Mehr Optionen im Leben
Für mich persönlich – und ich denke, da schließe ich sehr viele mit ein – geht es bei Reichtum nicht darum, möglichst viel Geld anzuhäufen und in meinem Geldspeicher lächelnd herumzuschwimmen. Ich bin auch der festen Überzeugung, dass man auf dem Weg dorthin weder Menschen übers Ohr hauen muss und auch nicht von allen anderen verachtet wird.
Vielmehr geht es für mich darum, mehr Optionen in meinem Leben zu kreieren, damit schlussendlich ein erfüllteres und vor allem freieres Leben zu führen und auf dem Sterbebett so wenig wie möglich zu bereuen. Aber Menschen, die mehr aus sich und ihrem Leben machen wollen und sich nicht mit dem Status quo zufriedengeben, sind schon immer angeeckt. Das wird sicherlich auch auf Eurem Weg nicht ausblieben, aber das ist weniger ein Zeichen dafür, dass Ihr auf dem falschen als vielmehr auf dem richtigen Weg seid.
Schaut man sich eine gängige Kurzanleitung zu finanziellem Erfolg an, dreht sich das Bild direkt ein wenig. Denn die könnte beispielsweise so lauten:
„Findet Lösungen für die Probleme anderer Menschen. Je werthaltiger diese sind, desto höher werdet ihr entlohnt. Haut das Geld dann aber nicht direkt auf den Kopf, sondern investiert zumindest einen Teil davon clever am Kapitalmarkt. Bleibt fokussiert, lernt Gefallen daran zu finden, euch stetig weiterzuentwickeln, die Verantwortung für euch und euer Leben zu übernehmen. Haltet die Augen offen für all die Gelegenheiten, die euren Weg kreuzen werden, aber lernt sie vor allem von all den Ablenkungen zu unterscheiden, die ebenfalls nur auf euch warten.“
Keine Spur von Lug, Betrug oder Abzocke, nicht einmal in einem Halbsatz. Kein Wort davon, den Reichtum anschließend nur zum eigenen Wohle zu nutzen und sinnlos zu verprassen. Und auch nicht unterschwellig der Gedanke, durch zunehmenden Reichtum etwas Besseres zu sein.
Eine bittere Erkenntnis
Sicherlich verhalten sich nicht alle Reichen korrekt, aber tun das alle Normalverdiener oder Armen? Und ist ihr Vermögen daran schuld oder ist es nicht an manchen Stellen auch schlichtweg ein Resultat einer vor allem von Neid und Missgunst geprägten öffentlichen Debatte, die zur Spaltung der Gesellschaft beiträgt und uns Menschen immer mehr zu Einzelkämpfern macht? Fast jeder Mensch in diesem Land hat sich auf die ein oder andere Art und Weise mehr oder weniger unfaire Vorteile verschafft. „Gier nach Privilegien“ nannte das Nickolas Emrich in seinem kürzlich erschienen Buch und nimmt vor allem die Politik dabei in die Pflicht.
Ich kann schon nachvollziehen, dass der Reichtum und die daraus resultierenden Optionen mancher Familien in Deutschland für den Normalverdiener unerreichbar wirken können. Es ist vollkommen legitim zu behaupten, dass manche bei ihrer Geburt das Glück hatten, in eine reiche Familie geboren zu werden. Gleichzeitig ist es aber auch naiv zu denken, dass damit zwangsläufig eine glücklichere Kindheit einhergeht oder Kinder ärmerer Familie keine Optionen hätten „gesellschaftlich aufzusteigen“, obgleich ich diese Begrifflichkeit schon immer befremdlich fand.
Geld oder Vermögen definiert nicht unseren Stellenwert in der Gesellschaft. Es ist keine Messgröße für unseren Charakter, weder in die eine noch in die andere Richtung. Geld des Geldes wegen anzuhäufen war noch nie eine besonders gute Idee, genauso wenig wie planlos durch das Leben zu streifen. Mit dem Finger auf andere zu zeigen, macht bis zu einem gewissen Grat sicherlich Sinn, um auf Missstände hinzuweisen, wenn es zum Volkssport wird verbessert es wohl kaum die Individuelle Situation und führt vielmehr zu Sehnenscheidenentzündungen. Wer sich stets auf die Antworten der Politik verlässt, macht sich nicht nur zum Spielball im Wahlkampf, sondern vergisst oder unterschätzt auch seinen eigenen Einfluss.
Schlussendlich muss ich zur bitteren Erkenntnis kommen, dass ich nicht das Gefühl habe, dass man heutzutage öffentlich äußern kann, dass man reich werden möchte, ohne dafür von der breiten Masse verurteilt zu werden. Selbst wenn man einen Großteil seines Reichtums für wohltätige Zwecke spendet, wird das häufig nur mit einem müden Seufzen wahrgenommen oder als zu selektiv und idealistisch bezeichnet. Wie man es macht, macht man es falsch und ich kann es niemandem verdenken, über sein Einkommen oder Vermögen zu schweigen.
Celine Nadolny ist Gründerin und Geschäftsführerin von Book of Finance.