Capgenimi: Nur wenige Lebensversicherer überzeugen beim Kundenerlebnis

Gig Economy Arbeiter
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Es hapert bei der Customer Journey: "Viele Versicherer ringen mit veralteten Technologien oder Modernisierungsvorhaben."

Jeder zweite Lebensversicherungskunde ist unzufrieden. Schaut man auf die Marktdurchdringung in der LV-Branche, hat die seit 2007 um rund 33 Prozent abgenommen. Nicht nur hierzulande haben die Lebensversicherer Mühe, die anspruchsvolleren Erwartungen der jüngeren Kundengeneration zu erfüllen, wie eine neue Studie zeigt.

Die digitale Transformation sorgt für Disruptionen. Wie groß die in der Lebensversicherungsbranche sind, zeigt eine neue Studie. Demnach hat das Gros der LV-Versicherer weltweit Schwierigkeiten, die veränderten und gestiegenen Kundenerwartungen zu erfüllen. Als Hauptgrund hat der World Life Insurance Report 2025 des Capgemini Research Institute hier vor allem die veralteten IT-Systeme vieler Gesellschaften ausgemacht.

Laut der Studie gebe es allerdings eine kleine Gruppe von Versicherern, die als „Best-in-Class“ hervorsteche. Und diese Firmen hatten in den vergangenen drei Jahren nicht nur eine um 38 Prozent höhere Weiterempfehlungsbereitschaft ihrer Kunden sondern auch eine um elf Prozent niedrigere Kostenquote und ein um sechs Prozenthöheres Umsatzwachstum.

„Lebensversicherungen müssen sich in einem zunehmend wettbewerbsintensiven Markt aufgrund neuer Anlage- und Absicherungsformen behaupten und aufpassen, nicht von einem MUSS zu einer Option unter vielen zu verblassen. Die Versicherer sollten sich auf die nächste Generation von Kunden konzentrieren, den Versicherten in den Mittelpunkt ihrer Strategien stellen und die eigenen Mehrwerte klar benennen“, mahnt denn Klaus Thummert, Senior Director im Bereich Insurance bei Capgemini Invent in Deutschland.


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„Viele Versicherer ringen mit veralteten Technologien oder Modernisierungsvorhaben, die ihre angestrebten Ziele verfehlen. Die Kunst bei der kundenzentrierten Transformation ist es, den Spagat zwischen Kunden- und Kostenorientierung zu meistern. KI wird dabei die Kernprozesse stützen, aber der menschliche Kontakt ist auch in Zukunft entscheidend für eine vertrauensvolle Kundenbeziehung“, so Thumert weiter.

„Viele Versicherer ringen mit veralteten Technologien oder Modernisierungsvorhaben, die ihre angestrebten Ziele verfehlen“

Klaus Thummert, Senior Director Insurance bei Capgemini Invent Deutschland

Angesichts der hohen Inflation, der wirtschaftlichen Unsicherheit und des schwindenden Interesses befänden sich die Lebensversicherer an einem kritischen Punkt. So habe die Branche zwischen 2007 und 2023 einen Rückgang der Marktdurchdringung in den reifen Märkten um 33 Prozent verzeichnet. Zudem sei jeder zweite Versicherungsnehmer unzufrieden. „Ein großer Teil dieser Unzufriedenheit zieht sich durch den gesamten Kundenprozess, insbesondere in den Bereichen Produktangebot, Vertragsabschluss, Service und Leistungsfälle sowie Abwicklungen“, schreibt Capgenimi.

Customer Journey: Herausforderungen in jeder Phase

So hat bereits vor Vertragsabschluss jeder dritte Privatkunde (35 Prozent) mit den komplexen Bedingungen zu kämpfen und ist unzufrieden mit dem langwierigen Antragsverfahren (27 Prozent). Nach dem Abschluss einer Police ist jeder vierte – ob Privat- und Gruppenversichert – frustriert über die langen Wartezeiten. Zudem werden Zugänge zu Self-Service-Optionen für Vertragsänderungen (23 Prozent) vermisst. Ein großer Kritikpunkt ist zudem die Leistungsabwicklung. Hier hapert es scheinbar an vielen Stellen, vor allem aufgrund mangelnder Digitalisierung: So gibt ein Drittel der Privatkunden gibt an, dass sie mit einem komplizierten Meldeverfahren konfrontiert sind (35 Prozent), 27 Prozent vermissen Empathie bei der Leistungsabwicklung.

„KI wird dabei die Kernprozesse stützen, aber der menschliche Kontakt ist auch in Zukunft entscheidend für eine vertrauensvolle Kundenbeziehung.“

Klaus Thumert, Capegenimi

Die Studie zeigt, dass vor allem jüngere Versicherungsnehmer zwischen 18 und 40 Jahren während ihres gesamten Versicherungsverlaufs mehr Frust empfinden als ältere Kunden zwischen 41 und 60 Jahren. Bemängelt werden etwa langsame und komplexe Abschlussprozesse sowie das Fehlen geeigneter Self-Services und Kommunikationsmöglichkeiten. Die neue Generation erwartet größere Flexibilität bei der Leistungsregulierung: 42 Prozent nennen einen unflexiblen Leistungsbezug als kritisches Problem, während es bei den älteren Kunden nur 26 Prozent sind.

„Trotz des Bestrebens, die Kundenbetreuung, den Service und die Leistungsregulierung neu zu gestalten, hätten es nur neun Prozent der Versicherer geschafft, relevante Services aus dem Ökosystem wie etwa Ärzte in ihre Prozesse zu integrieren“, ordnet Thummert die Ergebnisse ein.

Verbesserung der Kundenerfahrung: Es stockt bei den Meisten

Zwar erkennen die Versicherer die dringende Notwendigkeit, ihre Abläufe zu modernisieren, aber nur 41 Prozent haben ihre jüngsten Transformationsziele erreicht oder übertroffen. Frühere Transformationsinitiativen hätten die angestrebten Ergebnisse nicht erreicht, da die Versicherer mehrere Ziele priorisiert haben, schreibt Capgenimi. Anders ausgedrückt: Viele Versicherer haben sich in den weiten der digitalen Transformation verzettelt. Hinzu kommt, dass die Herausforderungen durch unerwartete Integrationskomplexität (50 Prozent), mangelnde Abstimmung mit den Geschäftszielen (42 Prozent) und unzureichend qualifizierte Ressourcen (42 Prozent) zusätzlich erschwert wurden.

Nur fünf Prozent überzeugen

Trotz dieses Gegenwinds findet die Studie eine Elite von fünf Prozent, die ein hervorragendes Kundenerlebnis bieten. Diese so genannten „Best-in-Class-Versicherer“ nutzen die neuesten Technologien, wie generative KI, um starke Onboarding-, Self-Service- und Leistungsfunktionen anzubieten.

Die Klassenbesten heben sich in diesen Punkten klar von ihren Konkurrenten ab: So haben 78 Prozent der besten Versicherer das Underwriting automatisiert, im Vergleich zu 15 Prozent der übrigen Versicherer. 78 Prozent bieten den Versicherungsnehmern Self-Service Portale an, im Vergleich zu nur 13 Prozent der übrigen Versicherer. Und 56 Prozent bieten ein nahtloses und intelligentes Leistungserlebnis durch KI-Unterstützung für Sprache und Stimmungsanalyse, gegenüber nur drei Prozent der übrigen Versicherer

Generative KI kann ein Katalysator sein

Während das transformative Potenzial der generativen KI für die Lebensversicherungsbranche unbestreitbar ist, kommt ein dringender Fachkräftemangel ans Licht: Heute sind 67 Prozent der besten Versicherer technisch bereit, die Fähigkeiten der generativen KI in ihrem Betrieb zu nutzen und zu maximieren, während die Offenheit bei den übrigen Versicherern für KI auf 25 Prozent sinkt.

Generative KI kann, mit menschlicher Intelligenz kombiniert, das Kundenerlebnis revolutionieren und gleichzeitig die betriebliche Effizienz steigern. 34 Prozent der Führungskräfte haben jedoch Schwierigkeiten, entsprechende Fachkräfte zu finden. Kritisch seien die Lücke bei Verhaltenswissenschaftlern, Experience Designern und AI Prompt Engineers, so Capgenimi.

Der Studie zufolge wird der Erfolg nicht nur von der Implementierung der Technologie abhängen, sondern auch von der Fähigkeit der Versicherer, die richtigen Talente anzuwerben und zu halten. Versicherer, die modernste Technologie mit qualifizierten Fachkräften effektiv kombinieren, werden gut aufgestellt sein, um die Branche in eine neue Ära der Innovation und Kundenorientierung zu führen, so das Fazit. Die vollständige Studie finden Sie hier.

Studienhintergrund

Der World Life Insurance Report 2025 basiert auf zwei primären Quellen: der Global Voice of the Customer-Umfrage und der Global Insurance Executive-Umfrage, beide im Mai und Juni 2024 durchgeführt. Die Primärforschung umfasst Daten aus 20 Märkten: Australien, Belgien, Brasilien, Kanada, Finnland, Frankreich, Deutschland, Hongkong, Indien, Italien, Japan, Mexiko, Niederlande, Norwegen, Portugal, Singapur, Spanien, Schweden, Vereinigtes Königreich und USA.

Befragt wurden 6.186 Lebensversicherungskunden in 18 Ländern, repräsentativ für Nord- und Südamerika (USA, Mexiko, Kanada, Brasilien), Europa (Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Portugal, Spanien, Schweden, UK) und Asien-Pazifik (Australien, Hongkong, Indien, Japan, Singapur). Der Bericht enthält auch Erkenntnisse aus Interviews mit 213 Führungskräften von Lebensversicherungsunternehmen in 16 Märkten weltweit.

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