Das Bundesverfassungsgericht hat die Berechnungsgrundlage der für Kommunen wichtigen Grundsteuer auf den Prüfstand gestellt. In einer mündlichen Verhandlung hörten die Richter Argumente für und gegen das aktuelle Verfahren. Kippt das Gericht die bisherige Regelung, hätte dies weitreichende Konsequenzen.
Der Bundesfinanzhof kam bereits vor längerer Zeit zu der Überzeugung, dass die Einheitswerte für die mehr als 35 Millionen Grundstücke und Immobilien in Deutschland gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes verstoßen. Er legte diese Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor.
Der Ausgang der am Dienstag in Karlsruhe verhandelten fünf Verfahren hat große Bedeutung für Immobilienbesitzer, Mieter und Kommunen. Bis zu einer Entscheidung dauert es in der Regel mehrere Monate.
Die Grundsteuer trifft die Eigentümer und wird an Mieter weitergegeben. Insgesamt fließen fast 14 Milliarden Euro im Jahr in die Kassen von Städten und Gemeinden.
Richter könnten Einheitswerte kippen
Im Mittelpunkt der Verhandlung stand die Frage, ob die einmal festgestellten Einheitswerte – 1964 in den westlichen und 1935 in den neuen Bundesländern – heute noch eine gerechte Steuererhebung zulassen.
Vertreter der Bundesregierung und der Kläger äußerten gegensätzliche Überzeugungen. Die Bundesverfassungsrichter bohrten mehrfach nach, wie sich die mehr als ein halbes Jahrhundert alten Zahlen heute noch rechtfertigen lassen. Nach Angaben der Berliner Finanzstaatssekretärin Margaretha Sudhof (SPD) werden Immobilien bei gravierenden Veränderungen wie Sanierungen aber auch neu bewertet.
Der Einheitswert ist nur die Rechengrundlage für die Grundsteuer. Er wird mit zwei Faktoren multipliziert: Der Messzahl, die nach Art des Objekts und Größe der Kommune variiert und dem Hebesatz, den jede Stadt oder Gemeinde selbst festsetzt.
Bund und Länder fürchten Steuerausfälle
Vertreter von Bund und Ländern erklärten, dass eine Verfassungswidrigkeit der Einheitswerte zum totalen Ausfall der Grundsteuer führen könnte. Das wäre für Städte und Gemeinden nicht tragbar, weil sie mehr als zehn Prozent ihrer Steuereinnahmen ausmache.
Der Hamburger Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) warnte vor einer massiven Mehrbelastung für Mieter durch eine Reform. Eine Neufestlegung der Einheitswerte würde Millionen Mieter treffen, deren Immobilien in den vergangenen Jahren ohne eigenes Zutun eine erhebliche Wertsteigerung erfahren hätten, sagte er. Seiner Meinung nach sollte sich die Grundsteuer an den Boden- und Gebäudeflächen orientieren.
Der Deutsche Mieterbund fordert, die Grundsteuer künftig als Bodensteuer zu erheben. Das würde der Spekulation entgegenwirken. Die kommunalen Spitzenverbände unterstützen die Reformpläne der Bundesländer.
Reform der Grundsteuer würde mehrere Jahre dauern
Ein Reformvorschlag des Bundesrats war im vergangenen Jahr im Bundestag hängen geblieben. Alle Beteiligten streben an, das Gesamtsteueraufkommen nicht wesentlich zu verändern.
Der Vorsitzende des Ersten Senats, Ferdinand Kirchhof, wies zu Beginn der Verhandlung darauf hin, dass das Gericht, sollte es einen Verstoß gegen das Grundgesetz feststellen, entscheiden müsse, wie mit der Zeit bis zu einer Neuregelung und bereits erlassenen Steuerbescheiden umgegangen werden soll. Gesetzgebungsverfahren und Neubewertung der Grundstücke und Immobilien würde mehrere Jahre dauern. (dpa-AFX)
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