Seit fast einem Jahr bestimmt das Coronavirus unseren Alltag und ein Ende der Pandemie ist noch immer nicht in Sicht. Je länger die Corona-Maßnahmen andauern, desto gravierender sind auch die Folgen für die Wirtschaft. Neben Produktionsausfällen und Absatzschwierigkeiten stehen viele Arbeitgeber vor der zusätzlichen Herausforderung, Betriebsabläufe „corona-konform“ zu organisieren.
Vielerorts sind die Hoffnungen groß, dass mit dem Beginn der Corona-Schutzimpfungen endlich der entscheidende Wendepunkt in der Pandemiebekämpfung erreicht ist und das Infektionsgeschehen sich in den kommenden Monaten spürbar entspannen wird. Zwar steht bislang noch nicht ausreichend Impfstoff zur Verfügung und die Reihenfolge der Impfungen ist streng nach Priorisierungsgruppen geregelt. Doch nach Aussage des Gesundheitsministeriums soll schon im zweiten Quartal allen Bürgern ein Impfangebot unterbreitet werden können.
Auch Arbeitgeber dürften also zuversichtlich gestimmt sein, dass die pandemiebedingten Einschränkungen in den Betrieben im Zuge der bundesweiten Impfkampagne ab dem Frühjahr schrittweise abgebaut werden können. Derzeit gibt es allerdings keine gesetzliche angeordnete Pflicht, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Können Arbeitgeber von ihren Mitarbeitern unter bestimmten Voraussetzungen dennoch eine Corona-Schutzimpfung verlangen? Haben sie wenigstens die Möglichkeit, Anreize für eine Impfung zu setzen oder geimpfte Mitarbeiter bevorzugt zu behandeln? Und was ist im Umgang mit Impfverweigerern zu beachten?
Auch am Arbeitsplatz gilt: Die Corona-Schutzimpfung ist freiwillig. Solange es keine gesetzliche Impfpflicht gibt, können Arbeitgeber daher nicht verlangen, dass ihre Mitarbeiter sich impfen lassen. Eine gesetzliche Impfpflicht besteht aktuell nur für die Masern-Impfung. Diese ist für bestimmte Berufsgruppen, wie Lehrer, Ärzte oder Pflegepersonal, seit dem 1. März 2020 verpflichtend. Bei der Corona-Schutzimpfung hat sich der Gesetzgeber bewusst gegen eine gesetzliche Impfpflicht entschieden und appelliert vielmehr an die Freiwilligkeit der Bürger, sich impfen zu lassen.
Zwar dürfen Arbeitgeber ihren Angestellten im Rahmen ihres Direktionsrechtes grundsätzlich Anweisungen, die das Arbeitsverhältnis betreffen, erteilen. Dazu können auch Maßnahmen des Gesundheitsschutzes zählen. So kann etwa ein Arbeitgeber bestimmte Mitarbeiter jedenfalls zeitweilig auf einen anderen Arbeitsplatz versetzen, um das Ansteckungsrisiko im Betrieb zu reduzieren. Zwangsimpfungen sind vom Direktionsrecht des Arbeitgebers allerdings nicht mehr umfasst, da sie in unzulässiger Weise in die Grundrechte der Arbeitnehmer eingreifen würden.
Anreize setzen, sich impfen zu lassen
Doch auch ohne gesetzliche Impfpflicht haben Arbeitgeber verschiedene Möglichkeiten, die Impfbereitschaft ihrer Mitarbeiter zu erhöhen. Nach den Erfahrungen vieler Personaler ist eine Impfskepsis häufig auf mangelnde Informationen über den neuen Impfstoff zurückzuführen. Dem können Arbeitgeber Abhilfe verschaffen, indem sie ihre Belegschaft rechtzeitig über den Ablauf und die Risiken der Corona-Schutzimpfung informieren. Dies könnte zum Beispiel im Rahmen einer Online-Informationsveranstaltung geschehen, bei der eine fachkundige Person, etwa ein Arzt, für die Fragen der Mitarbeiter zur Verfügung steht.
Außerdem können Arbeitgeber gezielt Anreize setzen, sich impfen zu lassen. In den USA haben bereits mehrere große Lebensmitteldiscounter, darunter die US-Ableger von Aldi und Lidl, angekündigt, geimpften Mitarbeitern eine Impfprämie auszuzahlen. Während Lidl Geimpften eine pauschale Bonuszahlung von 200 Dollar in Aussicht stellt, will Aldi eine Impfung mit der zusätzlichen Zahlung von je zwei Stundenlöhnen honorieren. Auch in Deutschland ist die Gewährung von Impfprämien grundsätzlich möglich. Neben Bonuszahlungen können diese sogenannten Impf-Incentives auch in Form von Sachgeschenken oder der Gewährung eines zusätzlichen Urlaubstages ausgestaltet sein.
Um eine hohe Impfquote in den Betrieben zu erreichen, können Arbeitgeber darüber hinaus eine reibungslose Durchführung der Corona-Schutzimpfung gewährleisten. So können sie ihren Mitarbeitern etwa ermöglichen, Impftermine auch während der Arbeitszeit in Anspruch zu nehmen, ohne dass es dadurch zu Lohnausfällen kommt. Grundsätzlich müssen Arbeitnehmer Arzttermine außerhalb der Arbeitszeit in Anspruch zu nehmen, sonst verlieren sie für die Zeit der Abwesenheit ihren Vergütungsanspruch. Etwas anderes gilt von Gesetzes wegen nur, wenn der Termin von der Behörde fest vorgegeben wurde und der Arbeitnehmer diesen nicht beeinflussen konnte. Welche Regelung für die Corona-Schutzimpfung gilt, ist von den jeweiligen Behörden vor Ort abhängig. Arbeitgeber, die die Impfbereitschaft ihrer Mitarbeiter erhöhen wollen, sollten allerdings in jedem Fall gewährleisten, dass eine Impfung auch während der Arbeitszeit möglich ist.
Arbeitgeber müssen beachten, dass sie den Impfstatus ihrer Mitarbeiter nicht ohne Weiteres abfragen dürfen. Nach den Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) dürfen solche „besonders schützenswerte Gesundheitsdaten“ vom Arbeitgeber nur unter strengen Voraussetzungen verarbeitet werden.
Eine Ausnahme gilt laut Infektionsschutzgesetz lediglich für Einrichtungen im Gesundheitswesen, wie etwa Krankenhäuser, Arztpraxen oder mobile Pflegedienste. Um Infektionen zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern zu vermeiden, steht Arbeitgebern in diesen Bereichen ein Fragerecht bezüglich der Impfbereitschaft ihrer Arbeitnehmer zu. Das bedeutet, dass Arbeitnehmer im Bewerbungsverfahren auf Nachfrage des Arbeitgebers ihren Impfstatus offenlegen müssen und der Arbeitgeber seine Entscheidung über die konkrete Art und Weise der Beschäftigung auch vom Bestehen eines ausreichenden Impfschutzes abhängig machen kann.
Fürsorgepflicht für alle Mitarbeiter
In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, was Arbeitgeber im Umgang mit bekannten Impfverweigerern beachten müssen. Schließlich müssen sie aufgrund ihrer Fürsorgepflicht für alle Mitarbeiter einen ausreichenden Schutz vor einer Ansteckung am Arbeitsplatz sicherstellen. Solange es pandemiebedingt erforderlich ist, müssen sie entsprechende Schutzmaßnahmen im Betrieb ergreifen und Betriebsabläufe gegebenenfalls umstrukturieren.
Der Chef eines mobilen Pflegedienstes aus Dessau machte kürzlich von sich reden, als er sieben Mitarbeiterinnen, die sich bis zu einer von ihm festgesetzten Frist nicht hatten impfen lassen, kurzerhand kündigte. Nach Ansicht des Pflegedienstleiters stellten die ungeimpften Mitarbeiterinnen eine nicht hinnehmbare Gefahr für die Patienten dar.
Zwar kann die Kündigung ungeimpfter Mitarbeiter in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Die Anforderungen an eine solche personenbedingte Kündigung sind allerdings hoch. Sie ist nur zulässig, wenn eine vertragsgerechte Beschäftigung aufgrund fehlender oder weggefallener persönlicher Eigenschaften nicht mehr möglich ist. Eine Kündigung kommt erst in Betracht, wenn im Betrieb dauerhaft keine Möglichkeit mehr besteht, ungeimpfte Mitarbeiter vertragsgemäß zu beschäftigten. Zuvor müssen Arbeitgeber also prüfen, ob ungeimpfte Mitarbeiter auf einen anderen Arbeitsplatz versetzt werden können oder mildere Mittel, wie zum Beispiel obligatorische Schnelltests, in Betracht kommen.
Ob im Fall aus Dessau die Kündigungen zurecht ausgesprochen wurden, wird gerichtlich wohl nicht mehr überprüft werden. Die gekündigten Mitarbeiterinnen haben allesamt erklärt, dass sie an einer Weiterbeschäftigung in dem Betrieb ohnehin kein Interesse mehr haben.
Autorin Inka Müller-Seubert ist Rechtsanwältin in der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.