Corona-Hilfskredite: Große Herausforderungen

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Ferdinand Unzicker

Der Gesetzgeber hat auf die Coronakrise mit vielfältigen Maßnahmen zügig reagiert. Generell zielen die Maßnahmen darauf ab, die Folgen für Privatpersonen und Verbraucher abzufedern. Wie mit Krediten umzugehen ist, die an Unternehmen projektbezogen oder zur laufenden Finanzierung des Geschäftsbetriebs ausgereicht wurden. Gastbeitrag von Rechtsanwalt Dr. Ferdinand Unzicker 20170907-1308-DSC 1028-Kopie-2 in Corona-Hilfskredite: Große Herausforderungen

Der Gesetzgeber hat auf die Coronakrise mit vielfältigen Maßnahmen zügig reagiert. Generell zielen die Maßnahmen darauf ab, die Folgen für Privatpersonen und Verbraucher abzufedern. Wie mit Krediten umzugehen ist, die an Unternehmen projektbezogen oder zur laufenden Finanzierung des Geschäftsbetriebs ausgereicht wurden. Gastbeitrag von Rechtsanwalt Dr. Ferdinand Unzicker

Im Kreditgeschäft wirken sich vor allem zwei zeitlich befristete Sonderregelungen aus. Zum einen geht es um die Modifikationen des Vertrags- und Schuldrechts gemäß Artikel 240 EGBGB. Nach Artikel 240 Paragraf 3 EGBGB werden Ansprüche des Darlehensgebers, die zwischen dem 1. April 2020 und 30. Juni 2020 fällig werden, mit Eintritt der Fälligkeit für drei Monate gestundet, wenn der Verbraucher auf Grund der Corona-Epidemie Einnahmeausfälle hat und ihm die Erbringung der geschuldeten Leistungen unzumutbar ist. Kündigungen des Darlehensgebers wegen Zahlungsverzugs oder wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse sind bis Ablauf der Stundung ausgeschlossen. Zugleich wird die Laufzeit des Vertrags um drei Monate verlängert, wenn die Vertragsparteien nicht einvernehmliche den Vertrag fortsetzen.

All dies gilt nur dann nicht, wenn dem Darlehensgeber die Stundung oder der Ausschluss der Kündigung im Einzelfall unzumutbar ist. Diese Regelungen gelten jedoch nur für Verbraucherdarlehensverträge. Unternehmer profitieren davon also nicht. Die Bundesregierung kann zwar den personellen Anwendungsbereich der Bestimmungen durch Rechtsverordnung ausweiten, insbesondere auf Kleinstunternehmen (Artikel 240 Paragraf 3 Absatz 8 EGBGB), auch noch nach dem 30 Juni 2020. Eine Ausweitung auf Unternehmerkredite wird vielfach gefordert, ist aber jedenfalls bis zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dieser Ausgabe nicht geschehen.

Zum ist das Kreditgeschäft von den insolvenzrechtlichen Sonderregelungen geprägt. Zentrale Regelung ist bekanntlich gemäß Paragraf 1 CoVInsAG (Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz) die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gemäß Paragraf 15 a InsO, befristet bis zum 30. September 2020, wobei die Möglichkeit einer Verlängerung durch Rechtsverordnung bis maximal zum 31. März 2021 besteht (Paragraf 4 COVInsAG). Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht greift nicht ein, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des Corona-Virus beruht oder keine Aussichten bestehen, dass eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit beseitigt wird. Die Voraussetzung einer Aussetzung der Antragspflicht wird grundsätzlich vermutet, soweit der Schuldner am 31. Dezember 2019 (noch) nicht zahlungsunfähig war.

Kapitalzufuhr durch Banken erleichtern

In Folge der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sind Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar. Im Umfang der Ausnahme sind Haftungsrisiken gemäß Paragraf 64 Satz 1 GmbHG, Paragraf 92 Absatz 2 AktG, Paragraf 99 GenG also grundsätzlich beseitigt. Die Rückgewähr von im Aussetzungszeitraum gewährten Neukrediten gilt nicht als Gläubigerbenachteiligung. Gleiches gilt für korrespondierende Sicherheiten zur Absicherung von Neukrediten. Diese Bestimmungen sollen nach der Gesetzesbegründung in der Tat nur auf neue Kredite anwendbar sein, nicht auf bloße Novationen, Prolongationen oder wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte. Letztere Gestaltungen sollen lediglich keinen Sittenverstoß darstellen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Beihilfe zur Insolvenzverschleppung.

Finanzierende Banken werden bei der sachgerechten Behandlung von Unternehmerkrediten, insbesondere wenn der Darlehensnehmer nicht in der Lage ist, die Verbindlichkeiten ordnungsgemäß zu bedienen, vor große Herausforderungen gestellt. Ein Anspruch gegen die Bank auf Ausreichung neuer Kredite oder Zahlungsaufschüben, auch wenn diese insolvenzrechtlich unbedenklich sein sollten, besteht nicht. Ebenso wenig kann der Darlehensnehmer verlangen, dass die Bank von einem (außerordentlichen) Kündigungsrecht wegen einer Vermögensverschlechterung des Kunden absieht, wenn die rechtlichen Voraussetzungen hierfür im Übrigen vorliegen.

Die zeitlich befristeten Sonderregelugen sollen die Kapitalzufuhr durch Banken natürlich gleichwohl erleichtern. Der Handlungsspielraum der Bank ist aber nicht unbegrenzt. Insbesondere bei der Vergabe von Neukrediten ist genau zu prüfen, ob die Insolvenzantragspflicht tatsächlich ausgesetzt ist. Es muss daher stets dokumentiert werden können, dass zum Stichtag 31 Dezember 2019 beim Darlehensnehmer (noch) keine Zahlungsunfähigkeit vorgelegen hatte. Zu diesem Stichtag verfügt das Unternehmen in der Regel über Finanzinformationen oder zumindest über vorläufige Unterlagen, etwa eine betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA).

Können vom Darlehensnehmer auf diesen Zeitpunkt keine aussagekräftigen BWA vorgelegt werden, kann die Bank nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgehen, dass die insolvenzrechtliche Privilegierung überhaupt eingreift. Ohnehin ist es regelmäßig ein schlechtes Zeichen, wenn der Darlehensnehmer nicht in der Lage ist, zu dem betreffenden Stichtag aussagekräftige und in sich schlüssige BWA vorzulegen. Die rechnerische Kapitaldienstfähigkeit zum Stichtag 31. Dezember 2019 ist daher aus Bankensicht eine Grundvoraussetzung, um überhaupt in weitere Überlegungen für eine Ausreichung eines neuen Kredits eintreten zu können.

Selbstverständlich wird die Bank unter Berücksichtigung aufsichtsrechtlicher Vorgaben auch abwägen, ob die Kreditausfallrisiken bei der Ausreichung neuer Engagements oder der Erhöhung bestehender Kreditlinien vertretbar sind. Damit geht einher, dass auch eingeleitete oder beabsichtigte Sanierungsmaßnahmen stets gewissenhaft geprüft und überwacht werden müssen. Sind diese erkennbar nicht zielführend, weil etwa Prognosegrundlagen unrealistisch sind oder eine zu geringe Liquiditätsausstattung besteht, wird aus Bankensicht von neuen Krediten stets abzuraten sein. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Bank im Zweifel unverändert darauf dringen wird, ein Sanierungskonzept erstellen zu lassen. Der Darlehensnehmer sollte hierfür, auch wenn die entstehenden Kosten die angespannte Liquidität noch weiter belasten können, Verständnis aufbringen, da vielfach nur auf diesem Wege die Tragfähigkeit von Sanierungskonzepten belastbar bejaht werden kann.

Ist der Darlehensnehmer – trotz staatlicher Unterstützungsmaßnahmen, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden kann – nicht in der Lage, das Engagement ordnungsgemäß zu bedienen, ist zeitnah zu klären, ob eine Insolvenzantragspflicht besteht oder diese aufgrund der vorgenannten Sonderregelungen ausgesetzt ist. In diesem Zusammenhang ist auch aus Unternehmersicht möglichst rechtssicher zu dokumentieren, dass zum Stichtag 31. Dezember 2019 (noch) keine Zahlungsunfähigkeit bestanden hatte und Sanierungsbemühungen nicht endgültig zum Scheitern verurteilt sind. Die Inanspruchnahme einschlägiger Beratung wird dabei meist unumgänglich sein, da andernfalls das Risiko, am Ende doch gegen eine bestehende Insolvenzantragspflicht zu verstoßen und den daraus resultierenden Haftungsrisiken ausgesetzt zu sein, nicht vertretbar ist.

Ausschluss der Anfechtbarkeit bei Rückgewähr

Schließlich kann erwogen werden, soweit möglich, auftretende Liquiditätslücken oder Unterdeckungen durch Gesellschafterdarlehen zu schließen. Auch deren Hingabe ist gemäß Paragraf 2 Absatz 1 Nr. 2 COVInsAG privilegiert, wenn im Übrigen die Insolvenzantragspflicht gemäß Paragraf 1 COVInsAG ausgesetzt ist. Dadurch sollen Kapitalzuflüsse durch die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft erleichtert werden. Allerdings besteht von Seiten der Gesellschafter keine Verpflichtung, ein Darlehen zu gewähren, auch nicht im Hinblick auf die Treuepflicht.

Kernstück der Sonderregelungen zu Gesellschafterdarlehen ist der Ausschluss der Anfechtbarkeit bei deren Rückgewähr. Dies gilt wiederum nur für neue Gesellschafterdarlehen, die ab dem 1. März 2020 vereinbart und bis 30. September 2023 zurückgezahlt werden (Paragraf 2 Absatz 1 Nr. 2 COVInsAG). Daraus folgt, dass bei Gesellschafterdarlehen, die bereits zuvor vereinbart wurden, eine Anfechtung nach Paragraf 135 Absatz 1 Nr. 2 InsO nicht ausgeschlossen ist, auch dann nicht, wenn diese Gesellschafterdarlehen im Zeitraum zwischen dem 1. März 2020 und dem 30. September 2023 zurückgezahlt werden.

Bei Rückzahlungen nach dem 30. September 2023 gilt die Jahresfrist des Paragrafen 135 Absatz 1 Nr. 2 InsO vorbehaltlos und wirkt somit in den Privilegierungszeitraum hinein. Die Anfechtung der Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen nach Paragraf 135 Absatz 1 Nr. 2 InsO bleibt in diesen Fällen uneingeschränkt möglich. Die Privilegierung von Gesellschafterdarlehen ist daher, weil letztlich unvollständig ausgestaltet, rechtspolitisch kritisch zu sehen. Dies gilt umso mehr, als dass vorzunehmende Investitionen innerhalb eines Zeitraums von etwa drei Jahren vielfach nicht amortisierbar sind und daher eine Rückzahlung bis 30. September 2023 nicht verlässlich prognostizierbar ist. Die Hingabe von Gesellschafterdarlehen bleibt daher mit einem signifikanten Anfechtungs- und Ausfallrisiko verbunden.

Autor Ferdinand Unzicker ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in der Kanzlei Ammersbach Unzicker Rechtsanwälte, München.


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