„Möchtest du Millionärin werden?“, fragte mich vor einigen Jahren eine Journalistin für ein Interview und ich antwortete in meiner vielleicht etwas zu naiven, jugendlichen Art: „Ich werde Millionärin.“ Zu naiv weniger aus dem Grund, dass dieses Ziel utopisch schien, sondern vielmehr, da ich zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen war, dass wir mit diesem Ziel dieselben oder zumindest ähnliche Glaubenssätze verbinden.
Wer schon einmal in einer ähnlichen Situation war, kann sich sicherlich vorstellen, dass das Echo der breiten Masse auf den darauffolgenden Artikel mit dem Titel: „Mit 35 bin ich Millionärin“ nicht lange auf sich warten ließ. Von Eheschwindelei bis zu Prostitution war alles dabei. Nur auf legalem und moralisch einwandfreiem Wege hatte damals niemand der kommentierenden Leute es mir zugetraut.
Obwohl ich mich seit Jahren mit Persönlichkeitsentwicklung auseinandersetze und mir sehr wohl bewusst war, dass diese Mutmaßungen mehr über die Menschen selbst als über mich aussagten, haben mich – und auch Personen in meinem Umfeld – einige der Kommentare dennoch hart getroffen. Man stelle sich nur vor, was in einem Vater vorgeht, wenn er öffentlich im Internet lesen muss, wie dutzende Menschen sich darüber auslassen, für wie viel Geld sie mit seiner Tochter ins Bett springen würden. Das bringt mich zur Ausgangsfrage: Darf man heute eigentlich noch reich werden wollen – ohne sich schlecht zu fühlen?
Das gesellschaftlich geprägte Bild „der Reichen“ – insbesondere in Deutschland – ist vor allem negativ behaftet. Ich sehe es immer wieder in den Augen so vieler, mit denen ich über das Thema spreche oder lese es zwischen den Zeilen so vieler Kommentare und Stammtischparolen. Die Menschen haben schnell vor allem eines im Kopf: eine Person wie Dagobert Duck, die einsam und allein in ihrem Geldspeicher herumschwimmt und geizig, herzlos und gierig wie er zu sein scheint, keinen Cent von ihrem Reichtum abgeben möchte.
Aber das ist noch nicht alles: Denn weiterhin wird häufig schamlos angenommen, dass „die Reichen“ natürlich ihr Geld nur damit angehäuft haben können, dass sie entweder …
– … glücklich geerbt haben und somit ihr Geld nicht verdienen, da sie nie dafür gearbeitet haben.
– … durch Lug und Betrug Lücken im System ausgenutzt haben und keine Steuern zahlen oder zumindest keinen „fairen“ Beitrag leisten.
– … den Armen hinterlistig das Geld aus der Tasche ziehen, indem sie ihnen Schrott verkaufen oder sie als billige Arbeitskräfte annähernd versklaven.
Hand aufs Herz: Wer hat denn bei solchen Darstellungen überhaupt noch den Antrieb, reich werden zu wollen?
Niemand möchte doch wohl allen Ernstes ein gieriger, herzloser, geiziger Lügner und Betrüger sein, mit dem niemand außer Seinesgleichen Kontakt haben möchte, die ihn wiederum bei der nächstbesten Gelegenheit selbst übers Ohr hauen.
Das Bild „der Reichen“ ist in Deutschland derart negativ konnotiert, dass wohl nur die Wenigsten öffentlich als reich tituliert werden möchten. Ebenfalls kein Wunder, dass wir so selten offen über unser Vermögen bzw. Einkommen sprechen. Aber in denselben Formaten, in denen man sich darüber wundert, unterstreicht man gebetsmühlenartig immer wieder die Glaubenssätze, die in dieser negativen Konnotation „der Reichen“ münden.
Ich möchte dennoch reich werden. Denn ich habe schon früh im Leben begriffen, dass diese Annahmen vor allem vor zwei Dingen strotzen: Neid und Missgunst, aber mit Sicherheit nicht vor Wahrheit und Fakten. Einzelfälle und Skandale werden vielmehr politisch dazu genutzt, das Land zu spalten, statt Probleme zu lösen. Forderungen nach Vermögenssteuern, Sonderabgaben, Finanztransaktionssteuern und dergleichen wirken vielleicht im Wahlkampf, kümmern sich aber nicht um die Wurzel. Stattdessen vermehrt in finanzielle, steuerliche, wirtschaftliche, unternehmerische und allgemeine Bildung zu investieren, wie ich es in meiner letzten Kolumne thematisiert habe, wird Jahr für Jahr und von einer zur nächsten Legislaturperiode versäumt.