Na? Wie geht es Ihnen? Wo erwische ich Sie gerade? Ich möchte Ihnen heute einen Fall aus meiner Beratung* vorstellen, wie er mir am Fürstenberg Institut immer wieder begegnet:
Corona treibt unsere Gesellschaft auf vielen Ebenen auseinander. Auch in so manchem Team hat das letzte Jahr tiefe Gräben hinterlassen: Auf der einen Seite Kurzarbeit mit Aufstockung, auf der anderen eine überarbeitete Vollzeitkraft. Das schürt Neid – und manchmal sogar Missgunst, mit zum Teil unhaltbarem Verhalten. Setzen Sie als Führungskraft klare Grenzen!
Herr K. ist Führungskraft in einem mittelständischen Unternehmen. Seit vielen Jahren leitet er dort ein Team mit 25 Mitarbeiter*innen im mittleren Management. Sie sind ein eingeschworener Haufen – bis jetzt.
Das letzte Jahr war auch in ihrem Unternehmen geprägt von Corona, Lockdown, Homeoffice, Kurzarbeit und Quarantäne. In Folge von Ausfällen gab es Umstrukturierungen, Überbelastungen und damit zu spürbaren und sichtbaren Ungleichheiten.
Es kam auch zu Grüppchenbildungen und Zickereien – nun scheint ein Zwist zwischen Herrn L. und Frau S. allerdings zu eskalieren: Frau S. ist seit Corona überbelastet, hat zu Hause neben Homeoffice zwei Kinder von acht und zwölf Jahren zu versorgen. Herr L. dagegen wurde in Kurzarbeit mit Lohnaufstockung geschickt und leidet zunehmend unter Vereinsamung.
Frau S. äußerte Herrn K. gegenüber immer wieder mal Unmut darüber, dass sie bei gleichem Gehalt überlastet sei, wogegen Herr L. es sich bei fast gleichem Gehalt „gemütlich“ macht. Neuerdings nimmt ihr Neid jedoch nicht haltbare Formen an: Sie boykottiert die aktuelle Zusammenarbeit, gibt an, wichtige Informationen nicht erhalten zu haben, stichelt gegenüber Kolleg*innen gegen Herrn L., wie unfair die Lage sei und ähnliches.
Der Chef ist überrascht und schockiert darüber, war sie doch immer eher als „gute Seele“ in Erscheinung getreten. Herr K. ist ratlos, fühlt sich hilflos und irgendwie auch schuldig. Wie soll er damit umgehen? Irgendwie kann er Frau S. ja auch verstehen…
Da setze ich an: Corona ist uns allen passiert und nichts, was er in der Hand hat, so schön das auch wäre. Durch Corona ist innerhalb des Teams allerdings ein Ungleichgewicht entstanden, das in diesem Fall anhand von Frau S. Neidattacken sichtbar und für den Mitarbeiter Herrn L. sogar spürbar wird.
Aber ihr Verhalten „verstehen“? Stopp! Herr K. ist, obwohl er eine erfahrene Führungskraft ist, in eine typische Falle getappt, denn es gibt keinen „gerechten“ Neid. Allerdings gibt es zwei Ausprägungen von Neid, die sehr unterschiedlich betrachtet und behandelt werden müssen:
Es gibt den „konstruktiven Neid“, der den Wunsch einer Person bezeichnet, selbst mindestens gleichwertig im Vergleich zu der andere Person gestellt zu sein, in welcher Form auch immer. Es ist der Wunsch, selbst „ mehr“ zu besitzen. Diese konstruktive Form von Neid ist ein subjektives Gefühl und bedarf keines weiteren Einschreitens seitens Herrn K. Meint: Im vorliegenden Fall darf Frau S. die Lage empfinden wie sie möchte. Im Gespräch reicht es, zuzuhören, Lösungsansätze sind zumeist nicht nötig und sorgen eher für Distanz als für ein Gefühl des Gesehenwerdens. Diese Art Neid hört allerdings da auf, wo Manipulation, Ausgrenzung und Benachteiligung anfängt.
An diesem Punkt befindet sich Frau S. aktuell. Ab dort wird das „destruktiver Neid“ oder auch „Missgunst“ genannt. Hier hat die neidende Person den Wunsch, dass die beneidete Person auf ihre im Vergleich schlechtere Stellung „herabgezogen“ wird. Zu diesem Zweck wird alles versucht, um der anderen Person zu schaden: Der Kollege L. genießt in ihren Augen Privilegien, die ihr nicht zustehen. Nun nutzt sie gegenüber Herrn K. und ihren Kolleg*innen das Kriterium der „Fairness“, um ihr Verhalten zu rechtfertigen.
Aber genau hier liegt das Problem, wie ich Herrn K. verdeutliche: „In ihren Augen“ genießt Herr L. Privilegien – würden wir jedoch Herrn L. fragen, würde er liebend gerne Arbeit gegen Einsamkeit tauschen. Dennoch fühlt sich der betroffene Mitarbeiter laut Herrn K. auch „schuldig“ für seine vermeintlich „privilegierte Position“, weshalb er versucht hat, um die Schikanen herum zu arbeiten und Kolleg*innen zu besänftigen – dabei ist im eher zum Heulen zumute.
Als Führungskraft ist Herr K. nicht verantwortlich für die Beziehung zweier Mitarbeiter*innen, ich rate ihm jedoch, auf rein sachlicher Ebene umgehend derartige Sabotageakte, wie sie Frau S. mittlerweile an den Tag legt, zu unterbinden und Frau S. klare Grenzen aufzuzeigen. Im Weiteren bereiten wir die Einzelgespräche mit den beiden vor:
Herrn L. könnte er seine volle Unterstützung zusagen. Es ist nicht nötig, um Schikanen herum zu arbeiten oder Frau S. aus einem subtilen Schuldgefühl zu decken. Für die Corona-bedingten Zustände kann er persönlich nichts. Im Gespräch mit Frau S. ist es wichtig, zwischen ihrem subjektiven Gefühl von Neid, welches selbstverständlich erlaubt und sogar verständlich sein könnte und den daraus erwachsenen Taten zu unterscheiden.
Diese Tat ist anders als Neid nicht nur klar benennbar, sondern auch sanktionierbar. Während sich Neid als Gefühl weitestgehend äußerer Kontrolle entzieht – niemandem kann verboten werden, neidisch zu sein –, können neidgetriebene Handlungen ernste Konsequenzen nach sich ziehen.
Herr K. ist zufrieden. Was nimmt er aus der Sitzung mit, möchte ich wissen? Dass er nicht „schuld“ ist, und dass vor allem auch der Mitarbeiter Herr L. nicht „schuld“ ist. Dass auch das Neidgefühl von Frau S. nicht das Problem ist sondern vielleicht sogar verständlich – darüber möchte er mit ihr gerne reden. Es geht lediglich um ihre aus ihrem Neid resultierenden Taten. Mit dieser Klarheit kann er gut arbeiten, denn nun sind Person und Sache klar getrennt.
Hier meine Tipps für Sie:
- Klären Sie ab, inwieweit der Neid überhaupt ein Problem ist. Erst der „missgünstige“ destruktive Neid muss unterbunden werden.
- Bei konstruktivem Neid brauchen Sie keine Lösungen parat zu haben, es reicht, die Person in ihrer Lage zu sehen und ihre Gefühle anzuerkennen.
- Bei destruktivem Neid, also dem missgünstigen Neid, handeln Sie! Sofort. Kommunikation ist die stärkste Kraft bei Team-internen Konflikten. Nichts zu tun ist immer falsch.
- Lassen Sie bei destruktivem Neid in einem Vieraugengespräch keine Schuldumkehr zu: Niemand muss sich „klein“ machen, „weniger verdienen“ oder ähnliches.
- Setzen Sie als Führungskraft bei klar übergriffigem Verhalten der neidenden Person klare Grenzen und kündigen Sie einen Folgetermin an. So hat sie die Möglichkeit, in die Verhaltensänderung zu gehen. Dies hilft auch der Führungskraft, Person und Sache zu trennen und den Fokus von dem (für eine Führungskraft unmöglichen) Beweis einer Gleichwertigkeit auf das inakzeptable Verhalten zu verschieben.
*Der Fall wurde mit dem Einverständnis des Betroffenen anonymisiert.
Autorin Mareike Fell ist systemischer Coach und Heilpraktikerin für Psychotherapie und ist als Beraterin und Trainerin in der externen Mitarbeiterberatung für das Fürstenberg Institut tätig. Internet: www.fuerstenberg-institut.de