Bund der Versicherten geht das Bafin-Merkblatt noch nicht weit genug

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Der Verein hat sich in die Konsultation der Bafin zu ihrem Entwurf des Merkblatts eingebracht und eine Stellungnahme zu den positiven und den ergänzungsbedürftigen Aspekten verfasst.

Der Entwurf eines "Merkblatts zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten" der Bafin wird in der Finanzbranche scharf kritisiert. Dem Bund der Versicherten geht das Merkblatt nicht weit genug.

Die Finanzaufsicht Bafin hatte vor kurzem bekannt gegeben, im provisionsgesteuerten Vertrieb von kapitalbildenden Lebensversicherungen bestimmte Verhaltensregeln zu etablieren. Diese Absicht soll in einem Merkblatt „zu wohlverhaltensrechtlichen Aspekten“ dokumentiert werden. Das sorgte in der Finanzbranche für scharfe Kritik.

Anders als Vertreter der Finanz- und Versicherungsbranche wie der AfW, Votum oder der GDV sieht der Verbraucherschutzverein BdV in dem Dokument dagegen viele positive Elemente – insbesondere die neuen Regelungen zur Bewertung des tatsächlichen Nutzens von Kapitallebensversicherungen für Verbraucherinnen und Verbraucher.

Der Verein hat sich in die Konsultation der Bafin zu ihrem Entwurf des Merkblatts eingebracht und eine Stellungnahme zu den positiven und den ergänzungsbedürftigen Aspekten verfasst. Der Bafin-Entwurf enthält präzisierte Regelungen zur Verhaltensaufsicht beruhend auf der EU-Vertriebsrichtlinie IDD. Der BdV sieht insbesondere folgende neue vielversprechende Regelungen für die Bewertung des „Kundennutzens“ einer Lebensversicherung:

  • notwendige Bestimmung des Zielmarktes in „ausreichender Detailtiefe“ für den Vertrieb;
  • Entwicklung der Stornoquote;
  • Überprüfung der Frontlastigkeit der Abschlussprovisionen und ihre Auswirkung auf die Renditeentwicklung insbesondere bei vorzeitiger Vertragsbeendigung;
  • Einschluss der Entwicklung der Inflation bei Bewertung des „realen Anlageerfolges“;
  • Nachweis von erhöhtem Kundennutzen bei unterschiedlichen Vergütungen desselben LV-Produktes einschließlich möglicher verstärkter Interessenkonflikte im Vertrieb;
  • Offenlegung von Rückvergütungen an Vertriebe bei Fondspolicen.

In seiner Stellungnahme moniert der BdV aber, dass der Entwurf noch viele Fragen aus Verbrauchersicht offenlässt. So wird beispielsweise die zu berücksichtigende Inflationsrate mit lediglich zwei Prozent jährlich angesetzt, was dem BdV auch längerfristig als zu niedrig erscheint. Auch Koppelpunkte (Zusatzversicherungen wie Berufsunfähigkeit) sollten aus Sicht des BdV erwähnt werden. Zudem soll weiterhin die Kennziffer der Effektivkosten für Renditeprognosen verwendet werden, die aber irreführend ist, solange die zugrunde liegenden Renditeannahmen nicht offengelegt werden.

Vor allem gebe der Entwurf keine Antworten darauf, wie diese „intensivierte Aufsicht“ konkret von der Bafin umgesetzt werden soll und was bei Verstößen gegen die „wohlverhaltensaufsichtlichen“ Anforderungen gegenüber den Lebensversicherern und den Vertrieben tatsächlich passieren soll. Sanktionsmöglichkeiten bis hin zu Produktinterventionen, d. h. Vertriebsverboten, sind gesetzlich vorhergesehen. „Ohne konkrete und für alle nachvollziehbare Schwellenwerte kann sich das Merkblatt auch schnell als Papiertiger entpuppen“, sagt Rehmke.

Der Verbraucherschutzverein erhofft sich im Ergebnis, dass die Regelungen zu einer deutlich „intensivierten“ Verhaltensaufsicht über Produktentwicklung, Markteinführung und laufenden Vertrieb von Lebensversicherungen führen werden. Das ist gesetzlich in dem sogenannten „Produktfreigabeverfahren“ (gemäß IDD) sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene angelegt.

Kritik von Votum-Verband

Der Vermittlerverband Votum kritisiert, dass das Merkblatt weitere unbestimmte Rechtsbegriffe schaffe und gebe den Versicherern vor, unklare Szenario-Berechnungen vorzunehmen, so der Verband in einer Pressemitteilung anlässlich der heute endenden Konsultationsfrist zum Entwurf. 

„Tatsächlich ist der vorliegende Entwurf eine Mogelpackung. Unter dem Vorwand, den Versicherungsgesellschaften Anleitungen für ihre Produktentwicklungsprozesse zu geben, werden nahezu ausschließlich Vorgaben und Eingriffe in die Gestaltung der Vertriebsvergütung formuliert. Diese Vorgaben gehen in wesentlichen Teilen auch noch über gesetzliche Rahmenbedingungen des Versicherungsaufsichtsrechts und des Versicherungsvertragsgesetzes hinaus“, kritisiert Vorstand Martin Klein.

Es handele sich bei dem Entwurf weniger um ein Merkblatt zu Vorgaben des Produktentwicklungsprozesses, sondern vielmehr um ein „Rundschreiben zur Gestaltung der Vertriebsvergütung durch Versicherungsunternehmen.“ „Wenn die Bafin dies tun möchte, dann soll sie das Kind auch beim Namen nennen. In diesem Fall muss sich die Bafin aber auch bewusst sein, dass man sich damit erneut gegen die Position der Bundesregierung wendet, die zu Beginn der Legislaturperiode deutlich gemacht hat, dass sie allgemeine Eingriffe in die Vertriebsvergütung ablehnt. Wir erwarten daher, dass sich das zuständige Finanzministerium intensiv mit der Konsultation befasst“, so Klein.

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