„Nicht kleckern, sondern klotzen“, „schnell und unbürokratisch“ – so kündigte die alte Bundesregierung die umfassenden Corona-Hilfspakete an. Was sich zunächst so großzügig anhörte, entpuppt sich für viele nun als leere Hülle. Für die Empfänger der Soforthilfe kam bereits das böse Erwachen – ein Teil von ihnen wurde zur Rückforderung der Hilfen aufgefordert. Künftig könnten für betroffene Empfänger auch umfassende Rückzahlungen der Überbrückungshilfen I-III, III Plus sowie November- und Dezemberhilfen drohen. Hier steht aufgrund der höheren Förderungssumme und Gesamtanzahl der Empfänger nicht nur finanziell einiges auf dem Spiel.
Wie sich derzeit abzeichnet, kommt eine Klagewelle auf die deutschen Verwaltungsgerichte zu. Erkennbar wird dies mit Blick auf die bereits ergangenen Rückzahlungsbescheide der Corona-Soforthilfe. So lag die Anzahl der bei den Gerichten in Nordrhein-Westfalen eingereichten Klagen bereits Ende Januar 2022 in Bezug auf die Corona-Soforthilfe bei 1.600, was in Anbetracht der künftigen Rückzahlungsbescheide der weiteren Corona-Hilfen wohl nur der Gipfel des Eisbergs sein dürfte.
Ein Rettungsanker für Unternehmen könnte in vielen Fällen die sogenannte Schlussabrechnung sein. Durch sie erhalten Unternehmer die Chance, falsche oder unvollständige Angaben bei der Antragstellung (Umsatz, Ausgabenkategorien, Zusammensetzung der Konzernstruktur etc.) noch nachträglich zu korrigieren. Nach Prüfung der Schlussabrechnung erhält der Antragsteller einen Schlussbescheid, in dem die Bewilligungsstelle gegebenenfalls unter Festsetzung einer Zahlungsfrist zur (Teil-)Rückzahlung auffordert. Wenn sich etwa im Nachhinein herausstellt, dass der tatsächlich realisierte Umsatz höher war als zum Zeitpunkt der Antragstellung prognostiziert, muss der Empfänger die Differenz zur bewilligten Förderungssumme zurückzahlen.
Auf keinen Fall sollte man als Antragsteller daher angesichts des bestehenden Rückzahlungsrisikos vom Einreichen einer Schlussabrechnung Abstand nehmen oder mit den Gedanken spielen, bei den Angaben in der Schlussabrechnung die Zahlen so zu ändern, dass der Umsatz des Unternehmens negativer ausfällt als tatsächlich.
Im Zweifel kann ein Strafverfahren wegen Subventionsbetrugs drohen
Einerseits ist förderrechtlich zu beachten, dass beim Fehlen und Nichteinreichen einer Schlussabrechnung die gesamte Förderungssumme zurückzuzahlen ist. Andererseits darf die strafrechtliche Tragweite etwaiger Falschangaben bei der Beantragung und Erstellung der Schlussabrechnung von Corona-Hilfen keinesfalls unterschätzt werden. Was vielen nicht bewusst ist: Im Zweifel kann sogar ein Strafverfahren wegen Subventionsbetrugs drohen und das sogar dann, wenn falsche Angaben nicht einmal vorsätzlich, sondern nur leichtfertig getätigt wurden. Bereits unvollständige Angaben gegenüber der zuständigen Behörde können ausreichen, um ein strafbares Verhalten zu begründen.
Die Einreichung der Schlussabrechnung hat durch den prüfenden Dritten, regelmäßig also durch den zur Antragstellung mandatierten Steuerberater, ausschließlich digital über die Antragsplattform der Überbrückungshilfe an die Bewilligungsstellen der Länder zu erfolgen.
Die Einreichung der Schlussabrechnung für die Überbrückungshilfen I-III sowie der November- und Dezemberhilfen ist seit Mitte Februar 2022 möglich. Spätestens bis zum 31. Dezember 2022 muss für alle genannten Corona-Hilfen die Schlussabrechnung eingereicht worden sein.
Präventiv ist bereits bei der Antragstellung darauf zu achten, dass bei der Ermittlung der zu erwarteten Umsatzeinbrüchen eine realistische Prognose erfolgt, damit sich im Rahmen der Schlussabrechnung keine Überraschungen ergeben. Dies gilt insbesondere in Hinblick auf die Antragstellung der seit 2022 auf den Weg gebrachten Überbrückungshilfe IV, dessen Antragsfrist für Erstanträge am 30. April 2022 endet.
Daneben sollten Unternehmer für eine „saubere“ Schlussabrechnung folgenden Fünf-Punkte-Plan beachten:
1. Bei der Abgabe der Schlussabrechnung sollte strikt auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben geachtet werden.
2. Dem prüfenden Dritten sollten die endgültigen Umsatzzahlen für die jeweiligen Bewilligungsmonate anhand der Umsatzsteuervoranmeldungen zur Verfügung gestellt werden, damit eine rechtzeitige Übermittlung innerhalb der Einreichungsfrist an die Bewilligungsstellen erfolgen kann. Gleiches gilt für die Fixkostenabrechnung.
3. Um dies zu erfüllen ist es ratsam, bereits vor Antragstellung auf eine ordentliche Dokumentation und Buchführung zu achten.
4. Die Verwendung der ausgezahlten Corona-Hilfen sollte nachvollziehbar nachgewiesen werden.
5. Zudem sollte festgehalten werden, warum zum Zeitpunkt der Antragstellung das Unternehmen durch die Corona-Pandemie (und nicht hiervon unabhängig) in eine existenzgefährdende Wirtschaftslage geraten ist.
Falls die Nachweise bisher nicht geführt wurden, sollten Antragsteller dies nachholen und möglichst rückwirkend spätestens ab Beantragung des jeweiligen Förderungsprogramms oder sogar ab Beginn des ersten Lockdowns in Deutschland im März 2020 die coronabedingten finanziellen Engpässe dokumentieren und die Verwendung der Corona-Hilfen nachweisen. Ohne Nachweise kann man Rückzahlungsforderungen kaum abwenden. Wichtig ist – auch um den Anschein der Heimlichkeit direkt auszuräumen – vollständige Transparenz.
Da es sich bei den Corona-Hilfen um vom Staat ausgezahlte Subventionen im Sinne des europäischen Beihilferechts handelt, sind bei der Schlussabrechnung die entsprechenden Obergrenzen – je nach gewähltem Regime – zu beachten. Insbesondere gilt dies, falls ein Konzern fälschlicherweise für jedes verbundene Unternehmen einen eigenen Antrag gestellt hat, obwohl richtigerweise nur ein einziger gemeinsamer Antrag hätte gestellt werden dürfen. Gemeinnützige Unternehmen waren zwar zur Antragstellung je Einheit oder Betriebsstätte berechtigt, beihilferechtlich war aber auch hier auf alle Hilfen im Konzern einzugehen, was für viele Berater und Antragsteller zu einem Rückforderungs- und Haftungsrisiko führen könnte. Wurden hier oder allgemein die Obergrenzen überschritten, droht nicht nur die Rückzahlung aller erhaltenen Corona-Hilfen, sondern auch ein Verfahren wegen Subventionsbetrugs.
Erreicht den Antragsteller schließlich der Schlussbescheid mit der Aufforderung, einen gewissen Betrag der erhaltenen Zuschüsse zurückzuzahlen, ist zunächst abzuwägen, ob es rechtlich und wirtschaftlich sinnvoll ist, mit Rechtsmitteln gegen die Rückforderung vorzugehen. Dabei könnten Unternehmen neben ihrem Steuer- oder Rechtsberater zusätzlich die Expertenmeinung eines bisher nicht involvierten Dritten einholen, um eine weitere objektive Einschätzung zu erhalten.
Die Wirtschaft hat sich bisher robuster gezeigt als gedacht
Fordert die Bewilligungsbehörde im Endbescheid unberechtigt zur Rückzahlung auf, so lautet die Devise: schnell reagieren. Betroffene haben nach Erhalt des Bescheids einen Monat Zeit, Klage bzw. Widerspruch einzulegen.
Erscheint es hingegen nicht sinnvoll, juristische Schritte einzulegen, sollte die im Bescheid angegebene Zahlungsfrist eingehalten werden. Wird der Betrag nicht rechtzeitig zurückgezahlt, können Verzugszinsen in Höhe von jährlich fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz anfallen, was angesichts der Pandemie und der Niedrigzinsphase eine zusätzliche Belastung darstellen kann.
Ist der Antragsteller finanziell nicht in der Lage, das gesetzte Zahlungsziel zu erreichen, kann von der im Rückforderungsbescheid genannten Möglichkeit, eine Stundung für maximal zwölf Monate zu beantragen, Gebrauch gemacht werden. Zu beachten ist aber, dass auch im Fall einer Stundung Zinsen auf die Rückzahlung fällig werden.
Im Laufe der Corona-Pandemie wurde wiederholt über eine mögliche Insolvenzwelle spekuliert. Da sich die Wirtschaft bisher robuster gezeigt hat als gedacht, ist eine solche bisher ausgeblieben. Ob es durch die Rückzahlungen der Corona-Hilfen zu einer Insolvenzwelle kommen wird, ist daher fraglich. Die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen dürften insgesamt überschaubar bleiben, im Einzelfall werden sich jedoch harte Konsequenzen für von Rückzahlungsbescheiden Betroffene ergeben.
Um eine Entlastung der Gerichte zu bewirken, sind weitreichende Stundungsmöglichkeiten und Fristverlängerungen aus Sicht der Praxis wünschenswert.
Rechtsanwalt Sebastian Heinke, LLM, ist Senior Associate bei Rödl & Partner in Köln.