Alle bisher verfügbaren Covid-Impfstoffe wurden gegen die frühe Form des Coronavirus entwickelt, den sogenannten Wildtyp. Doch nun bestimmen mehr und mehr Varianten des Erregers die Pandemie, auch in Deutschland. Aber wie gut ist der Schutz genau bei den neuen Varianten?
Wie verbreitet sind welche Mutanten?
Mit einem Anteil von mehr als 90 Prozent an den untersuchten Proben dominiert derzeit die vor einiger Zeit zunächst in Großbritannien nachgewiesene Mutante B.1.1.7 das Infektionsgeschehen in Deutschland. Der zunächst in Südafrika nachgewiesene Erreger B.1.351 liegt nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) konstant bei bis zu 1 Prozent, die Variante P.1 – bekannt aus Brasilien – bei bis zu 0,5 Prozent.
Die neu als besorgniserregend eingestufte, zunächst in Indien entdeckte und inzwischen schon in Dutzenden Ländern kursierende Mutante B.1.617 hatte zuletzt einen Anteil von weniger als 2 Prozent. Die absolute Zahl liege weiter „nur im zweistelligen Bereich“ – zuletzt bei etwa 30 Fällen pro Woche, heißt es im RKI-Bericht vom vergangenen Mittwoch (12.5.). Der Anteil sei aber jüngst stetig gestiegen.
„Britische Variante“ B.1.1.7
Das Robert Koch-Institut (RKI) geht davon aus, dass die Wirksamkeit des Biontech-Impfstoffes bei dieser Mutante im Vergleich zum Wildtyp nicht sonderlich abgeschwächt ist. Darauf weisen unter anderem Ergebnisse von Analysen in Israel und Großbritannien hin. Das Präparat von Astrazeneca könne eventuell etwas weniger effektiv wirken, so das RKI. Die bisherigen Studien dazu seien allerdings nur „eingeschränkt aussagefähig“, da vergleichsweise wenige Fälle betrachtet worden seien.
„Südafrikanische Variante“ B.1.351
Laut RKI liegen zwar derzeit nur wenige Daten zu dieser in Deutschland selten vorkommenden Mutante vor, doch lassen diese auf eine „zumindest reduzierte Effektivität“ der Impfungen schließen. Nach einer Analyse in Katar kann der Biontech-Impfstoff bei B.1.351 schwere und tödliche Krankheitsverläufe aber sehr gut verhindern.
Das Astrazeneca-Präparat kann nach einer Studie in Südafrika, wo das Corona-Geschehen von B.1.351 dominiert wurde, eine symptomatische Erkrankung weniger wirksam verhindern als beim Ursprungsvirus.
Auch beim Mittel von Johnson & Johnson gibt es in den vorläufigen Daten nach Angaben der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) Hinweise, dass die Wirksamkeit vermindert sein könnte.
„Brasilianische Variante“ P.1
Diese vor allem in Brasilien verbreitete Sars-CoV-2-Variante ähnelt B.1.351. Dem RKI zufolge deuten experimentelle Daten auch hier auf eine reduzierte Wirksamkeit der Impfungen hin. Doch eindeutige Studiendaten gibt es noch nicht.
Eine britische Untersuchung von Mitte März kommt zu dem Ergebnis, dass die Astrazeneca- und Biontech-Präparate gegen P.1 wohl in etwa genauso wirken wie gegen die britische Variante – und damit besser als gegen die südafrikanische. Eine US-Studie von Mitte Februar wiederum ergab, dass die Vakzine von Biontech und Moderna bei P.1 und B.1.351 eine „signifikant verminderte“ Wirksamkeit haben könnten.
„Indische Variante“ B1.617
Nach RKI-Angaben deuten erste Laborexperimente darauf hin, dass die Wirksamkeit von Impfstoffen bei dieser Mutante nicht substanziell beeinträchtigt ist. Gesicherte Daten liegen aber auch hier noch nicht vor. Eine noch nicht von Experten begutachtete Studie aus Indien über den auf dem Subkontinent verwendeten Impfstoff Covaxin zeigt, dass dessen Wirksamkeit bei B.1.617 wohl zwar im Vergleich zum Wildtyp etwas vermindert sein könne, aber noch in etwa so gut sei wie bei B.1.1.7.
„Ein Grund zur Sorge, dass die Impfungen durch diese Virusvariante ihre Wirksamkeit verlieren, besteht aktuell nicht“, sagt Ende April der Leiter der Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung an der Berliner Charité, Leif-Erik Sander, dem Science Media Center.
Impfstoffe können angepasst werden
Doch ist eine möglicherweise verminderte Wirksamkeit mancher oder aller Impfstoffe bei Virusvarianten überhaupt ein Grund zur Sorge? Nicht wirklich, sagen Experten. Zum einen sehen sie vor allem den Schutz vor sehr schweren bis tödlichen Verläufen bei den derzeit im Fokus liegenden Varianten als weitgehend gegeben.
Zudem ließen sich gegen bedrohliche Mutanten rasch angepasste Impfstoffe für eine Auffrischungsimpfung entwickeln. Das entspräche dann in etwa dem Vorgehen wie bei der jährlichen Grippeimpfung. (dpa-AFX/ihreVorsorge)