Chefs von JDC und Morgen & Morgen im Exklusiv-Interview: „Pole Position bei Plattformen“

Foto: Alexander von Spreti
Pascal Schiffels (links) und Sebastian Grabmaier

Die Jung, DMS & Cie. AG (JDC), München, kauft das Analysehaus Morgen & Morgen (M&M) aus Hofheim. Cash. sprach darüber mit Dr. Sebastian Grabmaier, Vorstandsvorsitzender Jung, DMS & Cie., sowie Pascal Schiffels, Geschäftsführer Morgen & Morgen.

Herr Dr. Grabmaier, die Jung, DMS und Cie. AG hat im Juni angekündigt, 100 Prozent der Anteile am Analysehaus Morgen & Morgen zu übernehmen. Können Sie uns etwas über die Hintergründe erzählen? Wie kam es zu dem Deal?

Grabmaier: Wir versuchen stetig, unsere Plattformtechnologie zu optimieren und zu erweitern und haben daher im Vorstand über alle möglichen Szenarien diskutiert. Dabei kamen wir auch auf Morgen & Morgen. Mit dem Erwerb der Morgen & Morgen GmbH komplettieren wir das eigene JDC-Plattformangebot und setzen vor allem auf die Kompetenz von Morgen & Morgen in der Datenanalyse & Vergleichstechnologie. Insbe- sondere verfügt Morgen & Morgen über ein eigenes Team von zehn Versicherungsmathematikern und damit über überragende Kompetenzen in der Daten- und Tarifanalyse, die mit keinem Unternehmen im Markt vergleichbar ist.

Was versprechen Sie sich von der Übernahme?

Grabmaier: Wir sehen uns als marktführenden Plattformtechnologie-Anbieter und insbesondere im Bancassurance- und Corporate Broker-Geschäft in der Pole Position. Mit dem Erwerb von Datenanalyse- und Tarifvergleichkompetenzen von Morgen & Morgen runden wir die Wertschöpfung unserer Plattform ab und erweitern unsere Kundenzielgruppen über Intermediäre hinaus auf die Versicherungsunternehmen selbst. Die Akquisition von Morgen & Morgen ermöglicht es uns daher, unsere Marktstellung zu hebeln.

Schiffels: Mit der Mission, jeden zu befähigen, die richtigen Entscheidungen in Finanz- und Versicherungsfragen treffen zu können, verfolgt M&M ein Ziel, welches wesentlich zur Erfolgsstrategie im Bereich Advisortech der JDC Group AG beiträgt. Unser starkes Produkt- und Serviceportfolio kann um neue Märkte und neue Kundengruppen erweitert werden. Neben dem Schwerpunkt Vermittler, können wir auch weiterhin unsere Services für Versicherer ausbauen und somit als Backbone der Branche fungieren. Gemeinsam werden wir noch innovativer sein und stärker wachsen. Die ersten Feedbacks unserer Kundinnen und Kunden nach Veröffentlichung der Transaktion zeigen, dass diese positiv gestimmt sind, dass Morgen & Morgen mit der JDC-Gruppe eine langfristig unabhängige Heimat erhält und auf Jahre hinaus ein verlässlicher Partner der Produktgeber sein wird.

Wird JDC künftig noch mit anderen Vergleichsanbietern zu- sammenarbeiten oder ausschließlich mit Morgen & Morgen?

Grabmaier: Ja, natürlich werden wir auch weiter mit anderen Vergleichsanbietern zusammenarbeiten. Neben Morgen & Morgen, Franke & Bornberg und Softfair gibt es weitere hervorragende Spezialanbieter wie Nafi, Acio, Mr. Money oder andere, auf die wir auf der offenen JDC-Plattform auch künftig nicht verzichten wollen. Denn nur ein vollumfängliches Angebot an Rechnern bildet unsere Strategie der Plattformökonomie ab. Unsere Vertriebspartner bleiben vollkommen frei in der Auswahl von Vergleichsrechnern, die sie auf unserer offenen Plattform nutzen wollen. Im Übrigen bleiben alle Verträge, die wir mit dritten Rechneranbietern abgeschlossen haben, unberührt von der Gesellschafterstellung bei Morgen & Morgen.

Wie eigenständig und unabhängig wird Morgen & Morgen in der neuen Konstellation agieren?

Schiffels: Für ein Unternehmen wie Morgen & Morgen ist die Unabhängigkeit und Unbeeinflussbarkeit Voraussetzung für die Existenz. Das weiß auch Jung, DMS & Cie., deshalb werden wir trotz Zugehörigkeit zum JDC-Konzern langfristig eigenständig und unabhängig bleiben. Die Neutralität der Daten- und Vergleichsplattform von Morgen & Morgen wird zu keiner Zeit gefährdet sein. Das sichern wir allen unseren bisherigen und zukünftigen Kunden fest zu.

Wie wirken Sie etwaigen Zweifeln in der Branche an der zukünftigen Unabhängigkeit von Morgen & Morgen entgegen?

Grabmaier: Weil wir um die Wichtigkeit dieser Unabhängigkeit wissen, haben wir in einer schriftlichen Unabhängigkeitserklärung festgehalten, dass weder Jung, DMS & Cie. noch die JDC Group AG irgendeinen Einfluss auf Morgen & Morgen ausüben werden. Morgen & Morgen behält eine eigenständige Geschäftsleitung ohne Personenidentität mit dem JDC-Management und auch eine eigene, von der JDC-Gruppe getrennte Geschäfts- und Datenschutzorganisation. Inklusive auch technisch völlig getrennter Datenhaushalte. Allen bisherigen und künftigen Kunden geben wir damit größtmögliche Sicherheit bezüglich ihrer schützenswerten Daten.

Sie haben erklärt, das Produkt Versicherung „neu denken„ zu wollen. In welche Richtungen wollen Sie das tun und was soll dabei herauskommen?

Grabmaier: Wir werden im Bereich automatisierte Produktauswahl unter Einsatz von künstlicher Intelligenz viele innovative und praktisch umsetzbare Features in den Markt bringen, die die JDC Plattform für unsere Kunden noch attraktiver macht. Die neuen Produkte, die aus der Zusammenarbeit von JDC und Morgen & Morgen entstehen, werden als Morgen & Morgen-Produkte übrigens auch zukünftig offen am Markt verfügbar sein.

Schiffels: Mit unserer Analysekompetenz können wir über sämtliche Datendimensionen Tarife vergleichen, bewerten und mit Hilfe von Algorithmen und künstlicher Intelligenz Absicherungslösungen daraus machen. Die Daten- und Analysekompetenz richtet sich nicht nur an Kunden und Intermediäre, sondern insbesondere auch an Produzenten, die damit ihre Produktpolitik gezielt ausrichten können.

Sie haben bereits neue Produkte angekündigt, die aus der Zu- sammenarbeit von JDC und Morgen & Morgen entstehen sollen. Wie weit sind Sie bei der Konzeption?

Schiffels: Bereits sehr weit. Im Bereich Altersvorsorge arbeiten wir gerade an Produktlösungen, die mit Hilfe von Algorithmen die unterschiedlichsten Risiko- und Tarifszenarien darstellen und versicherungsmathematisch bewerten können und somit maßgeschneidert auf den individuellen Wunsch der Endkunden ausgerichtet werden können.

Werden diese Produkte offen am Markt verfügbar sein?

Grabmaier: Ja, alle neuen Morgen & Morgen-Produkte, die wir gemeinsam entwickeln, werden offen am Markt zur Verfügung stehen.

Zuletzt haben verschiedene Finanzdienstleister versucht, durch den Zukauf von IT-Ressourcen und -daten ihre digitale Kompetenz zu verstärken. Wird dieser Trend durch die zunehmende Digitalisierung in der Corona-Pandemie noch beschleunigt?

Grabmaier: Dieser Trend ist in vollem Gange und wird natürlich durch die Erfahrungen, die der Markt während der Pandemie gewinnen konnte, noch verstärkt. Kunden sind mittlerweile in allen möglichen Bereichen des Lebens sehr online-affin. Genauso, wie sich Kunden im Internet Pizzen, Schuhe oder Musik auswählen und kaufen, wollen sie sich verstärkt auch über Absicherungs-, Vorsorge- oder Anlageprodukte online informieren und dort auch abschließen. Der reine Zukauf von IT-Ressourcen reicht aber nicht aus, um von dieser Entwicklung zu profitieren. Es muss das ganze Paket stimmen – von der passenden Produktlösung, über die gesamte Vertriebsarchitektur –digital wie persönlich –bis hin zur Administration im Backoffice.

Herr Schiffels, bereits seit Jahresbeginn verwenden Sie das Nachhaltigkeitslabel von Zielke Research Consult mit dem Ziel, die besonders nachhaltig wirtschaftende Assekuranzen herauszufiltern. Wie wichtig wird der Faktor Nachhaltigkeit künftig in den Bereichen Vergleich und Analyse?

Schiffels: Das erkennt man an der steigenden Nachfrage der Endkunden nach nachhaltig ausgerichteten Anlageprodukten und zunehmend auch entsprechenden Versicherungslösungen. Viele Menschen haben aber immer noch zu wenig Vertrauen in solche Produkte, weil sie dahinter eher einen Marketing-Gag vermuten – Stichwort `Greenwashing‘. Daher werden wir immer wieder nach tatsächlich nachhaltig wirtschaftenden Versi- cherungen gefragt. Das Label bietet sowohl dem Vermittler als auch dem Endkunden Orientierung. So wird die Entscheidung für ein nachhaltiges Unternehmen und Versicherungsprodukt deutlich erleichtert.

Bei den Anlegern spielt Nachhaltigkeit trotz der allgegenwärtigen Diskussion um Umweltschutz und Klimawandel noch eine untergeordnete Rolle, das zeigen verschiedene Studien. Wie bewerten Sie das?

Grabmaier: Das sehen wir in der Praxis anders: im Investmentbereich ist das Thema Nachhaltigkeit schon angekommen. Laut Zahlen des Branchenverbands BVI hat sich das in nachhaltige Investmentfonds angelegte Vermögen in den vergangenen vier Jahr auf 254 Milliarden Euro mehr als vervierfacht. Auch im Versicherungsbereich scheint der Wunsch nach ESG-konformen Produkten zu steigen. Aber wie schon von Herrn Schiffels erwähnt, fehlt es vielen Kunden noch an den nötigen Informa- tionen, welche Anbieter wirklich nachhaltig investieren und wirtschaften. Hier sind auch die Versicherer hinsichtlich Transparenz und Offenheit gefragt. Jüngste Umfragen belegen aber, dass bei jedem dritten Deutschen das Angebot nachhaltiger Produkte inzwischen die Versicherungswahl beeinflusst.

Ende September ist Bundestagswahl. Auf welche politische Konstellation hoffen Sie nach der Wahl?

Grabmaier: Als Plattformanbieter und Pool halten wir uns naturgemäß zurück, eine Wahlempfehlung abzugeben. Nach Prüfung der vorgelegten Wahlprogramme muss jedem Kunden und Vermittler aber klar sein, dass es sich trotz des inhaltsleeren Wahlkampfes bei der anstehenden Bundestagswahl mehr denn je um eine klare Richtungswahl handelt: Will ich mehr staatlichen Einfluss durch Pflicht zu staatlich kontrollierter Renten- und Krankenversicherung und der zwingenden Einbeziehung von Selbständigen, wohlklingend auch Bürgerversicherung und Bürgerfonds genannt, oder lieber Freiheit von Staat in privater Alterssicherung und mit dem bewährten Leistungsniveau der privaten Krankenversicherung? Mir persönlich ist Letzteres lieber.

Schiffels: Als unabhängiges Analysehaus stehen wir für Unbe- einflussbarkeit und Neutralität. Folglich werden wir auch keine Wahlempfehlung für eine Partei oder Konstellation aussprechen. Doch zu leidenschaftlichem Analysieren und Vergleichen können wir jede und jeden nur motivieren. Auch wenn es ausnahmsweise einmal keine Versicherungsbedingungen, sondern Wahlprogramme sind.

Die Fragen stellte Kim Brodtmann, Cash.

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