„2022 war kein einfaches Jahr für Aktienanleger. Wir haben einen deutlichen Rückgang der Bewertungen der wichtigsten Indizes erlebt, der durch einige spekulative Wachstumssegmente noch verstärkt wurde, aber wir sollten uns nicht vormachen, dass jetzt alle Aktien günstig sind.
Trotz der robusten Fundamentaldaten im Jahr 2022 erwarten wir, dass die Gewinne vieler Unternehmen im Jahr 2023 schwächer werden, da die Margen durch strengere finanzielle Bedingungen, höhere Produktionskosten und geringere Nachfrage unter Druck geraten. Unsere zentralen Themen für diese Berichtssaison lauten daher:
1. Q4 2022 dürfte das erste negative Wachstumsquartal seit Q3 2020 sein
Die Erwartungen für das letzte Quartal des Jahres 2022 für den S&P500 sind in den letzten Monaten bereits um mehr als 10 Prozent zurückgegangen, sodass nun Potenzial für Gewinnsteigerungen vorhanden ist. Aber das lenkt von dem ab, was zählt und das sind die zukunftsgerichteten Kommentare.
2. Die Schätzungen für 2023 sind nicht ausreichend gesenkt worden
Angesichts der schwierigen makroökonomischen Aussichten für das neue Jahr sehen die Gewinnschätzungen für die USA mit einem Wachstum von 4 Prozent immer noch optimistisch aus. Unseres Erachtens ist die Wahrscheinlichkeit einer Rezession nach wie vor hoch und das Narrativ der weichen Landung scheint ein „Geschäft der Hoffnung“ zu sein.
Wir halten es für wahrscheinlich, dass die Gewinne in diesem Jahr negativ sein werden, wenn auch nicht so negativ, wie man es in einer klassischen Rezession erwarten würde. Unserer Ansicht nach wird diese Ertragsschwäche durch den Druck auf die Gewinnspannen bedingt.
3. Margenaussicht und Kostenkontrolle sind entscheidend
In den letzten 12 Monaten trug die Inflation positiv zur Rentabilität der Unternehmen bei. Dank einer starken Preissetzungsmacht und widerstandsfähiger Verbraucher konnten die steigenden Inputkosten an die Kunden weitergegeben werden. Da jedoch die Preiselastizität einsetzt und sich die Aussichten eintrüben, wird die Nachfrage schwächer werden. Damit dürfte die Preissetzungsmacht schwinden, so dass die Unternehmen zwischen den weiter steigenden Arbeitskosten und sinkenden Erzeugerpreisen oder nachlassender Nachfrage in die Zange genommen werden.
Unserer Ansicht nach werden nur Aktien mit gesunden Gewinnmargen und relativ geringer Verschuldung den potenziell negativen Auswirkungen der Kosten-Preis-Schere standhalten können. Wir bevorzugen eine Diversifizierung, die ein Gleichgewicht zwischen weniger teuren Sektoren mit niedrigem Beta und gezielten Wachstumswerten schafft, die von einer Stabilisierung der Zinssätze profitieren dürften.
In geografischer Hinsicht sollten sich die Anleger unserer Meinung nach auf den ‚Osten‘ im Vergleich zum ‚Westen‘ konzentrieren, also auf China und in geringerem Maße auf Japan. Beide Länder befinden sich in einem tiefgreifenden Wandel: das eine mit der Wiedereröffnung seiner Wirtschaft, das andere mit der Umkehrung seiner Geldpolitik. Innerhalb des ‚Westens‘ sehen wir den US-Markt aufgrund der höheren relativen Bewertung und des größeren Risikos für die zukünftigen Erträge als weniger attraktiv an. Europa hingegen ist eher ein Value-Markt und die Beseitigung des Energieüberhangs begrenzt das Abwärtsrisiko für die Gewinnziele.“