Jedes Unternehmen wird früher oder später Opfer eines Cyberangriffs, warnt der IT-Branchenverband Bitkom. Lag der dadurch entstandene Schaden in 2018/19 bei 103 Milliarden Euro, verdoppelte sich die Summe in 2022 nahezu auf 203 Milliarden Euro.[1] Dabei nahmen im dritten Quartal 2022 die globalen Angriffe im Vorjahresvergleich um 28 Prozent zu. Am 27. Februar, drei Tage nach dem offiziellen Kriegsbeginn in der Ukraine, vermeldete Check Point Research einen Anstieg der Cyberattacken auf den militärischen und staatlichen Sektor der Ukraine um 196 Prozent.[2] Doch nicht nur kriegsbedingte Angriffe prägten das vergangene Jahr. Laut einem IBM-Report hatten Unternehmen, die künstliche Intelligenz und Automatisierung bei der Erkennung von potenziellen Bedrohungen und Lücken einsetzen, einen um 74 Tage kürzeren Zyklus bei einer Datenschutzverletzung und konnten durchschnittlich drei Millionen US-Dollar mehr einsparen.[3] Diese Entwicklungen deuten darauf hin, dass das Bedürfnis nach Cyberabwehr in den nächsten Jahren in Unternehmen immer zentraler werden wird.
Cyberaktien vom Tech-Meltdown nur kurzfristig betroffen
Wie auch viele andere Technologiewerte verzeichneten Aktien aus dem Bereich der Cybersicherheit in der Anfangsphase der Coronapandemie eine starke Nachfrage sowie Marktwachstum, wie Shanna Strauss-Frank, Deputy Sales Director bei der Investmentgesellschaft Freedom Finance Europe, erklärt: „Mit der Verlagerung hin zu digitalen Arbeitsformen haben die Bedenken hinsichtlich der Notwendigkeit von Cybersicherheitsmaßnahmen zugenommen.“ In den letzten Monaten wendete sich jedoch das Blatt: Erwartungen der Investoren konnten nicht erfüllt werden, die Fed hievte den Leitzins nach oben und Unternehmen aus der Technologiebranche verzeichneten Umsatz- und Kurseinbrüche. Ob Werte aus der IT-Sicherheit durch diese Entwicklung schwächeln? Dazu Strauss-Frank: „Cybersecurity-Aktien zählen zum Segment der Wachstumswerte und diese sind die Ersten, die unter einer Zinserhöhung zu leiden haben. Trotz des vorübergehenden Abschwungs können sie langfristig betrachtet interessant sein, denn die derzeitige Schwäche schafft Möglichkeiten für den Aufbau von Positionen. Und wenn sich die Aktienmärkte allgemein erholen, können Wachstumswerte zu den Spitzenreitern gehören.“
Steigende Komplexität könnte Höhenflug dämpfen
So sei laut Strauss-Frank zu erwarten, dass der globale Markt für Cybersicherheit zwischen 2022 und 2027 mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 8,9 Prozent wächst – und bis dahin einen Wert von 266 Milliarden US-Dollar erreicht. Doch Strauss-Frank warnt: „Man kann davon ausgehen, dass Cyberangriffe in den nächsten Jahren komplexer werden. Das stellt die Implementierung von Sicherheitslösungen vor neue Herausforderungen und könnte das Marktwachstum behindern.“ Die künftige Entwicklung des Marktes hängt auch stark von politischen und gesellschaftlichen Anspannungen ab. Beispielhaft hierfür sind die Hackerangriffe bei den US-Wahlen 2020 sowie der gravierende Anstieg von Cyberattacken auf das Gesundheitswesen im Zuge der Pandemie.
Innovation als elementare Überlebensstrategie
Auch stellt sich die Frage, ob am Cyber-Markt wie in der Technologiebranche einzelne Big Player den Markt zu dominieren wissen. „Sicherlich gibt es einige gut etablierte und große Akteure, es lassen sich aber auch eine beträchtliche Anzahl kleinerer, spezialisierter Unternehmen finden, die erfolgreich sind, indem sie sich mit innovativen Produkten und Leistungen auf bestimmte Marktbereiche konzentrieren“, meint Strauss-Frank. In der Branche sei es unerlässlich, mit den neuesten Trends mitzuhalten, potenzielle künftige Bedrohungen zu erkennen und ständig Innovationen vorzunehmen, um der Konkurrenz voraus zu sein. Für eingesessene Betriebe kann dies eine Herausforderung sein, wenn ihre Prozesse veraltet sind. Kleinere, agilere Cybersecurity-Anbieter könnten womöglich schneller auf Entwicklungen reagieren. Deswegen übernahm beispielsweise der Big Player am Markt für Cloud-Security Palo Alto Networks in den letzten Jahren über ein Dutzend junger Cloudentwickler.
Bedeutsame Cybersicherheit-Anbieter und Aktien
Sowohl für Einzelpersonen als auch für Organisationen ist die Cybersecurity eine wachsende Notwendigkeit und wirksame Sicherheitsmaßnahmen nehmen eine hohe Priorität ein. „Privatpersonen nutzen demnach immer häufiger Antivirensoftwares oder VPNs. Auch Cloud-basierte Dienste zum Schutz der eigenen Geräte wie zum Beispiel ein Passwortmanager sind hier beliebt. Unternehmen hingegen benötigen oftmals komplexere Sicherheitsmaßnahmen“, erklärt Strauss-Frank und verweist auf weitere erwähnenswerte Cybersicherheitsaktien: „Umsatztechnisch ist neben Palo Alto Networks auch der Softwareanbieter Fortinet eines der profitabelsten IT-Security-Unternehmen. Beide Unternehmen prognostizieren für die kommenden Jahre ein Umsatzwachstum im zweistelligen Prozentbereich.“ Auch CrowdStrike Holding und Zscaler sind laut Strauss-Frank Cloud-Anbieter mit Potenzial. Abschließend ergänzt sie: „Die Identitätsmanagement-Software von Okta könnte in einer zunehmend mobilen und cloudbasierten Welt sehr gefragt sein.“
[1] https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Wirtschaftsschutz-2022#item-16370-close
[2] https://blog.checkpoint.com/2022/10/26/third-quarter-of-2022-reveals-increase-in-cyberattacks/