Dan Sauer, Nordea: „Ich sehe das Investieren wie eine Expedition“

Dan Sauer
Foto: Christian Daitche
Dan Sauer, Nordea AM„Wir haben Lösungen, die auch jetzt Orientierung bieten und natürlich Stabilität.“

Die Kapitalmärkte sind derzeit enorm dynamisch und von hoher Volatilität geprägt. Anleger sind auf der Suche nach Stabilität und Sicherheit auf der einen und nach Erträgen auf der anderen Seite. Cash. sprach mit Dan Sauer, Head of Institutional and Wholesale Distribution Central Europe bei Nordea Asset Management, wie dieser Spagat gelingen kann, welche Perspektiven ESG derzeit hat und was ein unlängst lancierter Social Bond Fonds an Perspektiven bietet.

Herr Sauer, Inflation, eine nach wie vor nicht gänzlich gebannte Rezessionsgefahr, steigende Zinsen und massive geopolitische Verwerfungen machen den Kapitalmärkten das Leben derzeit immens schwer. Sehen Sie Licht am Ende des Tunnels?

Sauer: Mancher Anleger mag sich fühlen wie in einem langen und dunklen Tunnel, aber wir sind zuversichtlich. Jeder Tunnel ist irgendwann zu Ende. Ohnehin sehe ich Investieren eher wie eine Expedition. Es geht darum, neue Chancen aufzutun und dabei immer wieder mit bekannten und unbekannten Risiken umzugehen. Dazu statten wir unsere Kunden mit der richtigen und bewährten Ausrüstung aus: Nehmen Sie unsere Anlagelösungen in europäischen Pfandbriefen. Diese haben bisher in jeder Marktphase Alpha generiert und bieten auch weiter Potenzial, bei niedriger Duration. Oder unsere „Alpha Produktreihe“. Sie bietet Anlegern das Wichtigste, nämlich Diversifikation, und legt das Augenmerk auf absolute Erträge bei geringer Sensitivität gegenüber Zinsänderungen, aber auch schwankenden Aktienkursen. Sie sehen, wir haben Lösungen, die auch jetzt Orientierung bieten und außerdem das, was die Kunden ganz besonders suchen, nämlich Stabilität!

Speziell beim Thema Inflation herrscht unter den Experten Uneinigkeit. Während die einen einen Rückgang auf bis zu zwei Prozent bis Ende des Jahres prognostizieren, sehen andere ein Einpendeln bei fünf bis sechs Prozent. Wie ist die Meinung von Nordea und was bedeutet das für die Ausrichtung des Asset Managements?

Sauer: Zeigen Sie mir einen Experten, der darüber eine sichere Prognose treffen kann. Wir können es nicht und behaupten auch nicht, dass wir es könnten. Wir gehen keine Wetten auf die Inflation ein, sondern wir sind aktive Investoren und überzeugt von sauberer Fundamentalanalyse sowie der gezielten Auswahl von Einzeltiteln. Nehmen Sie unsere „Stable Equities“-Strategie. Hier wählt das Fondsmanagement Aktien aus, die in turbulenten Zeiten Stabilität versprechen. Viele von ihnen haben Preissetzungsmacht und damit einen natürlichen Inflationsschutz. Oder auch unser Stable Return Fund, der als Mischfonds nicht nur sehr breit diversifiziert ist, sondern dank dynamischer Asset Allokation gezielt Chancen im Anleihen- und Aktienbereich nutzen und damit die Inflation langfristig besiegen kann. Da ist es dann auch gar nicht mehr ganz so wichtig, ob die Inflation bei vier oder sechs Prozent liegt.

Die jüngste Bankenkrise verunsichert die Märkte zusätzlich. Bekommen wir eine Finanzkrise 2.0?
Sauer: Die Ereignisse im Bankensektor sorgen sicherlich für ein mulmiges Gefühl, aber wir alle tun gut daran, besonnen zu bleiben. Für uns als Asset Manager heißt das, uns auf das zu konzentrieren, was wir können: Stabilität zu bieten, wenn die Märkte in rauen Gewässern unterwegs sind. Da können die schon erwähnten stabilen Aktien helfen, aber zum Beispiel auch Covered Bonds, in Deutschland Pfandbriefe genannt. In über 200 Jahren ist noch niemals ein Pfandbrief aus dem rund drei Billionen Euro schweren europäischen Pfandbriefmarkt ausgefallen. Dabei sind die Renditen oft ein Stückchen höher als bei Staatsanleihen. Die aktuellen Spread-Ausweitungen haben den Fokus auf europäische Hochzinsanleihen gelenkt, wo sich wieder neue Chancen auftun. Wir haben das erfahrenste Team am Markt, das zudem noch den größten Fonds in diesem Segment lenkt.

Zu allem Überfluss hat der Ökonom Prof. Nouriel Roubini auf dem Fondkongress Ende März in Mannheim den Kapitalmärkten weltweit düstere Aussichten bescheinigt und davon gesprochen, dass innerhalb dieses oder des nächsten Jahrzehnts ein Großteil der globalen Vermögenswerte durch eine massive Wirtschaft- und Finanzkrise ähnlich der 1920er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts vernichtet werden. Übertreibung oder hat er Recht und was folgt für Sie daraus? 

Sauer: Es ist der Job von Ökonomen, in solchen Szenarien zu denken. Intellektuell mag auch ein Extremszenario interessant sein. Wir fokussieren uns lieber darauf, unseren Kunden dabei zu helfen, ihre mittel- und langfristigen finanziellen Ziele zu erreichen. Dabei hilft es erwiesenermaßen, sein Geld klug und vor allem mit langfristigem Atem am Kapitalmarkt anzulegen. Der beste Zeitpunkt, mit langfristiger Geldanlage zu beginnen, ist immer jetzt. Zumal eine Anlage auch oder gerade in den 1920er-Jahren attraktiv war.

Wie geht der Vertrieb mit diesen Themen um, was wird an Wünschen an Sie herangetragen?

Sauer: Klarheit, Ehrlichkeit und Beständigkeit – das sind unsere Maximen des Erfolgs in der Vertriebsarbeit. Und gerade jetzt zahlen sie sich aus. Denn für unsere Kunden stehen Sicherheit und Stabilität im Augenblick sehr im Fokus. Hier können wir für beinahe jedes Maß an Sicherheitsbedürfnis passende Lösungen bieten. Außerdem erleben wir bei vielen Kunden mehr Gesprächsbedarf als sonst. Sie wollen wissen, was die Portfoliomanager tun und warum. Wir freuen uns darüber, denn es ist gut, wenn sich Anleger gewissenhaft mit ihren Investments beschäftigen.

Für viele steht dieses Jahr im Zeichen des Comebacks von Anleihen – wie stehen Sie zur Aussage „Bonds are back“?

Sauer: Mit dem Ende der expansiven Geldpolitik bieten sich Anlegern hier durchaus Chancen und es lohnt immer auch ein Blick auf Ergänzungen zu reinen long-only Strategien. Nehmen Sie etwa unseren Nordea Covered Bond Opportunities Fund, der zum Beispiel mit Hilfe von Derivaten gezielt auf Spread-Einengungen zwischen Covered Bonds und Staatsanleihen setzt und so jenseits aller Durationsrisiken Rendite einfahren kann. Die Entwicklung des Horrorjahres 2022 bietet heute insbesondere an den Bond Märkten viele interessante Einstiegsmöglichkeiten. So sind die dänischen Pfandbriefe, unser Danish Covered Bond Fund, mit einer erwarteten Rendite von 3,88 Prozent auf 12 Monate auf einem interessanten Niveau. Zusätzlich bietet der Fonds die Aussicht auf Zusatzrendite aus Währungsabsicherung.

Sie sagten es schon: Anleger sind angesichts der zunehmenden Volatilität auf der Suche nach Stabilität. Wie kann die Stabilitäts-Investmentphilosophie von Nordea dabei unterstützen?

Sauer: Wir haben bei stabilitätsorientierten Anlagelösungen eine lange und erfolgreiche Historie. Der Nordea Stable Equities und der Nordea Stable Return Fund sind milliardenschwere Erfolgsprodukte, die seit über einer Dekade von Veteranen unserer Industrie geführt werden. Oder nehmen Sie unsere Covered Bond-Produkte, deren Fondsmanagement jüngst wieder Preise abgeräumt hat. Und nicht zuletzt haben wir eine Reihe von Anlagemöglichkeiten in Realwerten wie etwa Infrastruktur zu bieten, die von Natur aus einen gewissen Inflationsschutz bieten. In diesem Bereich arbeiten wir übrigens im Rahmen unseres Multi-Boutique-Modells mit einem marktführenden Partner zusammen.

Apropos Multi-Boutique-Modell von Nordea. Welche Vorteile bietet dieses Modell Anlegern in der derzeitigen Gemengelage?

Sauer: Um es mit den Worten des amerikanischen Bestseller-Autors Andy Andrews zu sagen: „Wenn Sie denken und tun, was alle tun, dann bekommen Sie auch dieselben Ergebnisse wie alle anderen“. Deswegen setzen wir mit unserem Modell auf unabhängiges Denken und Handeln Vieler. Das steckt übrigens auch in unserem Namen. Nordea setzt sich aus den Wörtern „Nordic“ und „Ideas“ zusammen. Wir sind überzeugt, dass wir als aktiver Manager so einen Mehrwert für unsere Kunden generieren. Außerdem können sich die Portfoliomanager auf das konzentrieren, was zählt: ihre Performance. Derweil entlastet der Konzern sie von Aufgaben wie Verwaltung und Vermarktung. Auch ein wichtiger Aspekt des Multi-Boutique-Ansatzes. In Zeiten, in denen die Märkte von Portfoliomanagern die volle Aufmerksamkeit fordern, gewinnen solche Vorteile nochmals an Gewicht.

Stichwort ESG: Gegenwärtig scheinen Themen wie Klimawandel oder erneuerbare Energien kaum noch im Fokus der medialen und gesellschaftlichen Diskussion zu stehen. Nehmen Sie das ebenso wahr?

Sauer: Kapital verantwortungsvoll anzulegen, ist existenziell für die Zukunft von uns allen – von Bürgern, Unternehmen, Regierungen. Sicher stehen immer mal wieder andere Themen im Fokus der Medien, das ist normal. Aber der Klimawandel hört ja nicht auf, weil gerade die Geopolitik im Fokus steht. Die Versorgung mit sauberem Trinkwasser ist ja nicht plötzlich unwichtig, weil es Spannungen im Bankensektor gibt. Im Umkehrschluss heißt das: Wer dran bleibt und konsequent nachhaltig investiert, sollte auf lange Sicht auch überzeugende Renditen erwirtschaften. Für uns war das immer ein Kernthema, schon 1988, als wir den ersten Nachhaltigkeitsfonds aufgelegt haben, und als noch niemand darüber gesprochen hat. Und auch heute, wo der Anteil nachhaltiger Investments am verwalteten Vermögen von Nordea 70 Prozent beträgt und wir mit unserer STARS-Reihe 14 Lösungen anbieten, die im ESG-Bereich führend sind. Und auch in Zukunft wird das so bleiben. Nicht umsonst trägt der größte Nachhaltigkeitsfonds Europas nach Artikel 9 der SFDR, der Global Climate and Environment Fund, mit heute 9,8 Milliarden Euro Assets under Management ein Nordea-Logo. Übrigens waren es 2015 gerade einmal 74 Millionen Euro. Das zeigt, wie wichtig das Thema für die Investoren geworden ist. Der Fonds ist inzwischen im „soft close“, also für Neuanleger geschlossen.

Wie wichtig ist das Thema ESG derzeit aus Vertriebssicht?

Sauer: Die Anleger suchen derzeit primär nach Stabilität. Das ist auch völlig verständlich. Sie müssen Anlegern heute nicht mit ESG-Scores kommen, bevor Sie über die Risiken und Renditechancen gesprochen haben. Bei uns ist Nachhaltigkeit aber bei allen Strategien ein Teil des Anlageprozesses, und zwar ein integraler. Wir nehmen dabei unseren aktiven Managementansatz sehr ernst. Das heißt, dass wir nicht nur Kapitalströme gezielt dorthin lenken, wo sich aus unserer Sicht eine nachhaltige Wirkung und damit auch Renditechancen erzielen lassen. Sondern dass wir uns auch aktiv einmischen, um Veränderungen in Unternehmen, aber auch in Staaten, in die wir investieren, voranzutreiben. In Sri Lanka zum Beispiel, wo wir uns gerade als Teil des Boards der Anleihenbesitzer in den Gesprächen mit der Regierung für eine Restrukturierung der Staatsschulden stark machen, bei der ESG-Kriterien, insbesondere die Klimaziele des Pariser Abkommens, eine zentrale Rolle spielen sollen. Sie sehen also: Das Thema wird im Fondsmanagement gelebt, nicht vom Vertrieb verkauft.

Im letzten Jahr gab es zudem viele Diskussionen bezüglich Greenwashing und Artikel-8- bzw. -9-Fonds. Wie haben Sie das wahrgenommen und wie positioniert sich Nordea in diesem Zusammenhang?

Sauer: Wir sind streng zu uns selbst, stufen die Fonds lieber etwas vorsichtiger ein, als dass wir dann später zurückrudern müssen. Außerdem handeln wir nach der einfachen Devise: tun, was man sagt – sagen, was man tut. Wir handeln konsistent und berichten transparent. Auch wir sind nicht perfekt, aber wir arbeiten hart daran und sagen auch klar, wo wir noch zu arbeiten haben. Unsere Kunden honorieren das. Gerade erst haben wir im Broadridge Markenvergleich der Asset Manager, die für Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung stehen, den zweiten Platz erreicht.

Kommen wir noch einmal zurück auf die Perspektiven für die Gesamtmärkte. Derzeit erschallt aus allen Ecken der Ruf: „Value for ever“. Stimmen Sie mit ein? Hat Growth als verlässlicher Ertragsbringer ausgedient?

Sauer: Der Stil ist für uns weniger wesentlich, so lange der Ansatz in sich sinnvoll und kongruent ist. Wir setzen unseren Fokus stark auf unsere „Global Climate Engagement“-Lösung. Dieser Fonds hat tatsächlich einen Value Ansatz. Da die Zeiten des billigen Geldes vorüber sind, zählen Fundamentaldaten jetzt umso mehr. Zudem sind Themenfonds, sofern das Thema nicht zu eng gesetzt ist, weiterhin interessant. Man kann eher von Megatrends sprechen und der Klimawandel ist sicherlich einer. Was den Climate Engagement Fund so speziell macht, ist, dass er nicht nur interessante Renditechancen bietet, sondern den Hebel dort ansetzt, wo er den größten Effekt hat: bei den Unternehmen, die in Sachen Klimaschutz noch einen sehr weiten Weg vor sich haben, deren Beitrag aber bei einem echten Wandel umso größer wäre. Damit bieten sie auch entsprechend viel Potenzial.

Auf welchen Bereich fokussiert Nordea in den kommenden Monaten?

Sauer: Drei Handlungsfelder haben derzeit für uns Priorität: Erstens arbeiten wir jeden Tag daran, für unsere Kunden da zu sein, Auskunft zu geben, zu erklären und Hilfestellung zu geben. Das ist in turbulenten Phasen extrem wichtig und wird von Kunden immer honoriert, vor allem auf lange Sicht. Zweitens bedienen wir den Bedarf der Anleger an stabilitätsorientierten Anlagelösungen. Stabilität ist ja ein recht abstrakter Begriff, wird unterschiedlich interpretiert. Dementsprechend vielfältig ist unser Angebot in diesem Bereich. Einige habe ich eben bereits erwähnt. Unsere Vertriebspartner in Banken und Sparkassen sowie die Vermögensverwalter mit dem passenden Instrumentenkasten auszustatten, steht hier für uns im Vordergrund. Drittens versuchen wir zu vermitteln, dass es bei allem Wunsch nach Stabilität sinnvoll sein kann, Teile des Portfolios stärker auf Renditechancen auszurichten. Wie so oft in unruhigen Zeiten gibt es auch im Augenblick wieder Teilmärkte, in denen die vorhandenen Risiken sehr gut vergütet werden. Ein Beispiel sind Hochzinsanleihen. Da gibt es gerade ein ausgezeichnetes Zeitfenster, um eine Allokation in diesem Bereich aufzubauen.

Auf welche Neuerungen aus dem Hause Nordea kann sich der Vertrieb in der nächsten Zeit freuen?

Sauer: Wir stehen für sinnvolle und gezielte Innovation und machen nur dann etwas Neues, wenn es auf Dauer Sinn ergibt. Ein Beispiel ist unser jüngst aufgelegter Social-Bond-Fonds. Social Bonds als Teilmarkt der nachhaltigen Anleihen sind ein aktuell noch kleines Feld, das sich aber sehr dynamisch entwickelt und das Potenzial hat, zu einem Billionenmarkt zu werden. Da sind wir rechtzeitig dabei, und mit uns unsere Kunden. Oder schauen Sie sich unsere auf börsennotierte Immobilien- und Infrastrukturunternehmen fokussierte Strategie an, die wir im Sommer letzten Jahres aufgelegt haben. Es sind noch ein paar weitere Pfeile im Köcher. Aber im Augenblick bekommen wir von unseren Vertriebspartnern eher gespiegelt, dass sie auf der Suche nach bewährten Lösungen sind. Und da sind unsere erprobten Lösungen wie etwa für stabile Aktien und Pfandbriefe genau das richtige.

Interview: Frank O. Milewski, Cash.

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