2023 werden wir einen Rückgang der Inflation sehen, aber sie wird auch zum Jahresende bei voraussichtlich drei bis vier Prozent liegen“, sagte der Chefvolkswirt der Munich Re, Michael Menhart, am Donnerstag bei einer Online-Gesprächsrunde des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV)
Der Höhepunkt der Teuerung sei in den USA erreicht, nicht aber in Europa. Der Wendepunkt sei im Frühjahr zu erwarten. „Ich bin nicht übermäßig optimistisch. Deutschland muss sich auf eine höhere Inflation einstellen als es sich wünscht“, so Menhart.
Zweistellige Inflation bleibt
Ludovic Subran von der Allianz geht davon aus, dass die Inflationsraten den Winter über zweistellig bleiben. Vor diesem Hintergrund rechnet der Chefökonom mit weiteren Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) von 0,50 bis 0,75 Prozent im Dezember sowie jeweils 0,25 Prozent in drei weiteren Schritten bis Mai auf dann 2,75 Prozent.
Er teile diese Einschätzung grundsätzlich, sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen als Moderator der Diskussion. Die Markterwartungen seien auf eine eher „langsame und nicht so lange geldpolitische Straffung“ ausgerichtet.
Eine erneute Zinswende sieht Subran erst im übernächsten Jahr. „Eine erste Leitzinssenkung erwarten wir erst für 2024“, sagte der Allianz-Chefökonom. Die aktuellen Krisen – der Ukraine-Krieg sowie die hohe Inflation und die steigenden Energiepreise- seien „ein großer Stresstest für Europa“.
Sogar von einem „großen Stresstest“ für die globale Wirtschaft sprach Jerome Haegeli, Chefvolkswirt der Swiss Re. Die erwartete leichte Rezession hält er für „das kleinere Übel“ als eine aus seiner Sicht viel gefährliche strukturelle Stagflation, also eine hohe Inflation bei gleichzeitig stagnierender Konjunktur.
Haegeli fordert jetzt eine restriktive Geldpolitik der EZB – deren Niedrigzinspolitik der vergangenen Jahre er als „Trauerspiel“ bezeichnete. Nach seiner Erwartung legt die Notenbank bis auf Weiteres keine Zinspause ein. „Im Moment haben wir Halbzeit bei den Zinserhöhungen“, so Haegeli.
Mit Blick auf 2023 sehen alle drei Chefökonomen die geopolitischen Risiken als größte Herausforderung. Neben dem Krieg in der Ukraine nannten sie in diesem Zusammenhang das Verhältnis zu den USA und China.