Ist eine Corona-Infektion wahrscheinlich auf der Arbeit oder in der Schule passiert, kann man das als Unfall melden. Also an die zuständige Berufsgenossenschaft oder im Fall von Schulen an die Unfallkasse des jeweiligen Bundeslandes. Wenn die Corona-Infektion als Unfall anerkannt wird, ist das in jedem Fall vorteilhaft, sagt der Medizin- und Sozialrechtler Nikolaos Penteridis aus Bad Lippspringe (NRW).
Denn die gesetzliche Unfallversicherung zahlt mehr als die Krankenversicherung. „Die Unfallkassen zahlen alles, was geboten ist – also jeden Heilversuch, jede Reha-Maßnahme“, sagt der Rechtsanwalt. Die Krankenversicherung zahle dagegen in der Regel „nur“ das, was medizinisch notwendig sei. „Deshalb ist es immer schön, wenn die Unfallkasse oder Berufsgenossenschaft mit im Boot ist – egal bei welcher Krankheit.“
Die Infektion belegen
Eltern sollten wissen: Schulpflichtige Kinder sind gesetzlich unfallversichert, und zwar während der Zeit in der Schule sowie auf dem Weg hin und zurück. Eine Verletzung in der Sportstunde, ein Unfall im Chemieunterricht – das sind typische Fälle für die Unfallkasse. Aber Corona?
Auch eine Corona-Infektion kann einen Schulunfall darstellen, schreibt der Spitzenverband der Unfallkassen und Berufsgenossenschaften, die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV). Voraussetzung ist, dass es nachweislich einen intensiven Kontakt mit einer mit dem Coronavirus infizierten Person gab – und zwar während des Schulunterrichts oder bei schulischen Veranstaltungen.
Wie belegt man das? Zum Beispiel durch Erklärungen der Lehrenden oder der Schule, teilt die DGUV auf Anfrage mit. Die Infektion des eigenen Kindes ist wiederum durch einen zeitnahen PCR-Test nachzuweisen.
Jeder Einzelfall wird geprüft
Die Unfallkasse prüft noch mehr. So wird berücksichtigt, ob zum Zeitpunkt der möglichen Ansteckung Kontakt zu weiteren infizierten Personen in „nicht versicherten Bereichen“ bestanden haben könnte. Etwa innerhalb der Familie oder bei Freizeitaktivitäten. In jedem Einzelfall ist eine Abwägung erforderlich, die alle Aspekte berücksichtigt, die für oder gegen eine Infektion während der versicherten Schulzeit sprechen.
Am Ende sei die Beweisbarkeit natürlich das Hauptproblem bei der Frage, ob die Corona-Infektion und eine daraus folgende Covid-19-Erkrankung als Schulunfall anerkannt werden, sagt Rechtsanwalt Nikolaos Penteridis. „Es ist ein Virus, das in der gesamten Gesellschaft durchgeht. Das kann es in der Praxis schwer machen, sicher zu belegen: Dort habe ich mich infiziert.“
Wann die Schule eine Erkrankung melden muss
Die DGUV rät: Sollte es Anhaltspunkte dafür geben, dass sich das Kind in der Schule angesteckt hat, sollte man die Schule darüber informieren. Bei leichten und symptomlosen Covid-19-Fällen müssen Schulen keine Unfallanzeige erstatten. Also etwa, wenn das Kind leichte Erkältungssymptome hat und vielleicht auch leichtes Fieber, es aber nicht ärztlich behandelt werden muss.
Eine weitere Empfehlung: Alle mit der Infektion zusammenhängenden Tatsachen sollten im Verbandbuch der Schule dokumentiert werden. Verschlimmern sich die Symptome und muss das Kind doch in Behandlung, diene dieser Eintrag als Grundlage für die Unfallanzeige, erklärt die DGUV. So lasse sich die Erkrankung nachträglich als Schulunfall melden. Auch bei einer späteren Meldung sei eine Anerkennung als Schulunfall möglich.
Aber: „Symptomlose Corona-Infektionen sind kein meldepflichtiger Versicherungsfall“, stellt sie nochmals klar. Das heißt, behandelnde Ärzte und Schulen sind dann nicht verpflichtet, dies der Unfallkasse zu melden.
Eltern können tätig werden
Eltern haben natürlich auch selbst die Möglichkeit, eine Meldung zu machen, sagt Anwalt Nikolaos Penteridis. Väter und Mütter müssten dafür auch keine Frist beachten – anders als Schulen (oder etwa auch Arbeitgeber), die einen Unfall innerhalb von drei Tagen melden müssen. „Natürlich ist es für die Beweissicherung am besten, wenn auch Eltern das so früh wie möglich melden.“
Grundsätzlich gilt: Wird die Unfallkasse durch die Schule, eine Ärztin oder die Eltern über einen Verdachtsfall informiert, ermittelt sie. Sie prüft dann, ob die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Schulunfalls vorliegen. Und darauf aufbauend, welche Leistungen sie gegebenenfalls erbringen muss. Bezogen auf den Einzelfall prüft sie dann auch, welche Angaben und Nachweise sie benötigt.
Zahlen aus zwei Bundesländern
In wie vielen Fällen ist eine Covid-19-Erkrankung bisher überhaupt als Schulunfall anerkannt worden? In Nordrhein-Westfalen gab es laut Zahlen der dortigen Unfallkasse bis einschließlich Dezember 2021 332 entsprechende Anzeigen. In 90 Fällen wurde ein Schulunfall anerkannt. In Berlin waren es 123 Unfallanzeigen, eine Anerkennung gab es bislang in 9 Fällen. Die DGUV weist darauf hin, dass die Zahlen der Bundesländer nur schwer zu vergleichen sind – insofern sind diese Daten nicht für ganz Deutschland zu verallgemeinern.
Zudem kann die DGUV nicht sagen, wie viele der Anzeigen schon bearbeitet wurden und welche vielleicht noch geprüft werden. Denn: bei milden oder symptomlosen Verläufen erfolgt oft noch keine abschließende Entscheidung darüber, ob im jeweiligen Fall die Unfallversicherung Leistungen erbringen muss.
Aber: Erfährt die Unfallkasse davon, dass während oder nach der akuten Covid-19-Erkrankung Leistungen zur medizinischen Versorgung erforderlich werden, wird sie aktiv. Sie ermittelt dann umfassend und von Amts wegen zu der Infektionsursache, stellt die DGUV klar.
Meldung kann nur Vorteile bringen
Zusammengefasst: Eltern sollten es auf jeden Fall der Schule melden, wenn sie glauben, dass sich ihr Kind dort mit Corona infiziert hat. Darüber hinaus schadet es nicht, wenn sie das der Unfallkasse auch selbst melden. „Es ist nur ein kurzer Brief und es kann einem am Ende nur Vorteile bringen“, sagt Rechtsanwalt Nikolaos Penteridis. Die Unfallkassen stellen auf ihren Websites im Internet Formulare für die Meldung von Schulunfällen bereit.
Gut zu wissen: Die Schulen sind verpflichtet, eine schwerer verlaufende Covid-19-Erkrankung zu melden. Und: Eine Anerkennung als Schulunfall ist auch nach einer nachträglichen Meldung möglich. (dpa-AFX/Ihre Vorsorge)