Frau Nadolny, Sie sind Finanzbloggerin und zählen sich selbst zur Finfluencer-Szene. Wie schwer war der Einstieg in diese Szene?
Nadolny: Persönlich habe ich mich anfangs tatsächlich nie als „Finanzbloggerin“ bezeichnet. Stattdessen war ich einfach nur eine sehr wissbegierige Büchereule mit einem Faible für Finanzliteratur, die auf Wunsch ihrer Community zunehmend auch ihre eigenen Erkenntnisse und Schlussfolgerungen aus all den hunderten Büchern geteilt hat. Mit meiner ersten – etwas überraschenden – Auszeichnung zum „Finanzkanal des Jahres“ habe ich dann nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch den Neid einiger „wahrer“ Finanzblogger auf mich gezogen. Sie haben mich zunehmend versucht, aus der Finfluencer-Szene zu drängen, indem sie teilweise öffentlich, teilweise aber auch hinter meinem Rücken nicht müde wurden zu betonen, dass ich keine Finanzbloggerin, sondern nur eine Buchbloggerin sei – als ob das eine Abwertung darstellen oder mich zu einem Menschen zweiter Klasse machen würde, oder als ob meine Aussagen zu Finanzthemen in irgendeiner Weise herabgewürdigt würden. Daraus habe ich mir mit der Zeit einfach einen Spaß gemacht und nenne mich nach all den Branchenauszeichnungen ganz bewusst „Deutschlands meist ausgezeichnete Finanzbloggerin“. Ein wunderbar rotes Tuch vor den Augen der Neider.
Die Finfluencer-Szene wird gerade von einem großen Skandal erschüttert: Viele Kunden, die über das Netzwerk von „Immo Tommy“ Immobilien gekauft haben, fühlen sich getäuscht und betrogen. Sind Sie überrascht?
Nadolny: Bezogen auf den Skandal rund um „Immo Tommy“ war ich ehrlicherweise wenig überrascht. Unabhängig von all den Dingen, die langsam immer weiter über ihn und seine Vorgehensweisen durchsickern, war es nur eine Frage der Zeit, bis ein solcher Skandal medial aufgedeckt wird. Er ist in der Bubble mit Sicherheit nicht der Einzige – und dessen sollten wir uns im öffentlichen Diskurs ebenso bewusst bleiben. Was wir aus meiner Sicht nun auf keinen Fall tun sollten, ist ihn als einzigen Sündenbock darzustellen und die Augen davor zu verschließen, dass er nur einer von sehr vielen Finanzbloggern ist, die ihre Communities – häufig leider sogar wissentlich – zu zumindest suboptimalen Entscheidungen motivieren. Seinen Content habe ich zuvor ehrlicherweise nicht verfolgt, da ich TikTok weitestgehend meide. Nun habe ich aber mal reingeschaut und würde nicht behaupten, dass dieser sonderlich aus der Reihe fällt: Es sind die typischen kurzen Bullshit-Bingo-Phrasen und Behauptungen, die man von vielen aus der Branche hört. Überrascht bin ich höchstens darüber, dass es so lange gedauert hat, bis der erste Fall publik geworden ist.
Wird der Skandal den Ruf der Finfluencer-Szene nachhaltig beschädigen?
Nadolny: Ehrlicherweise war der Ruf – zumindest unter den reflektierten Menschen da draußen – auch vorher schon nicht besonders gut. Ich habe mir viele Kommentarspalten unter den Recherche-Videos über „Immo Tommy“ durchgelesen und bin dabei immer wieder auf sehr treffende Aussagen gestoßen. Sie beziehen sich auf die Naivität einiger Follower, die auf den simplen Rat eines TikTok-Influencers hin eine Immobilie kaufen, ohne diese jemals besichtigt zu haben. An dieser Stelle kann man einfach nur an den gesunden Menschenverstand appellieren. Schon vor Jahren habe ich öffentlich immer wieder über die Abgründe der Finfluencer-Szene, falsche Anreizsysteme, fehlende Regulierung und vor allem nicht nachweisbare Expertise geklagt. Aber es hat sich herzlich wenig getan. Dieselben Accounts, die schon damals negativ aufgefallen sind, sind immer noch aktiv – mitunter sogar mit vergrößerter Reichweite – und selbst die berühmten Finanzbuch-Autoren mit ihren Crash-Prognosen und Verschwörungstheorien finden sich immer noch in Funk und Fernsehen.
Braucht es Ihrer Meinung nach Regulierung für Finanzblogger?
Nadolny: Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob Regulierungen das Problem lösen würden. Das kommt selbstverständlich maßgeblich darauf an, wer regulieren würde, mit welcher Intention und in welcher Art und Weise. Es muss darüber hinaus sichergestellt sein, dass die Regulierungen überhaupt auf chinesischen und US-amerikanischen Plattformen umsetzbar wären. Man kann viel fordern, aber das bringt nichts, wenn es am Ende ohnehin nicht funktionieren würde. An dieser Stelle kann man sich sehr gerne mal die Nahrungsergänzungsmittel- oder Esoterik-Branche in den sozialen Medien anschauen, mit all ihren verbotenen Heilaussagen etc. Da gibt es bereits Regulierungen und Handhabe, und dennoch setzt sich das muntere Treiben ungehindert fort.