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BarmeniaGothaer: „Zwei Häuser, die eine starke Historie im Maklervertrieb haben“

Zurück zur Eingangsfrage: Lassen Sie uns bitte die drei Sparten einzeln anschauen. Wie läuft es in Bereich Leben, wie im Sach-Privat, wie im Gewerbesegment und wie in der PKV?

Lamsfuß: Das ist erfrischend unspektakulär, weil es in allen drei Sparten sehr gut läuft. In der Lebensversicherung sind wir sowohl im Bereich der Biometrie und der Berufsunfähigkeit extrem erfolgreich, als auch in der Altersvorsorgeberatung.  Dort verzeichnen wir neue Rekordwerte im Neugeschäft. Daran wollen wir mit der neuen fondsgebundenen Rentenversicherung anknüpfen. Im Segment Private Krankenversicherung sind wir in der Zusatzversicherung bei beiden Risikoträgern, also Barmenia und Gothaer, hervorragend. Und auch in der Vollversicherung werden wir in diesem Jahr unseren Bestand deutlich ausbauen können. Auch hier sind wir also erfolgreich. Gleiches gilt für das private Kompositgeschäft. Und was das Gewerbegeschäft angeht: Da ist die Gothaer Allgemeine sehr überzeugend. 

Sie sprachen gerade die Fondspolicen an. Wir sehen 2025 erstmals nach 30 Jahren wieder einen Anstieg des Höchstrechnungszinses. Erwarten Sie, dass sich Kunden dann wieder stärker Produkten mit höheren Garantieanteilen zuwenden?

Lamsfuß: Zunächst einmal ist es wichtig, dass wir zum Beispiel in unserer neuen fondsgebundenen Rentenversicherung den Kundinnen und Kunden die Erhöhung schon heute garantieren und das im Rentenfaktor berücksichtigen. Ansonsten halten wir es nicht für sinnvoll, dass der Kunde auf ein hohes Garantieniveau geht, schon gar nicht auf 100 Prozent. Es ist schön, dass der Höchstrechnungszins steigt, aber attraktiv ist das noch nicht. Wir sollten zwar schon darauf achten, dass wir die Balance zwischen Chance und Sicherheit, die wir mit den fondsgebundenen Produkten gefunden haben, auch abbilden. Eine Abkehr von der chancenorientierten Altersvorsorge sehen wir aber nicht.

Die geplante Reform der privaten Altersvorsorge ist Vergangenheit? Welche Reformforderungen haben Sie an die kommende Bundesregierung?

Lamsfuß: Ich war zwiegespalten über das, was geplant war. Positiv ist, dass Bewegung in das Thema gekommen ist. Ich glaube, das Schlimmste wäre, wenn gar nichts passiert und die Bevölkerung das Signal bekommt, dass man sich um nichts kümmern muss. Insofern war es gut, dass das Thema aufgegriffen wurde. Kritisch war für uns das Thema „Auszahlungsplan“. Es wurde von der Politik suggeriert, dass es ausreicht, die Altersvorsorge bis zum 85. Lebensjahr zu planen. Wir haben heute schon 2,7 Millionen Menschen, die über 85 Jahre alt sind. Wenn man sich anschaut, wie sich die Lebenserwartung entwickelt, sieht man schnell, dass zwei Drittel aller Frauen, die heute 65 Jahre alt sind, älter werden als 90. Und zwei Drittel aller Männer, die heute älter als 67 sind, werden älter als 85.

Die Frage ist: Was macht die Politik, wenn am Ende des Geldes noch so viel Leben übrig ist? Die nun geplatzte Reform wäre dem Ziel nicht gerecht geworden. Das Thema Leibrente bedeutet, bis zum Lebensende abgesichert zu sein. Das nicht sicherzustellen, sehen wir sehr kritisch. Damit tun wir den sozialen Sicherungssystemen in Deutschland keinen Gefallen. Es wäre gut für Deutschland und für die so wichtige soziale Absicherung der Gesellschaft, wenn sich die Politik nach der Wahl endlich dieses Problems annehmen würde. Wir sehen gerade, dass das Rentensystem an seine Grenzen stößt. Insofern hoffe ich, dass 2026 tatsächlich erste Schritte gemacht werden.

Auch das Altersvorsorgedepot wird es erst einmal nicht geben: Welche Auswirkungen erwarten Sie für die Fondspolicen, wenn es in ähnlicher Form doch käme?

Lamsfuß: Das ist schwierig einzuschätzen. Erst einmal wäre es wichtig, dass die Kunden gut beraten würden und die Beratung für die Altersvorsorge sowie für den richtigen Mix der verschiedenen Bausteine korrekt erfolgte. Das wäre das A und O einer guten Altersvorsorge. Ein Altersvorsorgedepot könnte, wenn es gut gemacht wäre, eine solide Basisabsicherung darstellen. Ich glaube, dass wir mit unserem Drei-Schichten-Modell dort gut unterwegs wären. Insofern gäbe es andersgelagerte Chancen. Aber klar wäre, dass der Beratungsbedarf steigen würde. Wichtig ist vor allem, dass überhaupt Altersvorsorge betrieben wird. Denn es darf in keinem Fall dazu kommen, dass die Bevölkerung aufgrund der politischen Unsicherheiten abwartet. Denn dann wäre ein weiteres wichtiges Jahr in der Altersvorsorge verschenkt.

Welche Vorteile bringt die digitale Rentenübersicht für den Vertrieb?

Lamsfuß: Ich halte Transparenz für wichtig. Es ist gut, wenn die Kunden einen Gesamtüberblick über ihre Situation im Alter bekommen. Gute Makler machen das heute schon für ihre Kunden in der Altersvorsorgeberatung und erfassen bereits den kompletten Status. Ich glaube nicht, dass es hier große Veränderungen geben wird. Grundsätzlich ist es aber so, dass mehr Transparenz gut ist und die Sensibilität für das Thema und die Wichtigkeit der Altersvorsorge erhöht. Insofern sehe ich das positiv.

Die Retail Investment Strategy könnte zum 1. Januar 2028 in Kraft treten. Erwarten Sie, dass damit auf die Versicherungsmakler ein potenzielles Provisionsverbot für die Beratung und Vermittlung zu versicherungsbasierten Anlageprodukten zukommen könnte?

Lamsfuß: Ich hoffe, dass diese Diskussion endlich ein Ende hat. Denn wir diskutieren immer nur über die Kosten, aber nicht über die Leistungen. Wir diskutieren zudem auch ein Stück weit an den Menschen und den Kunden vorbei. Es geht weniger um den Preis als um die Leistung. Gute Beratung ist auch ihr Geld wert. Das kommt mir in der Diskussion zu kurz. Ich glaube, für die Sicherung des Wohlstands in Deutschland wäre es fatal, wenn es zu einem Provisionsverbot käme.

Das BRSG hat nicht den Schub gebracht, den sich Politik und Branche erhofft haben. Jetzt kommt eventuell noch das BRSG 2. Wird es einen Vertriebsimpuls in der bAV bringen?

Lamsfuß: Das ist ein wichtiges Thema und wird in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Insofern sehe ich alles, was die bAV voranbringt und die Durchdringung fördert, erst einmal positiv. Wir gehen fest davon aus, dass wir dadurch noch einmal einen Schub in der Beratung bekommen und gerade bei den kleineren Unternehmen die Durchdringung erhöhen können. Bei den großen Unternehmen haben wir tarifvertragliche Lösungen und bereits eine hohe Durchdringung. Aber gerade bei den Freiberuflern und den kleinen Firmen wäre das eine gute Sache.

Warum hapert es das immer noch?

Lamsfuß: Ich glaube, dass es schon besser geworden ist. Aber wir haben immer noch eine Lücke zu schließen. Natürlich würde eine Pflichtversicherung helfen, die Durchdringung zu erhöhen. Aber letztlich sind es Entscheidungen, die in den Unternehmen getroffen werden.

Bemerken Sie, dass angesichts der doch sehr unsicheren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Unternehmensleitungen ihre Entscheidungen zugunsten der bAV derzeit zurückstellen?

Lamsfuß: Die Befürchtung ist, dass von der Politik noch wenig Signale kommen, um die Wirtschaft voranzubringen. Insofern glauben wir schon, dass hier eine zögerliche Haltung eingenommen wird, weil man Sicherheit für sein Geschäft braucht. Wir hoffen, dass wir hier schnell wieder auf einen Wachstumskurs kommen.

Betrachtet man die Verbreitung von bAV-Verträgen bei Arbeitnehmern in Deutschland, so gibt es noch deutlichen Nachholbedarf. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Heute und Morgen. Was muss sich ändern?

Lamsfuß: Was helfen würde, wäre eine Opting-out-Lösung. Das würde die Durchdringung massiv fördern. Ansonsten sind wir in diesem Bereich gut aufgestellt und bieten gute Lösungen an.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in der bAV?

Lamsfuß: Natürlich eine große. Denn als Unternehmen messen wir dem Thema eine hohe strategische Bedeutung bei. Beide Häuser sind schon lange in diesem Segment unterwegs und setzen auf das Thema Nachhaltigkeit. Wir sprechen intern lieber von sozialer, ökonomischer und ökologischer Verantwortung. Das ist uns extrem wichtig, auch in der Beratung, und wir bieten entsprechend attraktive Lösungen an. Auch die Arbeitgeber neigen dazu, wenn sie zwischen einer klassischen und einer nachhaltigen Lösung wählen können, die nachhaltige Variante zu bevorzugen. Denn das hilft den Unternehmen auch, ihre eigene Nachhaltigkeitsbilanz entsprechend darzustellen. Insofern erleben wir hier eine zunehmende Offenheit in den Beratungen. 

Welche Rolle spielt das Thema „Grüne Versicherungen“ im Gewerbebereich?

Lamsfuß: Mit der Gothaer sind wir hier sehr gut aufgestellt. Wir haben dort eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie und sehen unsere Aufgabe als Industrieversicherer darin, unsere Kunden beim Thema Nachhaltigkeit zu unterstützen. Und zwar über den Versicherungsschutz hinaus, zum Beispiel indem wir die Unternehmen dabei unterstützen, ihren CO2-Ausstoß zu reduzieren und sich nachhaltiger aufzustellen. Das tun wir mit einem großen Partnernetzwerk. Das ist für uns ein ganz wichtiger Baustein. Wir sehen hier ein wachsendes Interesse, und wollen das von unserer Seite aus deutlich vorantreiben. Insofern ist es nicht nur so, dass die Nachfrage kommt, sondern es ist für uns ein Grundbaustein im gewerblichen Bereich.

Wir hatten 2023 eine Rezession und 2024 auch. Viele Unternehmen stehen vor großen Herausforderungen. Hat die Finanzkrise Auswirkungen auf die Industrieversicherung?

Lamsfuß: Wir sehen die Naturgefahren, wir spüren die Inflation bei den Schadenzahlungen, wir haben einen Anpassungsdruck im Markt. Das zeigt letztlich, wie wichtig eine gute Absicherung ist. Dabei kommt es vor allem darauf an, dass die Unternehmen vernünftig beraten werden. Es ist natürlich auch Existenzvorsorge, sich vernünftig abzusichern. Gerade in Krisenjahren ist es umso wichtiger, sich für die Herausforderungen zu wappnen. Da sind wir als Versicherungswirtschaft ein Garant dafür, dass erfolgreiches Wirtschaften überhaupt erst möglich wird.

Gewerbeversicherungen sind ein Thema für Spezialisten. Wie viel Prozent Ihrer Vertriebspartner sind auf diesen Bereich spezialisiert?

Lamsfuß: Das kann ich so nicht beantworten. Aber es ist schon so, dass man in diesem Segment spezielles Know-how braucht und wir unterstützen unsere Partner hier sehr intensiv mit unseren Underwritern, Key Account Managern und Maklerbetreuern. Wir sehen das als unsere gemeinsame Aufgabe.

Auch wenn die Absatzzahlen der bKV deutlich steigen: Laut Assekurata bieten rund 95 Prozent der Unternehmen ihren Mitarbeitern keine bKV an. Wo sehen Sie die Hürden?

Lamsfuß: Es ist ein sehr junges Geschäftsfeld. Für uns ist die betriebliche Krankenversicherung ein wichtiger Baustein, auf den wir auch in Zukunft setzen. Und man sieht ja auch das extreme Wachstum in diesem Segment im Gesamtmarkt. Es ist aber auch ein Geschäftsfeld, das sich professionalisiert. Wir haben klar den Anspruch an uns selbst, einer der führenden Anbieter zu sein.

Merken Sie trotz der steigenden Popularität einen erhöhten Informationsbedarf auf Seiten der Unternehmen?

Lamsfuß: Das ist in der Tat so. Wir erleben aber auch eine Aufgeschlossenheit in der Beratung. Denn die Vorteile der bKV liegen auf der Hand. Gerade die demografische Entwicklung, der Fachkräftemangeln und das Thema „War for Talents“ spielen in den Beratungen eine ganz große Rolle. Die bKV bietet eine gute Möglichkeit der Differenzierung und wird gerade bei jungen Talenten als sehr attraktiv wahrgenommen. Die Zahlen entwickeln sich bei uns sehr, sehr positiv. Wir haben aus der Barmenia-Zeit mit Careflex die erste tarifvertragliche Lösung im Markt. Insofern haben wir sehr viel Erfahrung, einen großen Bestand und sind dort sehr gut aufgestellt.

Jetzt mussten Sie die Beiträge in der bKV stärker anpassen. Wird das künftige Geschäft dadurch schwieriger?

Lamsfuß: Ich glaube, wir müssen lernen, auch mit solchen Effekten umzugehen. Das gehört zu den Kalkulationsmechanismen der PKV. Ich habe ja gesagt, dass sich die junge Branche professionalisiert und erwachsen wird. Wir erleben jetzt einen hohen Informationsbedarf, gerade wenn es um Beitragsanpassungen geht. Wir erleben aber auch Loyalität unserer Kunden. Wir erleben auch Verständnis. Aber wir müssen dort auch Lösungen anbieten.

Wie sehen die aus?

Lamsfuß: Wir bieten beispielsweise einen neuen Anwartschaftstarif mit sehr flexiblen und komfortablen Wechselmöglichkeiten an, die auch sehr intensiv genutzt werden.

Was heißt komfortable Wechselmöglichkeiten?

Lamsfuß: Dass wir sehr unbürokratisch und mit schlanken Prozessen komfortabel umstellen, ohne dass der Kunde viel Arbeit hat.

Die Krankenvollversicherung ist das Kerngeschäft der Barmenia. Nun steigt die JAEG zum 1. Januar 2025 von 69.300 auf 73.800 Euro. Hat das Auswirkungen auf den Vertrieb der Krankenvollversicherung?

Lamsfuß: Natürlich wird die Anhebung dazu führen, dass sich zunächst per se weniger Menschen privat versichern können und damit das Sozialversicherungssystem nicht entlastet wird. Das wird auch dazu führen, dass die potenziellen Kunden vielleicht noch ein Jahr älter werden, bevor sie in die PKV wechseln können. Aber grundsätzlich erleben wir im Moment eine sehr gute Nachfrage und sind mit der Bestandsentwicklung sehr zufrieden. Insofern glaube ich, dass das im Moment kein Problem ist. Wir halten die Vollversicherung in Deutschland nach wie vor für sehr sinnvoll und setzen weiter darauf.

Wie viele Kunden verlieren Sie durch die Erhöhung?

Lamsfuß: Das kann man nicht beziffern. Wir haben ja auch Tarifabschlüsse, wir haben die Inflation, die sich in der Einkommensentwicklung niederschlägt.

Erwarten Sie, dass das Thema Dualität und Bürgerversicherung im Wahlkampf der kommenden Wochen eine Rolle spielen wird? Denn es gibt ja Parteien, die das Thema „soziale Ungleichheit“ oder „Klassenkampf“ durchaus auf die Agenda setzen wollen?

Lamsfuß: Wir haben in der privaten Krankenversicherung viele Kunden, die selbst für ihr Alter vorsorgen und viele Alterungsrückstellungen gebildet haben. Das weckt auf den ersten Blick Begehrlichkeiten. Wir sehen gerade sehr deutlich, dass sich die inflationären Gesundheitskosten auch im gesetzlichen System niederschlagen. Insofern ist die Situation auch für die gesetzlichen Krankenkassen sehr herausfordernd. Der erste Reflex ist natürlich, das Thema Bürgerversicherung wieder aufzugreifen, obwohl hinreichend diskutiert ist, dass diese keinen Sinn macht. Deswegen hoffen wir, dass auch hier Vernunft einkehrt. Man sieht, dass der Begriff in dem einen oder anderen Wahlprogramm auftaucht. Aber es wäre töricht, das funktionierende duale System in Deutschland zu gefährden oder gar zu zerstören.

Was sind die Argumente, die den Ausschlag geben, dass potenzielle Kunden letztlich von der GKV in die private Krankenvollversicherung wechseln?

Lamsfuß: Es sind die Flexibilität des Versicherungsschutzes, die individuelle Gestaltung des Versicherungsschutzes und natürlich das Leistungsniveau. In der Beratung merkt man, dass das Gut Gesundheit in der Nach-Corona-Zeit einen höheren Stellenwert bekommen hat. Das spiegelt sich in der Nachfrage wider. Ein weiterer Aspekt ist die Eigenverantwortung im Alter, also über Alterungsrückstellungen eigenverantwortlich in der Krankenversicherung für das Alter vorzusorgen. Das kommt bei den Kunden sehr gut an.

Was sind denn Ihre Erwartungen für 2025?

Lamsfuß: Es wird ein sehr spannendes Jahr. Für uns einmal mehr, weil die Branche mit vielen Herausforderungen konfrontiert ist. Insofern glauben wir, dass es kein schlechtes, aber ein herausforderndes Jahr wird. Wir als BarmeniaGothaer haben ein natürlich ein doppelt spannendes Jahr vor uns. Weil wir uns darauf freuen, mit unseren Teams als BarmeniaGothaer im Markt aufzutreten und in beiden Bedeutungen des Wortes zusammenzuwachsen.

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