„Die Politik muss jetzt endlich handeln. Das betrifft die im Koalitionsvertrag vereinbarte Riester-Reform und die seit Jahren überfällige Entlastung der Kleinsparer.“ Darüber hinaus erzeuge der Brexit Handlungsbedarf bei der deutschen und europäischen Standortförderung, so Richter. Der BVI fordert zudem, den digitalen Wandel der Finanzwirtschaft gesetzgeberisch zu unterstützen.
Altersvorsorge in Deutschland ist sanierungsbedürftig
Aufgrund der negativen Zinsen hält der BVI bei der Altersvorsorge umfangreiche Anpassungen für dringend geboten. „Stellt man sich die Altersvorsorge in Deutschland als ein Haus mit drei Stockwerken vor, dann sind alle drei sanierungsbedürftig – gesetzliche Rentenversicherung, Zusatzversorgung durch die Betriebs- und Riester-Rente und die private kapitalgedeckte Altersvorsorge“, so Richter.
Problem in der ersten Säule: Das Umlagesystem der gesetzlichen Rentenversicherung ist zunehmend auf Steuerzuschüsse angewiesen. Deren Anteil an der Finanzierung der gesetzlichen Rente steigt nach Angaben des Bundesfinanzministeriums seit Jahren: von 73 Milliarden Euro im Jahr 2002 auf 102 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. 2023 sollen es laut Finanzplan des Bundes bereits 114 Milliarden Euro sein.
Um die gesetzliche Rente auf eine breitere Finanzierungsbasis zu stellen, plädiert der BVI dafür, die gesetzliche Rente durch eine kapitalmarktgedeckte Komponente zu ergänzen. Der aktuelle gesetzliche Rentenbeitrag von 18,6 Prozent würde entsprechend gesenkt, sodass die Beitragsbelastung gleichbliebe. „Ein Staatsfonds in der privaten Altersvorsorge wäre ein Irrweg. Eine staatlich organisierte, zusätzliche Kapitaldeckung als Ergänzung zur gesetzlichen Rente hingegen wäre sinnvoll“, so Richter.
Private Altersvorsorge und Vermögensbildung fördern
Da auch eine kapitalgedeckte Komponente in der ersten Säule nicht genügt, um die Rentenlücke der Bürger zu schließen, plädiert der BVI zusätzlich für eine Reform in der geförderten privaten Altersvorsorge (pAV). Die pAV muss grundlegend überarbeitet werden, umso mehr, als die im Koalitionsvertrag vereinbarte Reform der Riester-Rente in der laufenden Legislatur zu scheitern droht.
„Der Garantiezwang bei gleichzeitig negativen Zinsen kostet über 16 Millionen Riester-Sparer seit Jahren unnötig Rendite, aber der Bundesfinanzminister lässt sie im Stich, indem er die vereinbarte Reform verschleppt“, so Richter. Ohne flexible Garantien hält der BVI eine Reform der geförderten pAV für sinnlos.
Angesichts des seit Jahren stagnierenden Sparer-Pauschbetrags fordert der BVI zudem eine Entlastung von Kleinsparern. Dazu Richter: „Verbraucherpreisindex, Rentenwert, Grundfreibetrag und Beitragsbemessungsgrenzen steigen seit Jahren regelmäßig, während der Sparer-Pauschbetrag gesenkt wurde und heute noch auf dem Niveau von 2007 verharrt. Wenn die Politik die Sparer nicht länger vernachlässigen will, muss der Pauschbetrag erhöht und an die künftige Inflation und Lohnentwicklung gekoppelt werden.“
Der BVI schlägt eine Anhebung von 801 auf 1000 Euro für Alleinstehende vor (Paare 2000 Euro). Außerdem sollten Sparer nicht aufgebrauchte Pauschbeträge Jahr für Jahr mitnehmen und ansammeln können, um bei Realisierung der Kapitalanlage davon zu profitieren. Berechnungen des BVI zeigen, dass ein Sparer, der beispielsweise 15 Jahre lang monatlich 200 Euro in einen thesaurierenden Aktienfonds mit einer Rendite von 4 Prozent pro Jahr anlegt, dadurch 4,7 Prozent mehr Rendite als bisher erzielen würde.
Keinen deutschen Sonderweg bei nachhaltigen Anlagen
Beim Thema Nachhaltigkeit appelliert der BVI an die Bundesregierung, sich nachdrücklich für angemessene europäische und globale Nachhaltigkeitsregeln einzusetzen und keinen deutschen Sonderweg einzuschlagen. Über die maßgeblichen Vorgaben zu Nachhaltigkeit entscheiden die EU und internationale Gremien.
Die Bundesregierung sollte daher ihren Hebel nutzen, um die Regulierung in Brüssel mitzugestalten, statt sich von externen Beratungsgremien auf nationale Sonderwege führen zu lassen. Wichtige Regulierungsziele seien insbesondere, die Anforderungen an nachhaltige Produkte EU-weit zu harmonisieren und die bestehenden ESG-Datenlücken zu schließen, vor allem bei Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU.
Brexit als Korrektiv zu Überregulierung
Der Brexit verschärft den Wettbewerb der globalen Finanzzentren auch in der Finanzmarktregulierung. Der BVI bewertet dies grundsätzlich positiv, weil er ein Korrektiv zur Überregulierung in der EU sein kann. Einen Regulierungswettbewerb nach unten lehnt der BVI allerdings ab. Von der Bundesregierung wünscht sich der BVI eine höhere Wertschätzung der Finanzwirtschaft als wichtigen Standortfaktor für Deutschland und mehr Einsatz für einen Abbau der Überregulierung in der EU.
„Wenn Deutschland eine führende Rolle im europäischen und weltweiten Finanzmarkt spielen soll, muss die Regierung eine positivere Grundeinstellung zur Finanzwirtschaft entwickeln und die Weichen für mehr Wettbewerbsfähigkeit stellen“, so Richter.
Technologischen Fortschritt stärken
Um den Anschluss der Fondsanbieter an den digitalen Wandel und die technologische Wettbewerbsfähigkeit der Finanzwirtschaft zu gewährleisten, wirbt der BVI für eine nationale Blockchain-Initiative im Assetmanagement. Durch den Einsatz der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) könnten Transaktionen schnell, sicher und effizient abgewickelt werden. Ziel ist es, die Akteure aus Finanzwirtschaft, Politik und Aufsicht zusammenzubringen, um sich über die technische Architektur für den Handel mit digitalen Vermögenswerten zu verständigen. Wesentlicher Baustein ist die Einführung eines digitalen Euros als DLT-Zahlungsmittel.
„Dass elektronische Fondsanteile hierzulande gesetzlich zugelassen werden sollen, ist ein wichtiger Fortschritt“, erklärt Richter. Um Fondsanteile über die Blockchain handeln zu können, müssten nun im zweiten Schritt digitale Fondsanteile im Kapitalanlagegesetzbuch zugelassen werden. Außerdem setzt sich der BVI dafür ein, eine digitale Marktinfrastruktur nach EU-Recht zu ermöglichen und Fonds den Erwerb von Bitcoin oder tokenisierten Sachwerten zu erlauben.