Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 11. Juli 2012 entschieden, dass der britische Lebensversicherer Clerical Medical (CMI) vereinbarte Auszahlungspläne grundsätzlich erfüllen muss. Der BSZ – Bund für soziales und ziviles Rechtsbewußtsein sieht eine Klagewelle auf CMI zurollen.
Das höchste Zivilgericht in Deutschland urteilte über fünf Klagen von Versicherten, die Schadensersatz von CMI verlangten, da ihnen falsche Renditeprognosen für ihre Altersvorsorge mitgeteilt worden seien.
Nach Meinung der Anlegeranwälte gab das Gericht den Klägern auf ganzer Linie Recht. Zwar verwies das Gericht alle Fälle wieder an die Vorinstanz – die Oberlandesgerichte (OLG) – zurück, stellte dabei aber fest, dass sich der Versicherer die Beratungsfehler der Vermittler gemäß Paragraf 278 BGB zurechnen lassen muss, da der Vertrieb der CMI-Lebensversicherung in Deutschland im Rahmen eines Struktuvertriebs organisiert wurde.
CMI hatte tausende Anleger für kreditfinanzierte Lebensversicherungen mit dem Namen „Wealthmaster Noble“ gewonnen. Dazu nahmen die Kunden ein Bankdarlehen auf, dessen Zinsen durch von CMI zugesicherte Auszahlungen aus der fondsgebundenen Lebensversicherung bedient werden sollten. Das Darlehen selbst sollte aus Leistungen der Fondspolice getilgt werden. Das Kalkül: Der Wertzuwachs der Versicherung sollte höher ausfallen als der Zinssatz des Kredits.
8,5 Prozent Rendite prognostizierten die Vermittler demnach für die Versicherung. Die Investmentfonds des Anlagemodells „EuroPlan“ konnten die von Clerical Medical versprochene Rendite allerdings nicht erbringen. Der BGH stellte fest, dass der Versicherer selbst nur eine Rendite von gerade einmal sechs Prozent als realistisch angesehen hat. Eine Kundin, die in einem anderen Fall vor dem OLG Dresden geklagt hatte, erhielt den Kredit für 6,5 Prozent.
Der BGH urteilte nun, dass Anlegern Schadensersatzansprüche zustehen können, wenn der Vermittler dem Kunden ein unzutreffendes und zu positives Bild der zu erwartenden Rendite gegeben hat.
„Für die Anleger von Clerical Medical ist das eine erfreuliche Entwicklung“, sagt BSZ-Vertrauensanwalt Christian Luber, der Clerical-Medical-Kläger vertritt. „Denn nach der nun erfolgten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kamen Clerical Medical grundsätzlich erhebliche Informations- und Aufklärungspflichten bei dem Abschluss der Versicherungsverträge zu“, so Luber. Dies bedeute, dass Berater, die den betroffenen Anlegern die Verträge empfohlen haben, ausführlich und verständlich über die bestehenden Risiken für die Anleger aufklären müssten. Kamen sie dieser Pflicht nicht oder nur eingeschränkt nach, muss hierfür Clerical Medical nun im Grundsatz einstehen, erklärt Luber.
Der BSZ rechnet nun mit einer Klagewelle. Luber empfiehlt allen Betroffenen, mögliche Ansprüche anwaltlich prüfen zu lassen. Wie das „Manager Magazin“ berichtet, sollen bereits 1.000 Verfahren gegen Clerical Medial anhängig sein, 40 davon allein am BGH. Die Konzernmutter Lloyd’s Banking Group habe rund 220 Millionen Euro zurückgelegt, um sich gegen die Klagewelle zu wappnen. (lk)
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