Causa Ökoworld: Ist das Bezahlen fremder Geldstrafen legal?

Foto: Picture Alliance
Die Aktivisten der Gruppe "Letzte Generation" bei einer Blockade-Aktion in Berlin

Ökoworld hatte angekündigt, Geldstrafen für Klima-Aktivisten nach der Zahlung zu übernehmen. Die Zusage nahm das Unternehmen zurück – mit der Begründung öffentlicher Anfeindungen. Ist das der einzige Grund oder könnte auch die Sorge vor strafrechtlicher Relevanz dazu geführt haben? Gastbeitrag von Rechtsanwalt Uwe Lenhart

Nach Paragraf 258 Absatz 1, 2 Strafgesetzbuch (StGB) wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, dass ein anderer wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft wird. Ebenso wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe ganz oder zum Teil vereitelt.

Tathandlung der Vollstreckungsvereitelung ist, dass der Täter die Vollstreckung durch Tun oder Unterlassen ganz oder zum Teil vereitelt. Darunter ist auch die Besserstellung des Verurteilten hinsichtlich des Ob und Wann der Vollstreckung zu verstehen; eine nicht unerhebliche Verzögerung genügt. So ist teilweises Vereiteln auch das Verschaffen eines Scheinarbeitsverhältnisses für einen Freigänger. Die Bezahlung einer Geldstrafe ist nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 07.11.1990, 2 StR 439/90) keine Vollstreckungsvereitelung. Diese begehe nur, wer durch Störung der äußeren Abläufe (Übernahme oder Überstellung des Verurteilten in den Vollzug, Beitreibung von Geldstrafen) bewirke, dass eine gegen einen anderen verhängte Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil nicht verwirklicht werden könne.

Wer hingegen dafür sorge, dass die Strafe bezahlt werde, auch wenn es dabei nicht zu einer Beeinträchtigung (Vermögensminderung) des Verurteilten komme, greife nicht in den äußeren Vollstreckungsvorgang ein. Gemessen an den mit der Bestrafung verfolgten Zwecken mache es auch keinen Unterschied, ob ein Dritter eine Geldstrafe sogleich bezahle, sie dem Verurteilten später erstatte oder ob er ein Darlehen gewähre, dessen Rückzahlung er erlasse. Eine Interpretation, die das eine erlauben und das andere verbieten wolle, laufe auf eine „Privilegierung von Komödien“ hinaus. Sie treffe nur den ungeschickten Täter, der es unterlasse oder nicht verstehe, seine Zuwendung an den Verurteilten so zu etikettieren, dass sie nicht als tatbestandsmäßige Handlung erscheine, obwohl sie der Sache nach Abwendung der unmittelbar fühlbaren Auswirkungen des Strafübels vom Verurteilten sei.

Uwe Lenhart (Foto: Lenhart Leichthammer)

Wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat veranlasst hat, wird als Anstifter, hier zur Nötigung von Verkehrsteilnehmern, gemäß Paragraf 26 StGB genauso wie der eigentliche Täter bestraft. Anstiftung ist das vorsätzliche Bestimmen einer anderen Person zur Begehung einer konkret bestimmten vorsätzlichen rechtswidrigen Tat. Zwar ist Anstiftung auch noch möglich, wenn der Haupttäter schon allgemein zu gleichartigen Taten entschlossen ist, vorliegend stellt aber der Aufruf unter der Überschrift „Kleben fürs Klima ohne Strafe!“ in einer Tageszeitungsanzeige keine konkret bestimmte Tat da. Anders könnte es zu beurteilen sein, wenn es in etwa hieße, Geldstrafen aufgrund einer geplanten Blockade am kommenden Freitagmorgen in Berlin auf dem Hohenzollerndamm übernehmen zu werden.

Auch kann man daran denken, dass sich Verantwortliche einer Aktiengesellschaft, die Zahlung von Geldstrafen an Außenstehende veranlassen, strafbar machen; und zwar der Untreue zum Nachteil der Aktionäre. Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird nach Paragraf 266 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Fraglich ist, ob eine derartige Unterstützung von Klima-Aktivisten nicht vom Unternehmensgegenstand gedeckt ist. Schließlich möchte Ökoworld Proteste für Klimaschutz unterstützen. Und die ursprüngliche Ankündigung entfaltete einen außerordentlichen Werbeeffekt für das Unternehmen. Letztendlich wäre sogar noch eine rückwirkende Genehmigung in einer außerordentlichen Hauptversammlung möglich.

Alles in allem verwirklicht die abstrakte Ankündigung und sogar deren Ausführung, Geldstrafen von Klima-Aktivisten zu übernehmen, weder Strafvereitelung noch Anstiftung zur Nötigung oder Untreue zum Nachteil der Aktionäre.

Uwe Lenhart ist Fachanwalt für Strafrecht in Frankfurt am Main. (www.ll-anwaelte.de)

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