Noch ist nichts passiert. Aber wenn eine weitere Absenkung des Garantiezinses und die Finanztransaktionssteuer auf Aktiengeschäfte Realität werden sollten, wird die Luft für deutsche Sparer richtig dünn – unnötigerweise. Denn es gibt mindestens eine lukrative Alternative.
Der 10.Dezember begann gleich mit zwei Schocks. Zum einen ließ die Deutsche Aktuarvereinigung, also der Zusammenschluss der Versicherungsmathematiker, verlauten, sie wollen dem Bundesfinanzministerium empfehlen, den Höchstrechnungszins für Neuverträge ab 2021 auf 0,5 Prozent zu senken. Gegenwärtig liegt er bereits – der Niedrigzinsphase sei dank – bei nur mageren 0,9 Prozent. Zum anderen legte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) einen Gesetzentwurf für die Einführung einer seit langem diskutierten Finanztransaktionssteuer vor.
Die Begründung des Chef-Versicherungsmathematikers, Dr. Guido Bader, ist ebenso richtig wie ernüchternd. „Derzeit gibt es keine Anzeichen, dass sich das zum Teil negative Zinsniveau der vergangenen Monate in näherer Zukunft spürbar verbessern wird. Daher ist eine Absenkung des Höchstrechnungszinses für Neuverträge ab 2021 geboten.“
Der Lobbyverband der deutschen Versicherer weist zumindest daraufhin, dass eine Absenkung des Garantiezinses frühzeitig bekanntgegeben werden sollte und bricht zudem eine Lanze für die arg gebeutelte Riester-Rente. Eine Reform der staatlich bezuschussten Altersvorsorgeform soll her und „bei einer Absenkung des Höchstrechnungszinses für neu abgeschlossene Riester-Verträgen soll die vom Gesetzgeber verlangte Beitragsgarantie gelockert werden, um weiterhin eine sicherheits- und chancenorientierte Anlage der Kundengelder zu ermöglichen“, heißt es aus Berlin. Immerhin.
Finanztransaktionssteuer: Falsches Signal zur falschen Zeit
Während die Herabsetzung des Garantiezinses ganz faktisch zu einer geringeren Ertragsfähigkeit von Lebensversicherungen führt, hat der Vorstoß von Bundesfinanzminister Scholz in Sachen Börsensteuer eher Symbolkraft – wenn auch eine fatale. Er will Aktiengeschäfte mit 0,2 Prozent besteuern, aber nur bei jenen Unternehmen, deren Börsenwert eine Milliarde Euro übersteigt und die ihren Firmensitz in Deutschland haben. Das wären derzeit 145. Klingt nicht viel, ist es auch nicht. Zumal, wenn man nicht mit Aktien spekuliert, sondern sie als Langfristanlage betrachtet. Doch das Signal, das eine solche Finanztransaktionssteuer aussendet, ist in der gegenwärtigen Zeit völlig inakzeptabel.
Seit Jahren finanziert sich Deutschland, ebenso wie andere europäische Staaten, auf Kosten der Kleinsparer. Niedrig- bis Negativzinsen, wohin man auch schaut. Wie verkommen das System aktuell ist, verrät ein Blick auf die Gebühren der Banken. Während man mit ganz viel Glück noch 0,5 Prozent auf sein auf dem Sparbuch geparktem Geld erhält, verlangen die Geldinstitute indes Dispozinsen von 15 Prozent und mehr. Wer soll dagegen noch ansparen? Auch Strafzinsen scheinen kein Tabu mehr zu sein, auch wenn allenthalben Aufschreie aus der Politik zu hören sind, wenn mal wieder eine Volksbank aus der Provinz zu einer solchen Maßnahme greift.
Wie schon gesagt, eine Finanztransaktionssteuer von 0,2 Prozent ist nicht die Welt, aber es ist das völlig falsche Signal zu einer völlig falschen Zeit. Beim Blick auf die zehn Länder, die eine solche Steuer mittragen sollen oder wollen, fällt eines auf: Das Noch-EU-Mitglied Großbritannien ist nicht dabei, ebensowenig wie die Niederlande. Warum? Beide Länder sind kapitalmarktaffin und in beiden Ländern ist die Aktienquote deutlich höher als hierzulande. In Deutschland ist nur 5,4 Prozent des Geldvermögens in Aktien angelegt, während unsere Nachbarn aus den Niederlanden zu deutlich mehr als einem Drittel ihr Geld den Dividendentiteln anvertrauen. Kein Wunder also, dass dort eine Finanztransaktionssteuer kein Thema ist.
Aber was will man von einem Bundesfinanzminister erwarten, der die Besteuerung beim Kauf oder Verkauf von Aktien mit der Besteuerung beim Kauf einer Currywurst gleichsetzt. So geschehen im Rahmen eines Interviews mit dem Nachrichtensenders n:tv, als er Notwendigkeit und Sinn einer Finanztransaktionssteuer erläutern sollte.
Gewusst wie: Anlegen für die Zukunft kann leicht sein
Wenn es also bei aller Niedrig- und Negativzinsentwicklung in diesen Monaten noch eines Impulses bedurft hätte, endlich das Sparen ad acta zu legen und das Anlegen zu beginnen, dann sind die beiden vorgenannten Szenarien, so sie denn Wirklichkeit werden, bestens dazu geeignet. Was spricht eigentlich dagegen, dass wir uns endlich deutlich stärker am Produktivkapital der Unternehmen beteiligen, deren Waren wir schließlich auch tagtäglich konsumieren?
Und auch hierbei könnte der Staat eine entscheidende, konstruktive Rolle spielen. Aber nicht so, wie vom bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef Markus Söder unlängst medienwirksam gefordert, als er einen Masterplan anmahnte, mit dem den deutschen Kleinsparern ein finanzieller Ausgleich für die Verluste durch Negativzinsen ermöglicht werden sollte.
Nein, viel einfacher, es ist quasi das „Ei des Kolumbus“ der Geldanlage, nach dem Motto gewusst wie. Es geht darum, dass der Staat durch das Verschenken einer Aktie an jeden Deutschen beziehungsweise jede Deutsche, diesen endlich die Scheu vor der Börse nehmen könnte. Eine aktuelle Studie der Frankfurt School of Finance & Management macht deutlich, dass es bei Vielen nur eines Schubsers bedarf, um eine finanzielle Handlung in die richtige Richtung zu lenken. Der Staat müsste jeden Deutschen quasi zu seinem „Börsenglück“ zwingen. Dann werden die nachfolgenden Schritte, etwa dass er oder sie selbst als Aktienkäufer auftritt, deutlich leichter, so die Studie.
Denn dass die Aktienanlage – trotz vorübergehender Rücksetzer – nach wie vor die lukrativste Anlage ist, zeigt der Blick in die Historie. Wer mit Lancierung des Dax, dem Leitindex der Deutschen Börse, der die 30 wichtigsten deutschen Unternehmen listet, in 1988 bis heute dort investiert gewesen wäre, hätte sage und schreibe mehr als 700 Prozent Gewinn erzielen können – Asien-Krise, Neue-Markt-Crash, Lehman-Pleite, etc. eingerechnet.
Das wäre zumindest mal eine sinnvolle, die eigene Geldanlage und Altersvorsorge fördernde Maßnahme von Olaf Scholz. Geld dafür dürfte angesichts der seit Jahren existierenden „Schwarzen Null“ reichlich vorhanden sein. Schon allein aus diesem Grund ist eine Finanztransaktionssteuer nicht nachvollziehbar. (fm)
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