Celine Nadolny: Warum wir so selten offen über unser Vermögen sprechen

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EXKLUSIV Darf man heute eigentlich noch reich werden wollen – ohne sich schlecht zu fühlen? Kolumne von Celine Nadolny, Book of Finance

„Möchtest du Millionärin werden?“, fragte mich vor einigen Jahren eine Journalistin für ein Interview und ich antwortete in meiner vielleicht etwas zu naiven, jugendlichen Art: „Ich werde Millionärin.“ Zu naiv weniger aus dem Grund, dass dieses Ziel utopisch schien, sondern vielmehr, da ich zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen war, dass wir mit diesem Ziel dieselben oder zumindest ähnliche Glaubenssätze verbinden.

Wer schon einmal in einer ähnlichen Situation war, kann sich sicherlich vorstellen, dass das Echo der breiten Masse auf den darauffolgenden Artikel mit dem Titel: „Mit 35 bin ich Millionärin“ nicht lange auf sich warten ließ. Von Eheschwindelei bis zu Prostitution war alles dabei. Nur auf legalem und moralisch einwandfreiem Wege hatte damals niemand der kommentierenden Leute es mir zugetraut.

Obwohl ich mich seit Jahren mit Persönlichkeitsentwicklung auseinandersetze und mir sehr wohl bewusst war, dass diese Mutmaßungen mehr über die Menschen selbst als über mich aussagten, haben mich – und auch Personen in meinem Umfeld – einige der Kommentare dennoch hart getroffen. Man stelle sich nur vor, was in einem Vater vorgeht, wenn er öffentlich im Internet lesen muss, wie dutzende Menschen sich darüber auslassen, für wie viel Geld sie mit seiner Tochter ins Bett springen würden. Das bringt mich zur Ausgangsfrage: Darf man heute eigentlich noch reich werden wollen – ohne sich schlecht zu fühlen?

Das gesellschaftlich geprägte Bild „der Reichen“ – insbesondere in Deutschland – ist vor allem negativ behaftet. Ich sehe es immer wieder in den Augen so vieler, mit denen ich über das Thema spreche oder lese es zwischen den Zeilen so vieler Kommentare und Stammtischparolen. Die Menschen haben schnell vor allem eines im Kopf: eine Person wie Dagobert Duck, die einsam und allein in ihrem Geldspeicher herumschwimmt und geizig, herzlos und gierig wie er zu sein scheint, keinen Cent von ihrem Reichtum abgeben möchte.


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Aber das ist noch nicht alles: Denn weiterhin wird häufig schamlos angenommen, dass „die Reichen“ natürlich ihr Geld nur damit angehäuft haben können, dass sie entweder …

– … glücklich geerbt haben und somit ihr Geld nicht verdienen, da sie nie dafür gearbeitet haben.

– … durch Lug und Betrug Lücken im System ausgenutzt haben und keine Steuern zahlen oder zumindest keinen „fairen“ Beitrag leisten.

– … den Armen hinterlistig das Geld aus der Tasche ziehen, indem sie ihnen Schrott verkaufen oder sie als billige Arbeitskräfte annähernd versklaven.

Hand aufs Herz: Wer hat denn bei solchen Darstellungen überhaupt noch den Antrieb, reich werden zu wollen?

Niemand möchte doch wohl allen Ernstes ein gieriger, herzloser, geiziger Lügner und Betrüger sein, mit dem niemand außer Seinesgleichen Kontakt haben möchte, die ihn wiederum bei der nächstbesten Gelegenheit selbst übers Ohr hauen.

Das Bild „der Reichen“ ist in Deutschland derart negativ konnotiert, dass wohl nur die Wenigsten öffentlich als reich tituliert werden möchten. Ebenfalls kein Wunder, dass wir so selten offen über unser Vermögen bzw. Einkommen sprechen. Aber in denselben Formaten, in denen man sich darüber wundert, unterstreicht man gebetsmühlenartig immer wieder die Glaubenssätze, die in dieser negativen Konnotation „der Reichen“ münden.

Ich möchte dennoch reich werden. Denn ich habe schon früh im Leben begriffen, dass diese Annahmen vor allem vor zwei Dingen strotzen: Neid und Missgunst, aber mit Sicherheit nicht vor Wahrheit und Fakten. Einzelfälle und Skandale werden vielmehr politisch dazu genutzt, das Land zu spalten, statt Probleme zu lösen. Forderungen nach Vermögenssteuern, Sonderabgaben, Finanztransaktionssteuern und dergleichen wirken vielleicht im Wahlkampf, kümmern sich aber nicht um die Wurzel. Stattdessen vermehrt in finanzielle, steuerliche, wirtschaftliche, unternehmerische und allgemeine Bildung zu investieren, wie ich es in meiner letzten Kolumne thematisiert habe, wird Jahr für Jahr und von einer zur nächsten Legislaturperiode versäumt.

Mehr Optionen im Leben

Für mich persönlich – und ich denke, da schließe ich sehr viele mit ein – geht es bei Reichtum nicht darum, möglichst viel Geld anzuhäufen und in meinem Geldspeicher lächelnd herumzuschwimmen. Ich bin auch der festen Überzeugung, dass man auf dem Weg dorthin weder Menschen übers Ohr hauen muss und auch nicht von allen anderen verachtet wird.

Vielmehr geht es für mich darum, mehr Optionen in meinem Leben zu kreieren, damit schlussendlich ein erfüllteres und vor allem freieres Leben zu führen und auf dem Sterbebett so wenig wie möglich zu bereuen. Aber Menschen, die mehr aus sich und ihrem Leben machen wollen und sich nicht mit dem Status quo zufriedengeben, sind schon immer angeeckt. Das wird sicherlich auch auf Eurem Weg nicht ausblieben, aber das ist weniger ein Zeichen dafür, dass Ihr auf dem falschen als vielmehr auf dem richtigen Weg seid.

Schaut man sich eine gängige Kurzanleitung zu finanziellem Erfolg an, dreht sich das Bild direkt ein wenig. Denn die könnte beispielsweise so lauten:

Findet Lösungen für die Probleme anderer Menschen. Je werthaltiger diese sind, desto höher werdet ihr entlohnt. Haut das Geld dann aber nicht direkt auf den Kopf, sondern investiert zumindest einen Teil davon clever am Kapitalmarkt. Bleibt fokussiert, lernt Gefallen daran zu finden, euch stetig weiterzuentwickeln, die Verantwortung für euch und euer Leben zu übernehmen. Haltet die Augen offen für all die Gelegenheiten, die euren Weg kreuzen werden, aber lernt sie vor allem von all den Ablenkungen zu unterscheiden, die ebenfalls nur auf euch warten.“

Keine Spur von Lug, Betrug oder Abzocke, nicht einmal in einem Halbsatz. Kein Wort davon, den Reichtum anschließend nur zum eigenen Wohle zu nutzen und sinnlos zu verprassen. Und auch nicht unterschwellig der Gedanke, durch zunehmenden Reichtum etwas Besseres zu sein.

Eine bittere Erkenntnis

Sicherlich verhalten sich nicht alle Reichen korrekt, aber tun das alle Normalverdiener oder Armen? Und ist ihr Vermögen daran schuld oder ist es nicht an manchen Stellen auch schlichtweg ein Resultat einer vor allem von Neid und Missgunst geprägten öffentlichen Debatte, die zur Spaltung der Gesellschaft beiträgt und uns Menschen immer mehr zu Einzelkämpfern macht? Fast jeder Mensch in diesem Land hat sich auf die ein oder andere Art und Weise mehr oder weniger unfaire Vorteile verschafft. „Gier nach Privilegien“ nannte das Nickolas Emrich in seinem kürzlich erschienen Buch und nimmt vor allem die Politik dabei in die Pflicht.

Ich kann schon nachvollziehen, dass der Reichtum und die daraus resultierenden Optionen mancher Familien in Deutschland für den Normalverdiener unerreichbar wirken können. Es ist vollkommen legitim zu behaupten, dass manche bei ihrer Geburt das Glück hatten, in eine reiche Familie geboren zu werden. Gleichzeitig ist es aber auch naiv zu denken, dass damit zwangsläufig eine glücklichere Kindheit einhergeht oder Kinder ärmerer Familie keine Optionen hätten „gesellschaftlich aufzusteigen“, obgleich ich diese Begrifflichkeit schon immer befremdlich fand.

Geld oder Vermögen definiert nicht unseren Stellenwert in der Gesellschaft. Es ist keine Messgröße für unseren Charakter, weder in die eine noch in die andere Richtung. Geld des Geldes wegen anzuhäufen war noch nie eine besonders gute Idee, genauso wenig wie planlos durch das Leben zu streifen. Mit dem Finger auf andere zu zeigen, macht bis zu einem gewissen Grat sicherlich Sinn, um auf Missstände hinzuweisen, wenn es zum Volkssport wird verbessert es wohl kaum die Individuelle Situation und führt vielmehr zu Sehnenscheidenentzündungen. Wer sich stets auf die Antworten der Politik verlässt, macht sich nicht nur zum Spielball im Wahlkampf, sondern vergisst oder unterschätzt auch seinen eigenen Einfluss.

Schlussendlich muss ich zur bitteren Erkenntnis kommen, dass ich nicht das Gefühl habe, dass man heutzutage öffentlich äußern kann, dass man reich werden möchte, ohne dafür von der breiten Masse verurteilt zu werden. Selbst wenn man einen Großteil seines Reichtums für wohltätige Zwecke spendet, wird das häufig nur mit einem müden Seufzen wahrgenommen oder als zu selektiv und idealistisch bezeichnet. Wie man es macht, macht man es falsch und ich kann es niemandem verdenken, über sein Einkommen oder Vermögen zu schweigen.

Celine Nadolny ist Gründerin und Geschäftsführerin von Book of Finance.

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