Die japanische Regierung hat entschieden, die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer aufzuschieben. Jean Medecin, Mitglied des Investmentkomitees bei der französischen Fondsgesellschaft Carmignac, kommentiert die Entscheidung mit Blick auf die Märkte.
Die Entscheidung von Shinzo Abe, die geplante Anhebung der japanischen Mehrwertsteuer von derzeit acht auf zehn Prozent bis Oktober 2019 aufzuschieben, ist ein weiteres Indiz dafür, dass das Gesetz des abnehmenden Ertragszuwachs verstärkt auch auf die unkonventionelle Geldmarktpolitik zutrifft. Trotz der beispiellosen Maßnahmen der Bank of Japan ist der japanische Verbraucherpreisindex (VPI) kürzlich erneut in negatives Terrain abgerutscht. Gleichzeitig stagniert die Inflation der Verbraucherpreise – außer Lebensmittel und Energie –, in Japan gegenüber dem Vorjahr mit lediglich rund 0,7 Prozent. Parallel dazu hat der Yen zuletzt weiter aufgewertet, obwohl im Januar dieses Jahres negative Zinsen eingeführt worden waren.
Japans Exporte zweistellig im Minus
Unter den „Abenomics“ versteht man die Kombination dreier „Pfeile“ im Kampf gegen die Deflation: Geldmarktpolitik, Fiskalpolitik und Strukturreformen. Deshalb überrascht es nicht, dass man zu weiteren haushaltspolitischen Instrumenten greift, wenn der Spielraum für monetäre Unterstützungsmaßnahmen lediglich begrenzt ist. Wegen des Konjunkturabschwungs in China – einem der wichtigsten Exportmärkte Japans – haben die japanischen Exporte seit Jahresbeginn ein zweistelliges Minus erlitten. Deshalb war es entscheidend, einen Einbruch der Binnennachfrage zu verhindern. Schließlich haben die Erfahrungen nach der Mehrwertsteuererhöhung aus dem Jahr 2014 gezeigt, wie sensitiv die japanischen Konsumenten nach wie vor auf Anhebungen der Verbrauchssteuer reagieren.
Herausforderungen für Japan sind gewaltig
Zwar sollte die aktuelle Verschiebung der Mehrwertsteuererhöhung der konjunkturellen Entwicklung in Japan eine gewisse Atempause verschaffen. Doch die Herausforderungen vor denen dieses Land steht, sind immer noch gewaltig. Angesichts eines beträchtlichen Haushaltsdefizits, das 2015 trotz der Mehrwertsteuererhöhung von 2014 nach wie vor 6,7 Prozent des BIP betrug, leidet Japan zurzeit unter einer sogenannten fiskalischen Dominanz, durch welche der Handlungsspielraum der BoJ noch zusätzlich eingeschränkt wird. Aus diesem Grund hätte das Mehr an Zeit, das man durch die Verschiebung der Mehrwertsteueranhebung gewonnen hat, auch nur dann einen positiven Effekt, wenn man es für die Umsetzung von Strukturreformen nutzt, bevor der Geldmarktpolitik endgültig die Puste ausgeht.“
Foto: Carmignac