Sieben Experten und eine Expertin treffen sich Anfang November im Side Hotel in Hamburg, um (fast) den ganzen Tag über Märkte und Produkte sowie die Situation im Vertrieb von Sachwertanlagen zu diskutieren. RWB-Geschäftsführer Nico Auel muss seine Präsenz krankheitsbedingt absagen; er wird aber im Nachgang um seine Antworten zu den verschiedenen Themen gebeten und in der Berichterstattung in diesem Cash. EXTRA berücksichtigt.
Der 13. Cash. Branchengipfel besteht somit aus Vertretern von neun Unternehmen aus den Assetklassen Immobilien Deutschland (Wohnungen und Gewerbe), Erneuerbare Energie, Private Equity und Immobilienfonds-Zweitmarkt, also aus den wesentlichen Branchen, die derzeit den Markt der Sachwertanlagen ausmachen:
- Nico Auel, Geschäftsführer, RWB Partners GmbH: Private Equity (Dachfonds)
- Jörg Busboom, Geschäftsführer, Ökorenta: Erneuerbare Energie
- Gordon Grundler, Vorstand, Primus Valor AG: Bestands-Wohnimmobilien
- Lars Harbig, Sales Director, HTB Hanseatische Fondshaus GmbH: Immobilienfonds, Zweitmarkt
- Alexander Klein, Geschäftsführer, Verifort Capital Distribution GmbH: Immobilienfonds (Healthcare, Gewerbeobjekte)
- Sven Mückenheim, Geschäftsführer Vertrieb, Dr. Peters Group: Immobilien (aktuell Nahversorgung und Hotels)
- Sandro Pawils, Geschäftsführer Vertrieb/CSO, Carestone Group GmbH: Pflegeimmobilien (real geteilt)
- Sabine Spohr, Director Retail Funding, Hep global: Erneuerbare Energie (Solar)
- Malte Thies, Geschäftsführer, One Group GmbH: Immobilien (Schwerpunkt Finanzierung von Projektentwicklungen)
So unterschiedlich die einzelnen Marktsegmente und die jeweiligen Gegebenheiten im Detail, so einheitlich die generellen Rahmenbedingungen. Das beherrschende übergeordnete Thema, nicht nur auf dem Branchengipfel, sind weiterhin die Zinsen, die seit Anfang 2022 so steil und schnell gestiegen sind wie noch nie.
Sie ändern alles: Die Kosten der Fremdfinanzierung, die Renditeansprüche potenzieller Käufer und die Fähigkeit von Privatkunden, die Finanzierung einer Immobilie zu stemmen. So sind die Assetpreise mächtig unter Druck geraten und in vielen Segmenten des Immobilienmarkts – aber auch in anderen Bereichen – inzwischen signifikant gesunken.
Die Zeit des ultra-billigen Geldes ist vorbei. Die Veränderung war so rasant, dass Transaktionen zunächst weitgehend zum Erliegen gekommen sind. Zu groß war vielfach auf einen Schlag die Diskrepanz zwischen den Preisforderungen der Verkäufer und den Vorstellungen oder den Möglichkeiten der Kaufinteressenten. Märkte und Preise müssen ein neues Gleichgewicht finden. Das war schon Thema beim letztjährigen Branchengipfel, doch das neue Gleichgewicht ist vielfach noch immer nicht erreicht, auch wenn es näher rückt.
Preiskorrektur in beachtlicher Größenordnung
Inzwischen hat eine Preiskorrektur in beachtlicher Größenordnung stattgefunden, am augenfälligsten, weil am öffentlichsten, bei Immobilien. Nun kommt der Transaktionsmarkt ganz langsam wieder in Bewegung, doch noch immer kommen mit Immobilien, so berichten die Branchengipfel-Teilnehmer, nur sehr wenige Transaktionen zustande. Wer nicht verkaufen muss, verkauft weiterhin nicht oder jedenfalls nur selten. Wer kaufen will, weiß oder ahnt also, dass sein Gegenüber unter Druck steht und pokert weiter. Denn sonst würde der ja nicht verkaufen. So geht der Abwärtssog weiter.
Für diejenigen, die derzeit für ihre aktuellen oder zukünftigen Fonds auf der Suche nach Objekten sind, ist das eine durchaus angenehme Situation. Sie können viel günstiger einkaufen als noch vor ein oder zwei Jahren. So sind die Kaufpreisfaktoren, also das Verhältnis zwischen Jahresmiete und Kaufpreis, bei den verschiedenen Immobilientypen – soweit zu hören und zu lesen ist – in unterschiedlicher Höhe, aber durchweg um mehrere Jahresmieten gefallen.
Ankaufs-Objektrenditen gestiegen
Ein Teil des Preisrückgangs wird durch mögliche Mieterhöhungen ausgeglichen, die bei Wohnungen wegen der weiterhin bestehenden und sich noch verschärfenden Wohnungsknappheit besonders ausgeprägt sind, beziehungsweise sein werden. Auch bei gewerblichen Objekten fängt die hohe Inflation über die üblicherweise indexierten Mietverträge einen Teil der Preiskorrektur auf. Vielfach wird es aber wohl noch etwas dauern, bis die Objekte durch die Multiplikation der höheren Miete mit dem gesunkenen Kaufpreisfaktor wieder in den Wert von vor zwei Jahren hineinwachsen.
Mit den geringeren Faktoren sind die Ankaufs-Objektrenditen, also das umgekehrte Verhältnis, entsprechend gestiegen. Allerdings ist heute der Fremdkapitalhebel deutlich geringer als noch vor eineinhalb Jahren oder er fällt ganz weg. Wenn die Kreditzinsen nur unwesentlich unter der Objektrendite liegen, lässt sich durch Fremdkapital die Rendite auf das Eigenkapital nur entsprechend geringfügig erhöhen. Dennoch ist davon auszugehen, dass die Fonds künftig wieder ein etwas höheres Renditeniveau bieten können als zuletzt.
Das ist auch notwendig, denn mit einiger Verzögerung geben die Banken die höheren Zinsen seit Frühjahr 2023 auch in Form von Guthabenzinsen an die Kunden weiter. Statt als „Verwahrentgelte“ getarnte Negativzinsen zahlen zu müssen, gibt es nun auf Festgeld wieder positive Zinsen bis um die vier Prozent pro Jahr. Auch wenn es sich dabei vielfach nur um nicht dauerhafte Lockangebote handelt und längerfristig vielleicht nur zwei oder drei Prozent gezahlt werden, muss für die Sachwertanlagen wieder ein adäquater Renditeabstand zum Guthabenzins hergestellt werden.
Die negativen Schlagzeilen dominieren noch
Teilweise könnte es dafür allerdings auch notwendig sein, dass die Preise noch etwas nachgeben. Ob das wirklich geschieht, wird sich herausstellen. So weiß heute niemand, wann eine Bodenbildung erreicht wird – oder ob sie nicht vielleicht bereits da ist. Auch wenn dies stets erst in der Rückschau verlässlich zu beurteilen ist, könnte die aktuelle Phase ideal für antizyklische Investments sein.
In der öffentlichen Wahrnehmung dominieren noch die negativen Schlagzeilen über die Entwicklung am Immobilienmarkt, vor allem in Bezug auf die Genehmigungen und Fertigstellungen von Wohnungen, aber auch zur Preisentwicklung. Das hat auch damit zu tun, dass immer und immer wieder der – durchweg alarmierende – Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum in den Vordergrund gestellt wird und weniger die aktuellen Veränderungen. Schlechte Nachrichten verkaufen sich halt besser, dieses Prinzip gilt vielfach nach wie vor.
So überschrieb etwa die Nachrichtenagentur dpa-AFX am 22. September eine Meldung über die Immobilienpreise, die viele Medien übernommen haben, mit „Stärkster Preisrückgang bei Wohnimmobilien in einem Jahr seit 2000“. Demnach sind die Preise nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im zweiten Quartal 2023 um 9,9 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gefallen – das stärkste Minus seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2000.
Preise und Baugenehmigungen stabilisiert
Das ist ohne Frage ein ordentlicher Schluck aus der Pulle. Doch ein anderer Punkt in der dpa-AFX-Meldung war weit weniger alarmierend, aber vielleicht wichtiger: Gegenüber dem ersten Quartal fiel der Preisrückgang mit 1,5 Prozent erneut geringer aus als in den beiden Vorquartalen. Damals hatten sich Wohnimmobilien jeweils zum Vorquartal um 2,9 beziehungsweise 5,1 Prozent verbilligt. Wenn sich der Trend fortgesetzt hat, wurde der Tiefpunkt möglichweise bereits im dritten oder vierten Quartal 2023 erreicht.
Eine weitere dpa-AFX-Überschrift ging am 17. November durchs Land: „Wieder weniger neue Wohnungen genehmigt – Tiefststand seit 2013“. Unter Berufung auf Zahlen des statistischen Bundesamts berichtete die Nachrichtenagentur, dass die deutschen Bauverwaltungen im September so wenige neue Wohnungen genehmigt haben wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Mit 19.300 lag die Zahl 29,7 Prozent unter September 2022. Das ist ohne Zweifel ein gewaltiger Einbruch, war aber nicht wirklich etwas Neues – ebenso wenig wie der immer wiederkehrende Hinweis, dass das Ziel der Bundesregierung von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr in weiter Ferne ist.
Was aus der Meldung jedoch nicht hervorging: Im August 2023 waren nach den damaligen Zahlen des Statistischen Bundesamts ebenfalls 19.300 Wohnungen genehmigt worden. Das Minus gegenüber August 2022 hatte sogar bei 31,6 Prozent gelegen. Die Zahl der Baugenehmigungen ist im September gegenüber dem Vormonat also nicht weiter zurückgegangen, sondern hat sich auf niedrigem Niveau stabilisiert und der Rückgang gegenüber dem jeweiligen Vorjahresmonat hat sich sogar verringert. Ob der Abwärtstrend der Genehmigungen damit vielleicht schon zum Halten gekommen ist, werden die nächsten Monate zeigen. Doch diese Vermutung lässt sich jedenfalls eher aus den Zahlen ablesen als ein weiterer Absturz.
Wieder mehr Bauaufträge im Hochbau
Für eine Stabilisierung im Neubau spricht auch die Auftragslage der Bauunternehmen, wobei hier wiederum der kurzfristige Vergleich vielleicht auf die falsche Fährte führt. „Weniger Aufträge im Baugewerbe im September als im Vormonat“ meldete dpa-AFX am 24. November, wiederum nachdem das Statistische Bundesamt entsprechende Zahlen veröffentlicht hatte. Bereinigt um Preiseffekte ist demnach der Wert der Aufträge im deutschen Bauhauptgewerbe im September gegenüber August um 7,3 Prozent gesunken. Der Abwärtstrend scheint also anzuhalten.
Der Rückgang resultierte jedoch aus dem Tiefbau, also Straßen, Kanalisation und ähnliches. Hier war der Auftragseingang im August aufgrund einiger Großaufträge zudem besonders hoch ausgefallen und auch deshalb der Rückgang im Folgemonat mit 18,8 Prozent besonders groß. Der Hochbau, also hauptsächlich neue Gebäude einschließlich Wohnungsbau, verbuchte im September hingegen einen Zuwachs neuer Aufträge von 7,9 Prozent gegenüber dem Vormonat.
In diesem Fall fällt sogar auch der Vorjahresvergleich positiv aus: Gegenüber September 2022 stieg der Wert der Bestellungen im Bauhauptgewerbe insgesamt preisbereinigt um 13,2 Prozent. Dabei nahm der Auftragseingang im Hochbau um 12,6 Prozent und im Tiefbau um 13,8 Prozent zu. Das ist ein durchaus beachtlicher Anstieg.