Der Krankenstand in Deutschland ist 2024 leicht auf 5,4 Prozent gesunken, wie eine aktuelle IGES-Analyse (hier geht es zur Studie) im Auftrag der DAK-Gesundheit zeigt. Pro Kopf gab es im Schnitt 19,7 Fehltage – 2,3 Prozent weniger als 2023. DAK-Vorstandschef Andreas Storm sieht im leichten Rückgang des Krankenstands ein „erstes positives Signal“, betont jedoch, dass eine Trendwende erst in den kommenden Jahren bewertet werden könne.
Deutschland beim Krankenstand kein Europameister
Bei der Einschätzung des Krankenstandes solle vorsichtig und sachlich diskutiert werden. Auch europäische Vergleiche seien schwierig. „Eine neue IGES-Untersuchung unterstreicht, dass Deutschland entgegen anderen Behauptungen doch nicht Europameister beim Krankenstand ist”, betont Storm. Durch unterschiedliche Erfassungen und Regelungen in den Ländern seien die Krankenstände in Europa mit den vorliegenden Daten nicht vergleichbar.
Allerdings zeige die aussagekräftige OECD-Studie zu den wöchentlichen Arbeitszeitausfällen, dass sich Deutschland hier im oberen Mittelfeld bewege. „Es gibt also durchaus noch einen Handlungsbedarf beim Krankenstand”, so der DAK-Vorsitzende.
Mehr als 2,4 Millionen Daten ausgewertet
Für ihre aktuelle IGES-Analyse zu den Fehlzeiten im Gesamtjahr 2024 hat die DAK-Gesundheit Daten von mehr als 2,4 Millionen bei der Kasse versicherten Beschäftigten ausgewertet. Sie hatten 2024 pro Kopf durchschnittlich 19,7 Fehltage, 2,3 Prozent weniger als 2023. Zwar gab es einen geringfügigen Anstieg der Krankmeldungen, doch die durchschnittliche Dauer eines Falles war mit 9,7 Tagen geringer als 2023 (10,1 Tage).
Die Auswertung zeigt ein Minus bei zwei wichtigen Erkrankungsgruppen: Es gab bei den Atemwegserkrankungen wie Husten, Bronchitis oder Schnupfen einen Rückgang von rund acht Prozent gegenüber dem Vorjahr auf rund 382 Fehltagen je 100 Versicherte. Zudem ging der Arbeitsausfall wegen Muskel-Skeletterkrankungen wie Rückenschmerzen um rund sechs Prozent auf knapp 350 Fehltage zurück. Einen Zuwachs um 5,7 Prozent gab es hingegen bei den Fehltagen aufgrund psychischer Erkrankungen wie Depressionen. Sie führten zu rund 342 Fehltagen je 100 Versicherte.
Der gesamte Krankenstand verringerte sich im Vergleich zum Vorjahr geringfügig von 5,5 auf 5,4 Prozent. 2024 waren an jedem Tag durchschnittlich 54 von 1.000 Erwerbstätigen krankgeschrieben. In einigen Branchen lag der Arbeitsausfall auch deutlich darunter. So zeigt die Analyse für die Datenverarbeitungsbranche sowie für Banken und Versicherungen jeweils einen unterdurchschnittlichen Krankenstand von 3,5 beziehungsweise 4,0 Prozent. Weit überdurchschnittlich war der Krankenstand erneut im Gesundheitswesen (6,3 Prozent) sowie in der Branche Verkehr, Lagerei und Kurierdienste (6,0 Prozent).
Europäische Vergleichbarkeit schwierig
Eine europäische Vergleichbarkeit der Krankenstände sei laut IGES schwierig, da Unterschiede bei Erfassungsstandards und Regelungen zu Verzerrungen führten. So weist eine oft zitierte OECD-Statistik Deutschland mit 24,9 bezahlten Krankheitstagen pro Jahr als Spitzenreiter aus, was laut IGES unter anderem auf das verpflichtende elektronische Meldeverfahren zurückzuführen sei. Viele europäische Länder erfassen Fehlzeiten nicht systematisch, was die Datenlage verzerrt.
Ein aussagekräftigerer OECD-Vergleich, basierend auf einem einheitlichen Fragebogen, zeigt Deutschland mit einem krankheitsbedingten Arbeitszeitausfall von 6,8 Prozent im oberen Mittelfeld. Länder wie Belgien (6,7 Prozent) und Schweden (6,6 Prozent) liegen knapp dahinter. Auffällig ist Luxemburg, das trotz eines großzügigen Systems nur 3,2 Prozent Arbeitsausfall verzeichnet. „Die Unterschiede lassen sich nicht allein durch Systeme der Entgeltfortzahlung erklären. Faktoren wie Erwerbsquoten und Altersstrukturen spielen ebenfalls eine Rolle“, so IGES-Wissenschaftlerin Susanne Hildebrandt.
„Ich hoffe, dass die aktuellen IGES-Analysen über die Auswirkungen des elektronischen Meldesystems und die methodischen Probleme im europäischen Vergleich die Diskussion über den Krankenstand in Deutschland versachlichen“, betont Storm. Die Debatte beeinflusse das Miteinander in den Betrieben auf negative Weise und schüre Misstrauen gegenüber krankgemeldeten Beschäftigten. „Misstrauen ist ein Zeichen negativer Wertschätzung und als solches ein Gesundheitsrisiko“, so Storm. Angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage in vielen Firmen empfiehlt die DAK-Gesundheit Prävention und ein betriebliches Gesundheitsmanagement, das systemisch angelegt ist.