Herr Lamsfuß, wir gehen auf das Jahresende zu: Wie läuft das Geschäft in diesem doch sehr herausfordernden Jahr für die BarmeniaGothaer?
Lamsfuß: Erstaunlich gut. Und da möchte ich unseren Vertriebsmitarbeitern ein großes Kompliment machen. Es ist nicht selbstverständlich, dass wir in einem Jahr, in dem wir uns sehr intensiv mit dem Zusammenschluss beschäftigt haben und das auch sehr viele Ressourcen gebunden hat, trotzdem im Markt erfolgreich unterwegs sind. Aber genau das war für uns ein ganz wichtiges Projektziel dass wir in den jeweiligen Barmenia- und Gothaer- Welten am Markt bleiben und uns nicht nur mit uns selbst beschäftigen. Das ist uns hervorragend gelungen. Wir haben neue Absatzrekorde – sowohl bei der Gothaer als auch bei der Barmenia. Darauf sind wir sehr stolz.
Sie sind seit Herbst 2014 Vorstand für Vertrieb, Marketing und IT bei der Barmenia. Nun sind Sie Vertriebsvorstand der BarmeniaGothaer. In unserem ersten Interview im Jahr 2014 sagten Sie, dass Sie sich über jede neue Aufgabe und Herausforderung freuen. Wo sind die vordringlichsten Aufgaben in den kommenden Monaten?
Lamsfuß: Es ist eine extrem spannende Zeit und ich lerne jeden Tag dazu. Wir haben jetzt die Aufgabe, die Fusion, die wir jetzt formal vollzogen haben, auch umzusetzen und dem Markt zu beweisen, dass die BarmeniaGothaer eine richtig gute Idee ist.
An der Spitze der Vertriebswege stehen künftig Michael Albrecht als Leiter des Makler- und Kooperationsvertriebs, Patrick Vehoff als Leiter des Außendienstes der Barmenia, Thomas Berg verantwortet den Exklusivvertrieb der Gothaer, Fynn Monshausen leitet den Bereich Digitalvertrieb und -service. Wie viele Vertriebspartner hat der gemeinsame Konzern künftig?
Lamsfuß: Das muss man nach Vertriebskanälen unterscheiden. Im eigenen Vertrieb haben wir rund 4.500 Vertriebspartner. Im Maklervertrieb sind es deutlich über 10.000 Maklerinnen und Makler. Hier kommen zwei Häuser zusammen, die eine starke Historie im Maklervertrieb haben und sich wirklich um den Maklervertrieb kümmern. Und dann haben wir noch die Vertriebsunterstützung und all die Bereiche, die im Hintergrund arbeiten. Das sind noch einmal 700 Menschen. Wir sind ein großes, starkes Team.
Wie viele kommen von der Barmenia, wie viele von der Gothaer?
Lamsfuß: Im eigenen Vertrieb sind es rund 1.400 Partnerinnen und Partner aus dem Vertrieb der Gothaer, der Rest kommt aus dem Vertrieb der Barmenia. Dort sind wir zweigeteilt unterwegs. Einmal mit dem Exklusivvertrieb: Dort sind es knapp 1.250 Personen und in den Vertriebsorganisationen sind es knapp 2.000.
Und dabei handelt es sich ausschließlich um 34d Vermittler?
Lamsfuß: Es sind alles Ausschließlichkeitsvermittler der BarmeniaGothaer.
Welchen Anteil des Neugeschäfts machen Netto-Tarife für Honorarberatungsmodelle aus?
Lamsfuß: So gut wie keine. Unsere drei großen Vertriebswege sind der eigene Außendienst, der Maklervertrieb und auch im Direktvertrieb sind wir sehr erfolgreich unterwegs. Wobei ich hier ausdrücklich betonen möchte, dass wir kein Direktversicherer sind, sondern dass es hier eher um den direkten Weg zum Kunden geht.
Das heißt?
Lamsfuß: Dort verfolgen wir einen Omnikanal-Ansatz. Das heißt, wir bieten dem Kunden, der online zu uns gekommen ist, auch aktiv Beratung über unseren Vertrieb an.
Die Exklusivvertriebe und Vertriebsorganisationen bleiben vorerst nebeneinander bestehen. Bis wann werden die Organisationen zusammengeführt?
Lamsfuß: Wir wollen, das haben wir immer betont, ein Unternehmen werden. Wir sind jetzt die BarmeniaGothaer. Insofern streben wir auch hier den Zusammenschluss an. Man muss aber auch sehen, dass wir sowohl auf Seiten der Barmenia mit dem Exklusivvertrieb als auch auf Seiten der Gothaer mit dem selbstständigen Außendienst und den Vertriebsorganisationen sehr erfolgreiche, gewachsene Vertriebseinheiten haben. Da wir die Stärken bündeln wollen, werden wir das behutsam tun und müssen genau schauen, wie wir das miteinander verzahnen. Wir hoffen, dass wir die Vertriebe bis 2026 zusammenführen können. Das ist eine große Aufgabe.
Gibt es Vorbehalte? Denn nicht immer liefen Fusionen in der Vergangenheit reibungsfrei?
Lamsfuß: Nein, wir sehen keine Widerstände. Natürlich ist jeder Vertriebsweg zu Recht sehr stolz auf das Erreichte und die Entwicklung, die er bislang genommen hat. Es ist vor allem auch eine kulturelle Aufgabe, die Vertriebswege zusammenzuführen. Aber man muss ehrlich sagen, dass wir von der Distribution getrieben werden. Der Zeitdruck kommt eher vom Vertrieb und nicht so sehr von den Unternehmen. Der Vertrieb steht der Zusammenführung sehr offen gegenüber. Und auch in den Social Media Kanälen wird die neue Marke BarmeniaGothaer schon sehr häufig verwendet. Das zeigt uns, dass der Vertrieb bereit ist, diesen Weg mitzugehen. Jetzt müssen wir die operativen Themen angehen.
Stichwort neue Marke. Was genau soll dieses Symbol darstellen. Eine aufgehende Sonne?
Lamsfuß: Das ist der BarmeniaGothaer Sparkle. Das Logo leitet sich aus unseren Markenkernwerten ab. Menschlich, passioniert und zukunftsweisend. Genau das haben wir stilistisch zusammengeführt und so ist der BarmeniaGothaer Sparkle entstanden. Auch die Farbe ist letztlich eine Ableitung aus der Stärke beider Marken. Aus dem Gothaer Blau ist ein Darkblue geworden. Aus dem Barmenia Cyan haben wir Skyblue entwickelt. Mit Lavendel haben wir eine sehr moderne, vertrauenserweckende Farbe hinzugefügt, weil wir mit dem neuen Markenauftritt ein Signal des Aufbruchs setzen wollen. Wir wollten eine moderne Marke schaffen, wir wollen in die Zukunft gehen. Insofern ist es eine Mischung aus dem Bewahren alter Stärken und neuen, mutigen Farben, also ein Aufbruch.
Die Produktpaletten werden in den kommenden Monaten aufeinander abgestimmt. Ab wann können die Ausschließlichkeitsvermittler sowohl Barmenia- als auch Gothaer-Produkte vermitteln?
Lamsfuß: Hier haben wir eine Roadmap definiert, die uns den Fahrplan vorgibt. Wir haben heute schon viele Produkte in der gegenseitigen Beratung. In der Roadmap orientieren wir uns an der technischen Machbarkeit, an der Zusammenführung, aber auch daran, was wir in der Produktpipeline haben. Jedes neue Produkt steht allen Vertriebswegen zur Verfügung. Aktuell haben wir das erste gemeinsame Produkt, unsere neue Fondsrente, im Rahmen der DKM vorgestellt und auf den Markt gebracht. Auch sie steht allen Vertriebswegen zur Verfügung.
Wie sieht es in der PKV und im Gewerbe aus?
Lamsfuß: Im Segment Gesundheit haben wir bereits heute die Barmenia Beamtenabsicherung und die Heilfürsorge für den Vertrieb der Gothaer zugänglich gemacht und den Impat-Tarif der Gothaer für den Barmenia-Vertrieb geöffnet. Im ersten Quartal des kommenden Jahres streben wir dann eine Harmonisierung der Produktwelten in der Sparte an.
Im Gewerbegeschäft setzen wir auf die Expertise der Gothaer, die dort sehr stark ist. Gewerbe Protect, das extrem flexible, modular aufgebaute Gewerbeprodukt der Gothaer, haben wir schon vor der Fusion im Rahmen einer Ventillösung im Barmenia-Außendienst eingesetzt und hatten damit einen Startvorteil. Heute verkaufen wir es bereits über alle Vertriebswege.
Und wann wird jedes Produkt in jeder Sparte verfügbar sein?
Lamsfuß: Im Laufe des nächsten Jahres. Wobei ich sagen muss, dass es nicht von jedem Bereich und von jedem Produkt nur noch ein Exemplar gibt. Vielmehr haben wir die Produkte wechselseitig sortiert. Das heißt: Unser eigener Vertrieb hat sein Produktportfolio und der Maklervertrieb hat sein Produktportfolio. In der Kompositsparte werden wir dauerhaft mit zwei Risikoträgern am Markt sein und damit auch unterschiedliche Produktwelten anbieten.
Wieso mit zwei Risikoträgern?
Lamsfuß: Die bisherige Gothaer Allgemeine wird das Industrie- und Gewerbesegment sowie die eigenen Vertriebe, also die komplexeren Produktwelten, bedienen. Der Risikoträger Barmenia Allgemeine wird für den Maklermarkt und das digitale Geschäft sowie die Tierversicherung zuständig sein. Es wird in Komposit also künftig eine Zwei-Marken-Strategie geben.
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