CO2 – nein Danke!

Foto: ING Deutschland
Maximilian Müller: „Weg vom reinen Kreditgeber, hin zu einem Finanzierer mit Energieeffizienz-Coaching“

Rund ein Drittel des aktuellen CO2-Ausstoßes werden in Deutschland durch den Betrieb von Gebäuden verursacht, von denen viele energetisch veraltet sind. Bis vor kurzem wurde kaum über Energieeffizienz geschweige denn über einen Energieausweis nachgedacht. Die Zeiten haben sich geändert und es gibt für Kreditgeber wie die ING Deutschland einiges zu tun. Wie sich die nach Kundenzahl drittgrößte Bank Deutschlands auf die anstehenden Zeiten vorbereitet, hat uns Maximilian Müller, Business-Manager im Vertrieb Immobilienfinanzierung bei der ING Deutschland im Interview erläutert.

Herr Müller, vor welchen Herausforderungen steht die Immobilienbranche heute?

Müller: Vor ein paar Monaten hätte ich hier drei Themen erwähnt: Die Erwartungen der jungen Fridays-for-Future-Generation an die nachhaltige Gestaltung unserer Zukunft, die regulatorischen Herausforderungen – Stichwort EU-Taxonomie – für uns Kreditgeber und die Explosion der Rohstoff-Preise seit Corona. Natürlich kommt jetzt mit dem Krieg in der Ukraine und seinen Folgen ein weiterer Faktor dazu, der die oben genannten Entwicklungen noch verstärkt – und gleichzeitig neue Herausforderungen wie die Sicherstellung von Energie oder die Abschwächung der hohen Inflationsrate mit sich bringt. Allen diesen Themen ist eines gemeinsam: Sie drehen sich im engeren oder weiteren Radius rund um den Klimaschutz.

Was bedeutet das für Sie als Bank? 

Müller:  Laut Bundes­umweltamt verursachte der Betrieb von Gebäuden in Deutschland 2021 etwa 35 Prozent des Endenergie­verbrauchs und etwa 30 Prozent der CO2-Emissionen. Damit ist die Wohnwirtschaft einer der Hauptverursacher für den CO2-Ausstoß. Hier wollen wir ansetzen und unseren Beitrag dazu leisten, dass die ING-finanzierten Immobilien ein Zeichen in Sachen „Energieeffizienz“ setzen.

Wann legen Sie damit los?

Müller: Im vergangenen Jahr haben wir gemeinsam mit der KfW Bankengruppe ein Onlinetool im Direktvertrieb der Bank pilotiert: Die Energietipps, einen Modernisierungsrechner, der es den Kolleginnen und Kol­legen in der Beratung möglich macht, direkt im Gespräch herauszufinden, wie eine Bestandsimmobilie energetisch saniert werden kann, was das kostet und was man dadurch an Energie und somit auch an Kosten für unsere Kundinnen und Kunden einsparen kann. Der Pilot ist auf bestem Weg, fester Bestandteil in der Beratung zu werden. Jetzt sind wir noch einen Schritt weiter gegangen und haben mit der Baufinanzierung Green Ende Juli ein Produkt auf den Markt gebracht, das den Bau oder Kauf einer Immobilie mit der Energieeffizienz­klasse A oder A+ mit einem Zins-Rabatt von 0,10 % honoriert. Der Zins-Rabatt gilt für alle Immobilien mit der Energieeffizienzklasse A oder A+ und für Objekte, die durch eine Modernisierung eine der beiden Klassen erreichen. 

Welche Themen werden in diesem Umfeld weiter an Bedeutung gewinnen?

Müller: Ganz sicher wird es – wie bereits für die Erstellung von Nichtgebäuden etabliert – auch eine Zertifizierung für Wohngebäude als wichtigen Baustein für die Wertsteigerung einer Immobilie geben. Damit sich mögliche neue Zertifizierungsideen auch in den Produkten unserer Bank widerspiegeln, sind wir zum Beispiel Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen und können die Erkenntnisse aus der Verbandsarbeit im Idealfall direkt in unsere Produktgestaltung einfließen lassen. Ebenfalls heute schon erkennbar ist, dass die Dokumentation der Energieeffizienz im Beratungsprotokoll oder auch eine DIN-Norm, wie bereits für Vermögensanlagen genutzt, viel diskutierte Themen sind, die, wenn sie umgesetzt werden, die Notwendigkeit der Senkung von CO2-Emissionen verdeutlichen. 

Welche Rolle spielen die Vermittlerinnen und Vermittler bei diesen immer komplexer werdenden Aufgaben?

Müller: Die Baufinanzierungsberatung wird sich weiter verändern. Bereits die Digitalisierung hat die Vermittlerschaft vor große Herausforderungen gestellt. Mit unserem Berater Digitale Baufinanzierung haben wir unsere Vermittlerinnen und Vermittler frühzeitig und sehr erfolgreich auf die digitale Baufinanzierungsberatung vorbereitet. In Zeiten, in denen das energieeffiziente Bauen, Sanieren und Modernisieren für die Menschen immer wichtiger wird, steigen erneut die Herausforderungen an die Beratung. Hier gilt es, sich weiterzubilden und vielleicht ein Netzwerk mit Energieberaterinnen und Energieberatern zu bilden. Wer die Herausforderungen kreativ angeht oder auch eine eigene Awareness für das Thema mitbringt, ist seinem Wettbewerb schnell einen guten Schritt voraus.
Gleiches gilt auch für die Kundinnen und Kunden?

Müller: Was wir merken: Die Menschen sind, was die energieeffiziente Ausgestaltung ihrer Immobilie betrifft, aktuell sehr verunsichert. Eine gute und erfolgreiche Beratung setzt genau dort an: Sie schafft Klarheit, steigert die Aufmerksamkeit für eine mögliche Wertbeständigkeit der Immobilie und motiviert, das Geld sehr individuell und auf jeden Fall solide zu investieren. Natürlich sind auch die Kundinnen und Kunden gefragt, sich aktiver als vielleicht bisher mit ihrem Immobilienwunsch auseinanderzusetzen. Es gilt, sich Zeit zu nehmen, zu wissen, was eine Energieeffizienzklasse ist, und welche Einsparpotenziale durch das Investment möglich sind.

Welche drei Punkte sind Ihnen persönlich für die Zukunft besonders wichtig?

Müller: Erstens: Wir als Bank sollten die ESG-Herausforderung an- und ernstnehmen Das heißt: Wir wollen bei allen Zukunftsplanungen die ESG-Kriterien aus den Bereichen Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Governance) berücksichtigen. Daran arbeiten wir aktuell sehr intensiv. Zweitens: Ich hoffe sehr, dass wir unser Ziel hinsichtlich Senkung des CO2-Ausstoßes ganz konkret in unserem Bestandsportfolio erreichen. Dabei spielt es eine wesentlich Rolle, den CO2-Ausstoß unseres Portfolios nach neuesten Erkenntnissen zu berechnen und basierend auf dieser Grundlage konkrete Ziele zu definieren. Schließlich wollen wir bis zum Jahr 2050 die schwarze 0 kg/CO2 m2 erreichen. Wir wissen, das ist ambitioniert, aber wir sehen auch gute Wege, das Ziel gemeinsam mit unseren Stakeholdern und Zielgruppen zu erreichen. Und drittens: Ich sehe unseren Vertrieb künftig verstärkt als Coach für unsere Vermittlerinnen und Vermittler sowie für unsere Kundinnen und Kunden. Das Thema Klimaneutralität ist so wichtig, dass auch wir unsere Rolle hinterfragen und uns weg vom reinen Kreditgeber hin zu einem Finanzierer mit Energieeffizienz-Coaching in der Beratung bewegen. Am Ende ziehen wir alle am gleichen Strang. Je besser jeder einzelne seinen Beitrag zum Klimaschutz leistet, desto positiver fällt das Ergebnis für uns alle aus.

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