Bundesregierung bringt Pflegereform auf den Weg

Eine Krankenschwester beugt sich zu einer älteren Frau
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Nach langem Streit bringt die große Koalition noch eine Pflegereform mit einer besseren Bezahlung von Pflegekräften auf den Weg. Sozialverbände und gesetzliche Krankenkassen halten die Reform für unausgegorenes Stückwerk und Etikettenschwindel.

„Wir wollen die Pflege attraktiver machen, das ist eines der wichtigsten Anliegen dieser Bundesregierung“, sagte Spahn der „Augsburger Allgemeinen“. Deswegen solle das „Pflegepaket“ sicherstellen, dass künftig alle Pflegekräfte nach Tarif bezahlt werden, ohne dadurch Pflegebedürftige zu überlasten.

Versorgungsverträge: Pflicht zur Tarifbezahlung

Konkret zielen die Gesetzespläne darauf, dass Versorgungsverträge nur noch mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden dürfen, die nach Tarifverträgen oder in ähnlicher Höhe bezahlen – dem Entwurf zufolge ab 1. September 2022. Um Pflegebedürftige von steigenden Zuzahlungen aus eigener Tasche für die Pflege im Heim zu entlasten, sollen sie Zuschläge bekommen – voraussichtlich zum 1. Januar 2022. Die Zuschläge sollen höher ausfallen, je länger man im Heim ist.

Bundeszuschusss und höhere Beiträge

Zur Gegenfinanzierung soll der Bund ab 2022 einen Zuschuss von jährlich einer Milliarde Euro für die Pflegeversicherung geben. Zugleich soll der Zuschlag für Kinderlose beim Pflegebeitrag um 0,1 Punkte auf künftig 0,35 Prozentpunkte angehoben werden. Damit steigt der Beitrag für sie von 3,3 auf 3,4 Prozent des Bruttolohns.

Eine bessere Bezahlung dringend benötigter Pflegekräfte ist erklärtes Ziel der großen Koalition. In der Altenpflege mit rund 1,2 Millionen Beschäftigten bekommt laut Arbeitsministerium nur knapp die Hälfte Tariflohn. Ein Anlauf für einen Tarifvertrag, den Ressortchef Hubertus Heil (SPD) für die ganze Branche verbindlich machen wollte, war zu Jahresbeginn gescheitert.

Zugleich steigen selbst zu zahlende Anteile für Pflegebedürftige im Heim, sie lagen zuletzt bei 2.068 Euro pro Monat im Bundesschnitt. Enthalten ist zum einen der Eigenanteil für die reine Pflege. Denn die Pflegeversicherung trägt – anders als die Krankenversicherung – nur einen Teil der Kosten. Für Heimbewohner kommen aber noch Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen der Einrichtungen dazu.

Altenpflegekräfte verdienen in Deutschland deutlich weniger als Krankenpflegekräfte. Das zeigt die Statista-Grafik auf Basis von Daten der Bundesagentur für Arbeit. Das mittlere Bruttoentgelt vollzeitbeschäftigter Fachkräfte in der Krankenpflege liegt mit 3.539 Euro pro Monat rund 500 Euro über dem für Altenpflegefachkräfte. Entsprechendes zeigt sich auch bei Pflegehelfern: das mittlere monatliche Bruttoentgelt von Krankenpflegehelfern beträgt 2.675 Euro, das von Altenpflegehelfern 2.146 Euro (zum Vergleich alle Helfer: 2.334 Euro). Darüber hinaus gibt es laut Bundesagentur für Arbeit erhebliche regionale Entgeltunterschiede, zudem spiele die Art der Pflegeeinrichtung eine große Rolle bei der Höhe des Entgelts.

Der Sozialverband VdK kritisierte die Reformpläne. „Heimbewohnerinnen und Heimbewohner werden mehr Geld zahlen müssen. Es kann nicht sein, dass die Kosten für mehr Personal und notwendige Lohnsteigerungen nun vor allem an ihnen hängenbleiben“, sagte Präsidentin Verena Bentele den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der geplante Bundeszuschuss von einer Milliarde Euro reiche „nie und nimmer“.

Kritik von Sozialverbänden und Krankenkassen

Auch, Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, kritisierte den Kabinettsbeschluss zur Reform der Pflegeversicherung. „Die AOK-Gemeinschaft hat sich für eine umfassende Pflegestrukturreform stark gemacht. Was jetzt auf den letzten Metern der Legislaturperiode von der Koalition vorgelegt wird, ist dagegen unausgegoren, bleibt Stückwerk und zementiert die sektoralen Strukturen der Sozialen Pflegeversicherung. Zwar werden teilweise die richtigen Probleme und Ziele benannt – nämlich eine faire und tarifgebundene Bezahlung von Pflegekräften sowie die Begrenzung von privaten Eigenanteilen bei der Finanzierung von stationärer Pflege. Der vorgesehene Bundeszuschuss für die Pflegeversicherung fällt aber viel zu gering aus. Eine nachhaltige und sachgerechte Entlastung der Pflegeversicherung über Steuermittel, für die jährlich rund drei Milliarden Euro zur Finanzierung der Sozialversicherungsbeiträge von pflegenden Angehörige notwendig wären, sucht man vergeblich. Gleichzeitig wird die erforderliche und eigentlich schon eingeplante Dynamisierung aller Leistungen kassiert. Doch es kommt noch besser: Dieser Verzicht auf die Dynamisierung aller Leistungen der Pflegeversicherung wird als größter Finanzierungsbaustein im Finanztableau aufgeführt. Das ist nicht nur weit entfernt von einer echten Strukturreform, sondern grenzt an Etikettenschwindel.“

Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Die Pflegebedürftigen in Deutschland hätten eine deutlichere Entlastung verdient – es wäre Aufgabe des Bundesfinanzministers gewesen, einen entsprechenden Bundeszuschuss bereitzustellen.“

Der Arbeitgeberverband Pflege (AGVP) begrüßte, dass der ursprünglich angestrebte allgemeinverbindliche Tarifvertrag für die Altenpflege tot sei, wie Präsident Thomas Greiner dem „Handelsblatt“ sagte. Wer glaube, dass ein Steuerzuschuss für die Pflegeversicherung von einer Milliarde Euro reiche, „glaubt auch an den Weihnachtsmann oder die Weihnachtsfrau“. Der Chef der Krankenkasse DAK-Gesundheit, Andreas Storm, warnte vor einer völlig unzureichenden Finanzierung der Reform. „Für das Jahr 2022 zeichnet sich schon jetzt ein Defizit von zwei Milliarden Euro ab.“ In der Folge drohten Beitragssteigerungen. (dpa-AFX & dr/cash)

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