DAK-Studie: Mediensucht bei Jugendlichen – 1,3 Millionen Betroffene

Andreas Storm
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Andreas Storm, DAK-Gesundheit: "

Gaming, Social Media und Streaming: Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland kämpfen mit Mediensucht. Laut einer Studie von DAK-Gesundheit und UKE zeigen 1,3 Millionen 10- bis 17-Jährige riskantes Nutzungsverhalten.

Gaming, Social Media und Streaming sind für viele Kinder und Jugendliche in Deutschland fester Bestandteil des Alltags: Wie problematisch die Folgen sind, offenbart nun eine aktuelle Studie der DAK-Gesundheit und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Demnach zeigen 1,3 Millionen 10- bis 17-Jährige eine riskante oder pathologische Nutzung sozialer Medien. Das entspricht mehr als 25 Prozent dieser Altersgruppe. Zwar ist die Mediensucht im letzten Jahr leicht zurückgegangen, doch das Niveau liegt weiterhin deutlich über dem vorpandemischen Stand von 2019.

DAK-Vorstandschef Andreas Storm sieht in den Ergebnissen der Studie dringenden Handlungsbedarf: „Mediensucht bei Kindern und Jugendlichen ist zu einem dauerhaften und ernsten Problem geworden. Wenn junge Menschen ohne Ende online sind, dann schadet das häufig der Gesundheit und führt zu sozialen Konflikten.“ Und fordert die Einführung eines Schulfachs Gesundheit: „Bei den zunehmenden Gesundheitsproblemen vieler Schüler ist Mediensucht nur die Spitze des Eisbergs. Um unsere Kinder zu stärken und zu schützen, ist Schule ein wichtiger Ort. Deutschland braucht ein neues Schulfach Gesundheit. Die Kultusminister der Länder sollten dieses Thema offen diskutieren.“ Ein einfaches Handyverbot sei keine nachhaltige Lösung, so Storm.

4,7 Prozent gelten als abhängig

Die Studie zeigt, dass sich die problematische Nutzung sozialer Medien auf hohem Niveau eingependelt hat: 4,7 Prozent der 10- bis 17-Jährigen gelten als abhängig, Jungen sind mit sechs Prozent häufiger betroffen als Mädchen (3,2 Prozent). Besonders alarmierend ist der langfristige Anstieg: 2019 lag der Anteil der problematischen Social-Media-Nutzung noch bei 11,4 Prozent – ein Plus von 126 Prozent. Beim Gaming nutzen zwölf Prozent digitale Spiele problematisch, 3,4 Prozent gelten als süchtig. Auch das Streamingverhalten bleibt konstant hoch: 16 Prozent der Jugendlichen zeigen problematische Nutzungsmuster, 2,6 Prozent sind süchtig.


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An einem typischen Wochentag nutzen die Befragten zweieinhalb Stunden – insgesamt 157 Minuten – Social Media und damit ähnlich lang wie in den beiden Jahren zuvor. Dennoch ist ein deutlicher Anstieg über die insgesamt sieben Messzeitpunkte der Studie sichtbar. So verbrachten Kinder und Jugendliche im Jahr 2019 täglich durchschnittlich eine halbe Stunde weniger mit der Nutzung von sozialen Medien. Beim Gaming liegt die tägliche Nutzungszeit werktags bei 105 Minuten im Vergleich zu 91 Minuten im Jahr 2019. Beim Streaming ist indes ein deutlicher Corona-Peak im Jahr 2021 zu sehen (170 Minuten täglich), während die Nutzungszeiten ansonsten konstant um die 100 Minuten täglich lagen und zuletzt sogar leicht zurückgingen (93 Minuten).

Phubbing forciert Depressionen

Erstmalig untersuchte die Studie auch das Phänomen „Phubbing“ – das Ignorieren von Mitmenschen durch übermäßige Smartphone-Nutzung. 35,2 Prozent der Kinder und Jugendlichen fühlen sich durch das Verhalten anderer ignoriert, 25,2 Prozent haben bereits soziale Konflikte deswegen erlebt. Auch Eltern sind betroffen: 29,2 Prozent gaben an, sich von ihren Kindern ignoriert zu fühlen, 28,2 Prozent erlebten Konflikte durch Phubbing.

Insgesamt zeigt sich in diesem Zusammenhang auch, dass Kinder und Jugendliche mit häufigen Phubbing-Erfahrungen nachweislich einsamer, depressiver, ängstlicher und gestresster sind als solche, die selten Phubbing erfahren. „Es gibt hier eine sichtbare Verbindung zu psychischen Belastungen wie Depressivität“, sagt Prof. Rainer Thomasius, Studienleiter und Ärztlicher Leiter des DZSKJ. „Wir erleben im klinischen Alltag, dass die digitale Welt zunehmend auch als störend empfunden wird. Gleichzeitig zeigt sich ein fehlender Effekt bei der elterlichen Regulation. Das Handeln der Eltern passt also häufig nicht zum eigentlichen Erziehungsanspruch.“

Laut Studie wird von etwa 40 Prozent der Eltern der zeitliche Umfang der Mediennutzung nicht hinreichend festgelegt. Ein Viertel moderiert die Inhalte nicht. Gleichzeitig wünschten sich Eltern häufig zusätzliche Informationen oder gar Hilfe. „Die in der Studie erhobenen Befunde bilden sich in einem klinischen Zusammenhang ebenfalls ab: Ein Drittel der in unserem Institut behandelten Jugendlichen leidet mittlerweile unter einer medienbezogenen Störung. Diese jungen Menschen tendieren dann auch zu anderen psychischen Problemen oder gar stoffgebundenen Süchten.“

DAK-Chef Storm fordert Schulfach Gesundheit

„Im Kampf gegen die Mediensucht brauchen wir den Schulterschluss mit den Schulen“, sagt DAK-Vorstandschef Andreas Storm und appelliert an die Kultusministerkonferenz: „Uns hilft jetzt keine kontroverse Diskussion über ein Handy-Verbot für Schülerinnen und Schüler. Wir sollten offen über ein neues Schulfach Gesundheit diskutieren. Gesunde und fitte junge Menschen sind die Basis für unsere Zukunft.“ Auch Dr. Michael Hubmann, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), sieht Handlungsbedarf: „Medien- und Gesundheitskompetenz sind nah beieinander, weshalb deren Vermittlung in der Schule einen viel höheren Stellenwert einnehmen muss.“

Als Reaktion auf die alarmierenden Zahlen will die DAK-Gesundheit ihre Präventionsangebote ab 1. April 2025 ausbauen. Seit 2020 bietet sie in fünf Bundesländern ein Mediensuchtscreening an, das ab April bundesweit verfügbar sein wird. Dabei kommt im Rahmen der J1- und J2-Vorsorgeuntersuchungen ein speziell entwickelter Fragebogen zum Einsatz, um frühzeitig problematische Nutzungsmuster zu erkennen und gezielt gegenzusteuern. Eltern können ihre Kinder direkt in teilnehmenden Kinder- und Jugendpraxen oder über die Praxis-App des BVJK in das Programm einschreiben.

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