiner Doppelbesteuerung kommt, sei bereits 2021 gekippt worden. Zwar haben die BFH-Richter die Revisionen zurückgewiesen, weil sie in den betreffenden Fällen rechnerisch keine „Zweifachbesteuerung“ ermitteln konnten – und das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerden nicht angenommen. „In der Sache jedoch sind die beiden Entscheidungen wegweisend“, so der Steuerzahlerbund.
Parameter des BFH
Der BFH hat demnach einige Parameter genannt, wann vor allem eine strukturelle Doppelbesteuerung vorliegt. Dies ist nach Darstellung des BdSt bei Seniorinnen und Senioren der Fall, die
- erst kürzlich in Rente gegangen sind
- selbstständig tätig waren und damit keine steuerfreien Arbeitgeberanteile erhalten haben
- unverheiratet und männlich sind, weil ihre statistische Lebenserwartung dann kürzer ist
- einen unstetigen Rentenversicherungsverlauf haben
Dabei müssten prinzipiell mehrere der genannten Voraussetzungen vorliegen, aber nicht zwingend alle vier erfüllt sein. Es könnten zum Beispiel auch unverheiratete Frauen, die nach einer freiberuflichen Tätigkeit erst kürzlich in Rente gingen, doppelt belastet sein. Dies hänge stets von der individuellen Erwerbs- und Rentenbiografie ab. Ehemalige Arbeitnehmer seien nach der BFH-Rechenformel „momentan eher nicht betroffen“.
Erneute Klage angekündigt
Der BdSt setzt sich dafür ein, dass der steuerpflichtige Anteil der Rente, je nach Rentenbeginn, langsamer ansteigt. Zudem müssten auch laufende Rentensteigerungen vom persönlichen Steuerfreibetrag profitieren. Entsprechende Vorschläge habe er bereits dem Bundesfinanzministerium unterbreitet. Bislang habe das Ministerium noch keine konkrete Handlungsanweisung veröffentlicht.
Diejenigen, die nach der Rechenformel des Bundesfinanzhofs nicht von einer Doppelbesteuerung betroffen sind, dies aber bei sich vermuten, können Einspruch gegen ihren Bescheid erheben und sollten die mögliche Doppelbesteuerung darlegen. „Wir werden hierzu in Kürze Hinweise zur Berechnung anhand von Fallbeispielen veröffentlichen“, kündigt der BdSt an.
Außerdem gebe es bereits Fälle, in denen eine Doppelbesteuerung im Einspruchsverfahren rechnerisch nachgewiesen wurde. Dennoch weigere sich das Finanzamt, die Einkommensteuerbescheide zu ändern. „Das ist aus unserer Sicht nicht richtig. Deshalb unterstützen wir hier erneut die betroffenen Rentner und werden in einem neuen Verfahren klagen“, so die Ankündigung. Anders als in den ersten Verfahren liege hier ein Rentenbeginn 2017 vor.