Die Corona-Krise hat uns fest im Griff. Viele Anleger zeigen sich verunsichert, wir wollen nun weitere Orientierung geben. Dazu zählen Einschätzungen zu absehbaren volkswirtschaftlichen Folgen sowie Handlungsempfehlungen für den Vermögensschutz und -aufbau mit Aktien, Anleihen & Co. – auch bei nachhaltiger Ausrichtung. Eine Orientierung von Thorsten Schrieber, Vertriebsvorstand der DJE Kapital AG.
Ist die Corona-Krise einmalig bisher – womit lässt sie sich noch vergleichen?
Viele vergleichen die Krise mit der Finanzkrise von 2008/2009. Da sie auf exogene Einflüsse zurückzuführen ist, lässt sie sich damit aber nicht gleichsetzen. Allerdings war die Finanzkrise eine Blaupause dafür, wie auf globale Krisen reagiert werden kann. Zugleich haben wir mit einer Virus-induzierten Krise an sich noch keine wirklichen Erfahrungen. SARS 2002/2003 war nur ein vergleichsweise kleiner Vorbote und wurde eher als asiatisches, lokales Problem gesehen. Allerdings gibt es ein historisches Muster – und das ist das Jahr 1918. Die „Spanische Grippe“ hatte in zwei Wellen über 50 Mio. Opfer gekostet, überlagert vom ersten Weltkrieg. Dennoch: Von Globalisierung war damals natürlich noch nicht die Rede und die Vernetzung der Wirtschaft nicht vergleichbar wie heute. Insofern können wir nur wenig Rückschlüsse aus dieser Zeit für die heutige Wirtschafts- und Börsenentwicklung ableiten. Wir versuchen aber, gewisse Szenarien für unsere aktuelle Lage zu entwickeln. Der demographische Wandel, mit einer Überalterung der Bevölkerung in Westeuropa, scheint Krisen, die durch globale Infektionen ausgelöst werden, wahrscheinlicher zu machen. Man wird daher nach der Bewältigung der COVID-19 Krise insbesondere darüber befinden, wie auf solche Pandemien reagiert werden kann, also ob das Gesundheitswesen anders und neu strukturiert werden muss – und wie mit solchen umfassenden Krisen global abgestimmter umgegangen wird.
Mal vorausgeschaut: Welche Folgen und Phänomene bleiben?
Es wird in Teilen zu einer De-Globalisierung kommen. Bestes Beispiel sind die USA unter Donald Trump. Ähnlich wie bereits in der Landwirtschaft werden systemrelevante Teile der weiteren Wirtschaft, wie das Gesundheitswesen und die Medizintechnik, vermehrt innerhalb der Landesgrenzen produzieren. So werden zum Beispiel Antibiotika, die bislang in China produziert werden, um lediglich einen kleinen Kostenvorteil zu erringen, wieder an Heimatstandorten hergestellt. Werte wie Sicherheit und Nachhaltigkeit gewinnen begleitend an Bedeutung.
Wie ist das schwächste Glied der Eurozone, Italien, zu beurteilen?
Denkbar wäre, den europäischen Anleihenmarkt zusammenzubringen, um so eine Konvergenz der Zinsen zu erreichen. Die starken Länder müssen den schwachen helfen. Das ginge, indem die Europäische Zentralbank (EZB) beispielsweise alle Anleihen bis zu einem Zins von 0,3 Prozent für 10-jährige Titel aufkaufen würde. Schon die Ankündigung würde die Zinsen massiv senken. Käufe der EZB wären gar nicht notwendig. Sonst wäre eine mögliche Konsequenz, dass Italien aus dem Euro aussteigen würde. Europa muss jetzt zusammenrücken, wenn man den Euro erhalten will.
Können Anleger jetzt wieder in die Aktienmärkte einsteigen oder sollten sie abwarten?
Wenn wir die Corona-Krise kurz ausblenden und uns nur auf die Ökonomie konzentrieren, sieht man, dass wir noch für sehr lange Zeit ein Zinsniveau am Nullpunkt haben werden – und die Märkte aktuell und zukünftig mit Liquidität geflutet werden. Ob privater oder institutionelle Anleger: Man wird nicht an Aktien vorbeikommen, sei es für die private Altersvorsorge oder eben dauerhaft im Rahmen von Vorsorgeeinrichtungen. Bei der Aktienauswahl kommt es natürlich auf Solidität, geringe Verschuldung, Substanz und nachhaltige Dividendenorientierung an. Im Rahmen des aktuellen staatlichen Maßnahmenkatalogs ist auch zu beobachten, ob in gewissen Bereichen der Wirtschaft inflationäre Tendenzen auftreten. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht schlüssig ist: Geht man davon aus, dass die aktuelle Krise auch zu einer De-Globalisierung führt, dann können die staatlichen Liquiditätsspritzen auf ein eingeschränktes Angebot treffen und zu Preissteigerungen führen. Historisches Muster wäre hier die Ölkrise 1973.
Ausgehend von der Fragestellung ob jetzt der richtige Zeitpunkt sei wieder einzusteigen, lässt sich dies nicht verkürzt mit ja oder nein beantworten. Niemand hat dazu eine Patentlösung, zumal die weitere Entwicklung der Pandemie und deren ökonomische Auswirkungen offen sind. Anleger, die mittel- bis langfristig auf Teile ihres Vermögens nicht zugreifen müssen, können jetzt über aktive Multi-Asset Fonds wie den DJE Zins & Dividende vorsichtig an Marktpotentialen teilhaben.
Wie sind aktuell die Aussichten für nachhaltige Investments?
Die aktuelle Lage zeigt, wie vernetzt und abhängig wir alle voneinander sind. Die Rücksichtnahme auf andere hilft letztlich jedem von uns. Denn nachhaltiges Handeln und Investieren bedeutet im Prinzip nichts anderes, als nicht auf Kosten der kommenden Generation oder anderer Menschen zu leben und orientiert sich am Prinzip der umfassenden Rücksichtnahme. Einige Unternehmen gehen derzeit mit besonderen Anstrengungen vorbildlich voran. So stellt ein großer Parfumhersteller auf Desinfektionsmittel um – und ein Automobilzulieferer baut eine Produktion für Beatmungsgeräte auf. Zudem gibt es eine weltweit zunehmende Fokussierung der führenden Impfstoffhersteller auf den Corona-Impfstoff. Diese flexiblen Anpassungen sind richtig und wichtig. Wir bewerten gerade diese Unternehmen noch ein Stück besser als zuvor unter Nachhaltigkeitsaspekten.
Wie sehen Sie Gold als Investment – ist es eher eine Depot-Versicherung?
Auf lange Sicht mit Potenzial. Kurzfristig ist Gold unter Druck, da viele Marktteilnehmer in Gold investiert waren und es noch sind. Es war viel Euphorie im Markt. Die Nachfrage hingegen aus Indien und China ist schwach. Große Finanz-Investoren sind in Gold überinvestiert. Langfristig wird das viele Geld, das die Notenbanken dem Markt zuführen, inflationär wirken – dann könnte sich Gold wieder stark erholen. Derzeit eignet sich Gold nur bedingt als Depot-Absicherung. Das konnte man auch 2008 beobachten. Damals mussten viele Investoren verkaufen. Wir empfehlen aber Gold längerfristig als Inflationsschutz.
Was gilt für Anleihen?
In Bundesanleihen sollte man restriktiv investieren, da diese im Kurs stärker fallen könnten, sofern es zu einer Zinsangleichung in Europa kommt. Dann wären die Anleihen Italiens und Spaniens interessant.
Und wie hält es sich mit Aktien?
Aktien sind jetzt im Gegensatz zu Anleihen erste Wahl. Viele Titel sind günstig. Man muss allerdings wohl überlegt und sehr selektiv vorgehen. Gesundheitstitel und gute Konsumwerte sind attraktiv. Pharmatitel waren schon vor der Krise gedrückt, unter anderem in den USA, wo die Politik Pharma-Preise senken wollte. Versorger gehören ebenso ins Depot, diese Aktien hatten auch vorerst vergleichsweise geringe Kursrückgänge.
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