Der klare Sieg Donald Trumps bei den US-Wahlen hat die Unsicherheit für China und die Welt erhöht. Am 8. November hat der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses in Peking zum Abschluss seiner Sitzung ein Programm in Höhe von 10 Billionen Yuan (1,4 Billionen US-Dollar) zur Unterstützung der Lokalregierungen vorgestellt.
Kommunale Schulden sind der „Sand im Getriebe der chinesischen Wirtschaft“
Dabei unterschätzen internationale Investoren oft, wie wichtig es ist, die lokale Verschuldung in den Griff zu bekommen, so die Beobachtung von Laurent Denize, Co-CIO Oddo BHF und CIO Oddo BHF Asset Management. „Diese Schulden wirken wie unsichtbarer Sand im Getriebe der chinesischen Wirtschaft. Wegen der angespannten Finanzlage der Kommunen sind Zahlungen an Lieferanten (vor allem Privatunternehmen) überfällig, Gehälter von Kommunalbeamten werden verspätet ausgezahlt und Privatunternehmen müssen „Strafzahlungen“ leisten, um die sinkenden Steuereinnahmen und Einnahmen aus Grundstücksverkäufen der Kommunen auszugleichen“, erläutert Laurent Denize. Schätzungen von Minister Lan zufolge könnten durch die Umschuldung von 10 Billionen Yuan über einen Zeitraum von fünf Jahren rund 600 Milliarden Yuan an Zinsen eingespart werden. Mit den dadurch freiwerdenden Mitteln ließen sich Investitionen und Konsum ankurbeln. Die Gesamthöhe der versteckten Schulden soll bis 2028 deutlich sinken, von aktuell 14,3 Billionen Yuan auf dann 2,3 Billionen Yuan. Der außergewöhnliche Umfang dieser Maßnahmen und die begleitende Kommunikation zeigen Denize zufolge, wie ernst die Regierung den wirtschaftlichen Abschwung nimmt. Ergänzende Instrumente dürften folgen, um auf einen möglichen Handelskrieg nach Trumps Amtsantritt reagieren zu können.
A-Aktien profitieren stärker vom Binnenaufschwung
Nach der langen Durststrecke reagierten die Aktienmärkte im September erfreut auf die Aussicht auf wirtschaftliche Impulse mit deutlichen Kursgewinnen. Der chinesische Aktienmarkt handele aber im Vergleich zu anderen großen Aktienmärkten immer noch mit einem Abschlag. Der Grund: Große internationale langfristige Investoren stehen weiterhin an der Seitenlinie. „Wenn chinesische Aktien langfristig die Bewertungslücke zu anderen globalen Märkten schließen sollen, muss die Regierung klar aufzeigen, wie sie die strukturellen Schwächen der Wirtschaft angehen will. Erste Schritte in diese Richtung hat die Führung bereits unternommen“, meint der Chefanlagestratege. Als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt habe China viel zu bieten und sollte in jedem global diversifizierten Portfolio vertreten sein. Kurzfristige Unsicherheiten könnten Anleger zum Aufbau einer Positionierung in chinesischen Qualitätsaktien mit hohem Potenzial nutzen. Kurzfristig könnten geopolitische Unsicherheiten die Stimmung der Anleger gegenüber chinesischen Aktien erneut trüben. Im Vergleich zu nur im Ausland gehandelten chinesischen Aktien könnten ausschließlich an chinesischen Festland-Börsen notierte A-Aktien jedoch besser abschneiden, da ihnen Risiken aus geopolitischen Unwägbarkeiten weniger zusetzen. „Nur etwa 3% dieser Aktien werden von ausländischen Investoren gehalten, aber sie profitieren unmittelbar von den Konjunkturimpulsen in China, insbesondere von den speziell auf den Aktienmarkt ausgerichteten Maßnahmen. Defensive Sektoren, binnenmarktorientierte Branchen und von der chinesischen Politik gestützte Wirtschaftszweige – wie Konsum- und Investitionsgüter – könnten sich angesichts der gestiegenen Unsicherheit überdurchschnittlich entwickeln“, schreibt Denize.
Europas Abhängigkeit von China
Die chinesische Wirtschaft ist jedoch nicht nur für chinesische Aktien von Bedeutung – viele europäische Industrie- und Luxusgüterunternehmen sind stark von China abhängig. Eine anhaltende Konjunkturerholung in China könnte auch in Europa die Aktienkurse steigen lassen. „Die Konsumzurückhaltung der chinesischen Verbraucher aufgrund fallender Immobilienpreise und wirtschaftlicher Unsicherheit wird jedoch das Wachstum der großen Luxusgüterhersteller 2025 bremsen. In der europäischen Automobilindustrie hängen vor allem die deutschen Hersteller weiterhin stark vom China-Geschäft ab. Auch ein Wachstumsprogramm wird hier nicht zu einer Rückkehr zu alten Zeiten führen“, so Denize. Auch die europäische Chemieindustrie sieht Denize kaum positive Impulse durch Chinas Konjunkturprogramm, da China in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend zum Selbstversorger bei Chemikalien geworden ist.