Das Vertrauen in die chinesische Wirtschaft schwindet und die Regierung hat keinen klaren Plan zur Ankurbelung der Wirtschaft. Und das in einer Zeit, in der die drei wichtigsten Faktoren, die Chinas Wirtschaft in den letzten 15 Jahren angetrieben haben, Anzeichen von Schwäche zeigen:
Immobilien: Die von den chinesischen Behörden eingeführten Schutzmaßnahmen haben eine Stabilisierung des Marktes ermöglicht. Der Sektor wird jedoch nicht länger ein Wachstumsmotor der chinesischen Wirtschaft sein. Die Immobilieninvestitionen sind rückläufig und sind seit Anfang 2023 um 6,2 Prozent gesunken. Erschwerend kommt hinzu, dass die Regierung beschlossen hat, die Immobilienspekulation einzuschränken, um den Zugang zu Wohnraum zu erleichtern.
Exporte: Die Exporttätigkeit macht etwa 20 Prozent des chinesischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Das heißt, China kann sich nicht vom Rest der Welt abkoppeln und ist mit zwei Herausforderungen konfrontiert: Die USA führen einen Handelskrieg mit Zöllen und Embargos gegen China und Europa als auch die USA befinden sich im Wirtschaftsabschwung.
Infrastruktur: Nach der Krise von 2008 hat die Regierung die Wirtschaft durch massive Infrastrukturprogramme angekurbelt. Dies ist nun nicht mehr der Fall. Zum einen ist der Bedarf an Infrastruktur geringer und zum anderen wurden die Investitionsausgaben beschränkt.
Die chinesische Regierung hat das diesjährige Haushaltsdefizit auf 3 Prozent des BIP begrenzt. Denn mit rund 280 Prozent des BIP hat die kumulierte öffentliche und private Verschuldung inzwischen eine ähnliche Größenordnung erreicht wie im Westen. Der Unterschied zu den westlichen Ländern besteht darin, dass diese Schulden zu einem großen Teil im Inland gehalten werden und das Land über Devisenreserven in Höhe von rund 3.200 Mrd. USD und einen Handelsüberschuss verfügt. Der Aufschwung wird also in erster Linie durch geldpolitische Maßnahmen unterstützt werden.
Der Mindestreservesatz für Finanzinstitute wurde mehrmals gesenkt, und zwar von 11,25 Prozent Anfang 2019 auf derzeit 7,6 Prozent. Der Leitzins für fünfjährige Kredite, die wichtigste Referenz für Hypotheken, wurde im Juni von 4,3 Prozent auf 4,2 Prozent gesenkt.
Das Wachstumsziel der Regierung von 5 Prozent erscheint daher unsicher. Die Märkte werden die wirtschaftspolitischen Entscheidungen der Regierung aufmerksam verfolgen. Der von Bloomberg erstellte Konsens der Wirtschaftsprognosen hat seine Wachstumserwartungen für 2023 auf 5,5 Prozent nach unten korrigiert.
Aus unserer Sicht könnte die Regierung beschließen, die Unternehmenssteuern für Hightech-Unternehmen zu senken oder gezielte Maßnahmen zugunsten der privaten Haushalte einzuführen, da sich die Regierung auf den Binnenkonsum als wichtigsten Wachstumsmotor der Wirtschaft konzentrieren muss. Hier besteht Potenzial, da der Anteil des Binnenkonsums an der Wirtschaft mit rund 38 Prozent im Vergleich zu rund 70 Prozent in den USA immer noch gering ist.
Genauso schätzen wir, dass China die folgenden Wachstumssektoren fördern wird:
- Technologie, da China bestrebt ist seine Führungsstärke in der Rüstungsindustrie beizubehalten
- Grüne Energie, da China ein gewisses Maß an Energieunabhängigkeit im Einklang mit seinem Ziel, bis 2060 kohlenstoffneutral zu sein, erreichen will
- Freizeit
- Gesundheitswesen, das eine alternde Bevölkerung versorgen muss
- Online-Glücksspiele
- Kosmetik
Nach dem jüngsten Wirtschaftsabschwung sind die Aktienbewertungen auf dem gesamten Markt gesunken: Chinesische Aktien werden mit einem KGV von 11 für 2023 gehandelt, wobei das prognostizierte Gewinnwachstum zwischen 15 und 20 Prozent liegt.
Unser Fazit: Es gibt einige Gründe, warum internationale Anleger weniger auf chinesische Aktien setzen. Es gilt die wirtschaftspolitischen Entscheidungen der chinesischen Regierung weiterhin aufmerksam zu beobachten und die Auswirkungen auf den chinesischen Aktienmarkt zu analysieren.
Jean-Marie Mercadal ist CEO von SYNCICAP Asset Management – Teil von Ofi Invest.