Der Kriegsausbruch in der Ukraine hat die Welt in Schockstarre versetzt. Nach der immer noch andauernden Corona-Pandemie ist ein Krieg in Europa mit all seinen sozialen und ökonomischen Folgen eine immense gesellschaftliche Herausforderung. Selbstverständlich ist der Krieg vorrangig eine humanitäre Katastrophe. Dennoch schauen viele zugleich sorgenvoll auf die wirtschaftlichen Auswirkungen, denn hohe Energiepreise, Sanktionen gegen Russland, Rohstoffengpässe und steigende Inflationsraten behindern den nach Corona benötigten Aufschwung. Keine Frage: Der Krieg trifft sowohl die Menschen als auch die Wirtschaft empfindlich.
Wie aber steht es mit dem Immobilienmarkt, speziell in München? Ich möchte diese derzeit oft an mich herangetragene Frage nutzen, um eine generelle Bestandsaufnahme zu machen: Was sind die drängenden Probleme auf dem Immobilienmarkt der bayerischen Landeshauptstadt? Gibt es wirklich eine Blase? Und lohnt sich der Immobilienkauf in diesen Zeiten überhaupt noch?
Lageattraktivität und Risikoaversion als Nachfragetreiber
Es ist weithin bekannt, dass München viel zu bieten hat. Zwei Dinge jedoch finden sich nicht in der bayerischen Landeshauptstadt: 1.) ausreichend Wohnraum und 2.) große Überraschungen bei den Immobilienpreisen. Ungeachtet aller Krisen steigen die Preise Jahr um Jahr und erreichen neue Rekordwerte, der Nachfrageüberhang verschärft sich zunehmend. München ist deutschlandweit die teuerste Großstadt mit hohen sechs- und teilweise siebenstelligen Kaufpreisen sowie dem geringsten marktaktiven Wohnungsleerstand.
Warum ist das so? Die Menschen zieht es zum Wohnen nach München, weil die Wirtschaftskraft stark und es zudem attraktiv ist, in der Nähe der Berge und der bekannten Urlaubsziele zu leben. Das war schon immer so. Was jedoch seit über einem Jahrzehnt verschärfend hinzukommt, ist eine verstärkte Nachfrage nach Sachwerten durch Investoren und Privatanleger.
Diese begann mit der Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008, wodurch sich die schwelende Finanzkrise weltweit ausbreitete und sich ein Misstrauen bei volatilen Anlageformen breitmachte. Die Situation verschärfte sich durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank, die seit 2016 den Leitzins auf historisch niedrigem Niveau belässt und damit die klassischen Sparprodukte wie Anleihen und Bankanlagen faktisch wertlos gemacht hat – und erreichte im Jahr 2020 durch die Verunsicherungen in der aufkommenden Corona-Pandemie einen weiteren Höhepunkt.
Aktuell kommt durch den im Februar 2022 ausgebrochenen Ukrainekrieg eine Inflationsdynamik hinzu, sodass die Verunsicherung noch weiter zunimmt: Experten rechnen mit einer Steigerung der Inflation im laufenden Jahr auf bis zu 6 Prozent. Das wäre die höchste Rate seit 1982. Der Krieg und seine Auswirkungen auf das europäische Finanzsystem haben die EZB jüngst in ein Dilemma gebracht. Anders als die US-Notenbank Federal Reserve, die jetzt seit mehr als drei Jahren zum ersten Mal wieder eine Zinserhöhung vornahm, haben sich die europäischen Währungshüter dazu entschieden, die Anleihekäufe im Sommer einzustellen und voraussichtlich erst einige Zeit danach den historisch niedrigen Leitzins zu erhöhen. Und obwohl die Bauzinsen seit Beginn des Jahres angestiegen sind, befinden wir uns noch immer in einer Niedrigzinsphase, die die Altersvorsorge der Bürger weiterhin schmälert. Der Kapitalflucht in Sachwerte wie Immobilien an attraktiven Standorten gibt das weiterhin Auftrieb – auch wenn man bei derzeitigen Renditen von 1 bis 1,5 Prozent in der bayerischen Landeshauptstadt eigentlich nicht mehr von einer Kapitalanlage, sondern nur noch von einem Umwandeln von Geld in Steine sprechen kann. Aber dafür bietet München enorme Sicherheit.
Verfehlte Baupolitik trifft auf harte Realität
Der fehlende Platz deckt die durch die langjährigen Entwicklungen extrem stark gestiegene Nachfrage niemals ab. Trotz einer zuletzt erhöhten Zahl an Baugenehmigungen in München wird der neu gebaute Wohnraum in Zukunft nicht ausreichen, und das nicht nur wegen des fehlenden Platzes. Nicht nur die flächendeckende Auslastung der Baubetriebe, sondern auch die steigenden Baukosten wirken hier wie ein Bremsklotz für den Neubau. Schon im vergangenen Jahr sind die Baupreise aufgrund gestiegener Materialkosten – vor allem bei Holz und Stahl – um 6 Prozent gestiegen. Das war der stärkste Anstieg seit über 20 Jahren. Vor dem Kriegsausbruch hatte die Branche bereits mit einem weiteren Preisanstieg um 4 Prozent für dieses Jahr gerechnet. Kam es während der Pandemie schon zu Materialengpässen, führt der Krieg nun zu einem eklatanten Rohstoffmangel, der die Bauindustrie hart trifft. Das geht sogar bis zum Fehlen von Schra uben und Nägeln! Das bremst zahlreiche Bauprojekte empfindlich aus.
Immer deutlicher treten angesichts von scheinbar nicht enden wollenden Krisen die Konsequenzen zutage, wenn eine jahrzehntelang verfehlte, weil ideologiegetriebene Baupolitik auf die harte Realität trifft. Schon längst hätten die Verantwortlichen angesichts der Entwicklungen seit der Finanzkrise mit wegweisenden Entscheidungen größere Abhilfe schaffen können. Doch statt das kommunale Planungsrecht tiefgreifend zu reformieren und mit einer Bauleitplanung für ganze Metropolregionen eine erheblich größere Dimension an Wohnungsbau möglich zu machen, setzt man auf Symbolik und betreibt dadurch regelrecht Bauverhinderungsmaßnahmen. Denken wir nur an die Parkstadt Schwabing: Hier wollte die Argenta-Unternehmensgruppe bis zu 800 Wohnungen bauen, darunter auch geförderte. Weil der Investor nach fast zehn Jahren immer noch kein Baurecht dafür hatte, gab er diese Pläne auf und kündigte an, nach geltendem Ba urecht Büros errichten zu wollen. Die Bauarbeiten laufen, und nach der geplanten Fertigstellung 2024 wird dort Amazon als Hauptmieter einziehen.
Oder denken wir an die Neuregelung der Sozialgerechten Bodennutzung (SoBoN). Damit wurden Maßnahmen in Gang gesetzt, die für den privaten Wohnungsbau auf Dauer fatale Auswirkungen haben werden: Künftig müssen in großen Baugebieten 80 Prozent der neu gebauten Wohnungen Mietwohnungen sein, davon 20 Prozent frei finanziert. Die 60 Prozent der preisgedämpften Wohnungen haben nun eine erhöhte Bindungsdauer von 40 Jahren (statt wie bisher 25 Jahre). Nur noch 20 Prozent der gebauten Einheiten dürfen einzeln als Eigentumswohnungen verkauft werden. Zudem wird der Infrastrukturkostenbeitrag von 100 auf 175 Euro pro Quadratmeter Geschossfläche erhöht. Solche Restriktionen werden das Wohnraumproblem in München für alle verschärfen, weil sich der in Deutschland durch eine Vielzahl an Regularien und Auflagen ohnehin schon kostenintensive Wohnungsbau dadurch nochmals deutlich verteuert. Gleichzeitig können die Kosten nicht mehr aufgefangen werden, da die Refinanzierungsmaßnahmen wegbrechen. Jüngst haben diese Entwicklungen schon dazu geführt, dass das Unternehmen ECE sein Vorhaben, bis zu 700 Wohnungen neben dem Olympia-Einkaufszentrum zu bauen, aufgrund fehlender Wirtschaftlichkeit zurückzog.
Auch die Verschärfung des Vorkaufsrechts für Immobilien in Erhaltungssatzungsgebieten, durch das die Stadt in der Vergangenheit viel Geld aufbringen musste, war ein Schritt in die völlig falsche Richtung. Diese hohe Summe hätte man besser in den Bau von neuen Wohnungen investiert. Zumindest hat solche Steuergeldverschwendung mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom vergangenen Herbst jetzt erst mal ein abruptes Ende gefunden.
Gibt es eine Blase in München?
All diese Entwicklungen und Entscheidungen führen dazu, dass die Immobilienpreise in München zukünftig weiter steigen – zwar nicht flächendeckend, aber in bestimmten Segmenten. Trotz aller Studien und Warnungen sehe ich noch immer keine Blasengefahr in München, auch wenn jüngst die Bundesbank ihren jährlichen Alarm geschlagen hat.
Schon alleine den Begriff „Blase“ empfinde ich als zu dramatisch, denn er impliziert, dass es zwangsläufig zu einem krassen Einbruch der Immobilienpreise kommen wird. Davon ist aus mehreren Gründen nicht auszugehen.
Wie bereits ausführlich geschildert sind die Kaufmotivationen in München weder renditegetrieben noch spekulativ. Wer hier Eigentum erwirbt, möchte die Immobilie selbst nutzen oder sucht angesichts der globalen Krisen und der Inflationsgefahr eine sichere Altersvorsorge. Die Nachfrage ist also echt.
Deutsche Kreditinstitute haben strenge Vergabestandards bei Baufinanzierungen. Anders als die USA, in denen die Immobilienblase u.a. durch Subprime-Kredite aufgeblasen wurde und schließlich geplatzt ist, genehmigen die Banken hierzulande Kredite nur, wenn diese auch getilgt werden können. Die Finanzaufsicht BaFin hat angesichts der hohen Immobilienpreise jüngst noch strengere Regeln für die Kreditinstitute auf den Weg gebracht und die Einführung eines zusätzlichen Kapitalpuffers gefordert, der spezifisch Wohnimmobilien-Kredite absichert.
Die Bundesbanker betonen übrigens selbst, dass die Einschätzung der Wohnimmobilienpreise derzeit mit besonders hoher Unsicherheit behaftet ist – vor allem aufgrund der stark gestiegenen Baupreise.
Deshalb möchte ich bei dem Thema „Blasengefahr in München“ gerne eine Entwarnung geben.
Mein Fazit
Wohnimmobilien mögen als Kapitalanlage zwar durchaus anspruchsvoller geworden sein – sie sind aber wichtiger Bestandteil im Anlageportfolio. Das gilt besonders für Krisenzeiten. Deshalb wird die aktuelle Weltlage den Immobilienmarkt eher weiter stärken und den extremen Nachfrageüberhang in München noch verschärfen.
Die größten Herausforderungen bleiben meines Erachtens deshalb die Reformunwilligkeit bzw. die Fehlentscheidungen der Politik und die auch dadurch weiter steigenden Immobilienpreise. Es ist nämlich so, dass sich oft selbst Gutverdiener nur schwer Wohneigentum hier leisten können – und das ist wirklich sehr, sehr bedenklich.
Autor Thomas Aigner ist Geschäftsführer der Aigner Immobilien GmbH.