Christian Pellis, Amundi Deutschland im Exklusiv-Interview: „Das Team ist für mich das Wichtigste“

Christian Pellis, Amundi
Foto: Alexander von Spreti
Christian Pellis, Amundi Deutschland: "Wir prüfen regelmäßig, ob unsere lokale Strategie noch passt, ob wir auf Kurs mit unseren Zielen liegen – und was soll ich ihnen sagen, bisher lagen wir gut! Zudem sind wir offen für Opportunitäten, die sich auf Kunden- oder Produktseite ergeben. "

Der Chef von Amundi Deutschland, Christian Pellis, wurde in diesem Jahr als Head of the Year ausgezeichnet. Cash. nutzte diese Gelegenheit, um einen Blick hinter das Unternehmen zu werfen. Vor Ort in München sprachen wir mit ihm sowie mit weiteren Führungskräften von Amundi Deutschland, die wir ab heute präsentieren. Cash. vor Ort startet mit einem Gespräch mit dem Preisträger Christian Pellis.

Christian Pellis ist CEO der Amundi Deutschland GmbH. Im September wurde er vom Hamburger Medienhaus Cash. zum Head of the Year 2023 gekürt. Wir sprachen mit ihm über die Bedeutung persönlicher Auszeichnungen, das Geschäft in diesem Jahr, die Bedeutung von ESG und welche Dinge er tut, um zu entspannen.

Herr Pellis, seit Januar 2021 sind Sie nun der Chef von Amundi Deutschland, einer Tochter des größten europäischen Asset Managers. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz aus? Was waren die größten Herausforderungen?

Pellis: Amundi ist in Deutschland in den letzten Jahren stark gewachsen. Ich kann daher ein sehr positives Fazit ziehen, da unser Wachstum im Deutschen Markt eines meiner Ziele ist. Dass unser Wachstum so deutlich ausgefallen ist, trotz sehr herausfordernder Rahmenbedingungen, freut mich um so mehr. Schaue ich jetzt zurück, dann war der Einstieg unter Corona-Bedingungen wirklich nicht einfach. Hinzu kommt, dass Vieles zu diesem Zeitpunkt neu für mich war. Aber ich habe dank des Teams von Amundi in Deutschland schnell gelernt. Nach der Corona-Krise hat dann zusätzlich der Ukraine-Krieg die Märkte massiv beeinflusst und wir haben die Übernahme von Lyxor bekannt gegeben. In diesem Kontext sind wir als Team sehr schnell zusammengewachsen und haben es geschafft, uns gegen den Trend zu stellen und gute Zahlen abzuliefern – und zwar in allen Bereichen.

Von welchen Wachstumsraten sprechen wir da?

Pellis: 2020 hatte Amundi 64 Milliarden Euro Assets under Management. Durch den Zukauf von Lyxor und organisches Wachstum, verwalten wir für unsere deutschen Kunden Stand Ende August fast 120 Milliarden Euro. Größtenteils liegt das an unserem institutionellen Bereich, der neben dem klassischen Corporate-Geschäft auch im Bereich Money Markets jedes Jahr 10 bis 15 neue Kunden gewonnen hat. Aber auch unsere ETF-Sparte ist stark gewachsen und wir sind für zukünftiges Wachstum hier gut positioniert, denn der bereits vor vielen Jahren begonnene starke Trend Richtung „Passiv“ ist ungebrochen. Als europäischer Marktführer werden wir von dieser Entwicklung profitieren.

Ende September wurden Sie von uns als Head of the Year 2023 ausgezeichnet. Was bedeutet diese Ehrung für Sie?
Pellis: Es freut mich natürlich sehr, aber das bin nicht nur ich. Es ist eine Teamleistung. Gemeinsam mit dem Geschäftsführergremium und den Kolleginnen und Kollegen im deutschen Management Committee gebe ich zwar die Richtung vor, aber es sind alle 136 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Amundi in Deutschland, denen dieser Preis gebührt. Was macht uns erfolgreich? Wir prüfen regelmäßig, ob unsere lokale Strategie noch passt, ob wir auf Kurs mit unseren Zielen liegen – und was soll ich ihnen sagen, bisher lagen wir gut! Zudem sind wir offen für Opportunitäten, die sich auf Kunden- oder Produktseite ergeben. Erkennen wir eine, gehen wir sie an. Als Unternehmen haben wir eine offene Kommunikationskultur und insgesamt sehr flache Hierarchien. Das macht uns zu einem modernen Arbeitgeber. Und wir leben unsere Werte. Entrepreneurship ist einer, Courage ist ein anderer.

Absatzseitig lief es 2021 sehr gut, 2022 war eher schwierig. Wie läuft 2023 bis dato? Welche Fondsparten sind besonders gefragt?

Pellis: 2022 haben wir uns als widerstandsfähig erwiesen. Wir hatten überschaubare Outflows aus Money-Market-Fonds und starke Mittelzuflüsse in mittel bis langfristig orientierten Anlageklassen, sowohl auf der Aktiv-, aber auch sehr stark auf der Passivseite. 2023 hat insgesamt gut startet, sich jedoch dann herausfordernd entwickelt. Herausfordernd deshalb, weil Aktien durch die wieder vorhandenen Zinsen auf dem Sparkonto erneut in starker Konkurrenz stehen. Unser großer Vorteil besteht darin, dass wir in der Lage sind, Lösungen für alle Anlageklassen und für alle Marktumgebungen anzubieten. Heute lautet die Frage: Will ich als Kunde risikofrei anlegen und die marktüblichen Prozente auf Sparprodukte bekommen, oder will ich ein Risiko eingehen? Der aktuelle Zins ist letztendlich die neue Benchmark. Das Leben hat sich geändert für die Anleger und für die Berater. Außerdem waren die Aktienmärkte – obwohl sie insgesamt gestiegen sind – volatil. Das ist für den ein oder anderen schon beunruhigend und reicht schon, um Sparprodukte zu bevorzugen. Allerdings wird dabei meist vergessen, dass durch die momentan hohe Inflation Sparprodukte Kaufkraftverlust nicht kompensieren. Deshalb bleibt es wichtig, dass Geld weiter langfristig angelegt wird und Sparer zu Anlegern werden – insbesondere wenn es um Vermögensaufbau und Altersvorsorge geht. Beides lässt sich nicht sinnvoll mit dem Sparbuch umsetzen. Hier das Mindset der Deutschen zu verändern, das ist die größte Herausforderung, die wir aktuell sehen – stärker in Deutschland als in einigen anderen europäischen Ländern, da es dort bereits andere Lösungen für die Altersvorsorge gibt. Aus diesem Grund sind wir gefragt, um für noch mehr Aufklärung zu sorgen – und ich beziehe hierbei alle Mitbewerber mit ein. Wir als Industrie haben diesbezüglich eine Verantwortung und spielen nicht nur eine Rolle bei der Produktentwicklung.

Kommen wir zum Thema ESG, das nach wie vor ein sehr wichtiges Zukunftsthema ist. Allerdings heißt es oft, die Anleger seien sehr viel weiter in Sachen ESG als der Vertrieb. Dann wiederum hört man, Anleger würden das Thema mehrheitlich für ihre Kapitalanlage ablehnen. Wie bewerten Sie das?

Pellis: Man muss dabei zwei Aspekte unterscheiden. Die ESG-Regulatorik ist in den letzten Jahren stark gewachsen, und das unterstützen wir auch. Dennoch: wir sind nach wie vor in einer Phase der Transformation. Als Asset Manager sprechen wir mit vielen Unternehmen und sehen uns hier auch in einer Beraterfunktion. Wir haben uns schon früh mit dem Thema ESG und seinen Auswirkungen auf unser Handeln auseinandersetzen müssen, so dass wir jetzt Unternehmen auf ihrem Pfad zu nachhaltigeren Geschäftsmodellen begleiten. Insgesamt stehen wir noch am Anfang der Transformation, so dass noch kein abschließendes Urteil möglich ist, wie uns diese gemeinsam gelingen wird.

Dann gibt es da noch das Thema Regulatorik, die immer komplexer wird und uns vorschreibt, was man alles machen muss, so dass Privatkunden bessere Anlage-Entscheidungen treffen können. Seit August 2022 muss abgefragt werden, wie nachhaltig Kunden ihr Geld anlegen wollen. Ergebnisse aus Finanzstudien zeigen, dass der Kunde sich aufgrund der Überregulierung oftmals eher gegen nachhaltige Anlagen entscheidet, auch wenn er laut Marketingstudien generell der Entwicklung zu mehr Nachhaltigkeit positiv gegenüber steht. Auf der institutionellen Seite sieht dies bereits anders aus. Durch Mandate kann man gemeinsam mit den Kunden bedarfsgerechte Lösungen entwickeln. Aber auch sind heutzutage die Fragestellungen vielfältig und komplex. Bei jedem Mandat, das wir auflegen, müssen wir bestimmte ESG-Kriterien für den Kunden beachten.

Kommen wir einmal zu Ihrer Person. Wie entspannt ein Christian Pellis bei so viel wichtigen Themen, die adressiert werden müssen?

Pellis: Wie entspanne ich mich? Heute besser als vor dreißig Jahren. Denn auch Entspannen will gelernt sein. Dabei hilft mir die Familie. Ich bin verheiratet, habe vier Kinder, drei erwachsene und einen sechsjährigen. Der entspannt mich, der hält mich auch auf Trab, sorgt dafür, dass ich jung bleibe. Ich mache relativ viel Sport und versuche, zweimal bis dreimal in der Woche zu laufen. Sport entspannt mich definitiv! Zudem kann man hier in München auch wunderbar Ski fahren. Als Holländer bin ich aber natürlich auch gerne auf dem Wasser unterwegs. Ich laufe Wasserski und bin mit dem Kajak unterwegs. Wichtig ist bei einem so engen Kalender, dass man sich diszipliniert und Zeitfenster einträgt, an denen man Sport macht, sonst klappt es nicht.

Welche Distanzen laufen Sie?

Pellis: Aktuell sind es zehn, elf Kilometer. Der letzte Marathon war in Paris vor fünf Jahren. Aber das schaffe ich derzeit nicht mehr. Ich glaube, man muss eine Balance finden, was man noch kann und was möglich ist. Es soll Spaß machen, und es soll einfach auch zum Fitbleiben beitragen. Ich war früher für Amundi weltweit unterwegs. Meine Laufschuhe hatte ich immer dabei, und überall auf dieser Welt kann man in der Stadt, in einem Park seine Runde drehen. In einem Fitnessstudio zu laufen, finde ich langweilig. Deshalb bin ich meist draußen und dabei sieht man dann auch was von der Stadt in der man gerade ist.

Interview: Frank O. Milewski, Cash.

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
1 Kommentar
Inline Feedbacks
View all comments