„Das Ernährungssystem muss sich ändern“

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Janina Bartkewitz, Union Investment

Die Agrarwirtschaft und die Lebensmittelproduktion stehen vor großen Umwälzungen. Mehr Klimaschutz und gesunde Ernährung liefern gleichzeitig auch konkrete Anlagechancen. Ein Gastbeitrag von Janina Bartkewitz, Junior ESG Analystin bei Union Investment

Die Weltbevölkerung wächst – und mit ihr der Bedarf an Nahrungsmitteln. Rund 50 Prozent mehr Lebensmittel muss die Menschheit in den nächsten 30 Jahren produzieren, um die wachsende Bevölkerungsschar versorgen zu können. Beschleunigt wird diese Entwicklung zudem durch die wachsende Mittelschicht in den Entwicklungsländern. Auf der anderen Seite benötigt die globale Landwirtschaft schon jetzt fast 50 Prozent der bewohnbaren Landfläche. Davon entfallen wiederum rund 80 Prozent auf die Nutztierhaltung, die aber unter 20 Prozent der weltweiten Kalorienversorgung liefert. Die aktuelle Nutzung des Ackerlandes benötigt also viel Fläche und könnte mit Blick auf die Versorgung optimiert werden.

Zugleich stehen Öko- und Ernährungssysteme derzeit unter hohem Stress. Dort, wo vermehrt Ackerbau betrieben wird, sind die Auswirkungen des Klimawandels verstärkt spürbar. Das globale Ernährungssystem, also Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion, ist aktuell für rund 26 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Dieser Anteil dürften in den nächsten 30 Jahren um weitere 16 Prozent ansteigen. Damit einzelne Ökosysteme nicht ermatten oder sogar kollabieren, muss sich etwas ändern. Das haben mittlerweile auch viele Staaten erkannt und äußern den politischen Anspruch, bis 2050 CO2-Neutralität erreichen zu wollen. Daraus resultiert ein erhöhter Druck zur Reform auf die gesamte Wertschöpfungskette des Ernährungssystems.

Konkrete Geschäftsmodelle

Die gute Nachricht: Das Thema ist adressiert und es gibt bereits erste Neuentwicklungen und konkrete Geschäftsmodelle, die von diesen Änderungen profitieren werden. Die Digitalisierung beispielsweise schafft auch hier neue Möglichkeiten, etwa den Anbau selbst zu verändern – zum Beispiel mittels Präzisionslandwirtschaft. Hier werden unter anderem Satellitendaten, Drohnen, Sensoren und Robotik eingesetzt, um die Effizienz und Produktivität in der Landwirtschaft zu optimieren. Das hilft dabei, den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren. Sowohl die EU als auch die USA unterstützten diese Technologie, sodass dieser Markt laut Analystenschätzungen bis 2030 um rund 13 Prozent pro Jahr wachsen wird.

Hinzu kommt der Trend zur fleischlosen Ernährung, der dem Klima gut tut. Ein Fleischersatz-Burger etwa verursacht bis zu 90 Prozent weniger Emissionen als traditionelle Fleisch-Patties. Dieser Trend wird anhalten – und ist somit auch aus Anlegerperspektive weiterhin interessant. Es gibt bereits einige börsennotierte Player wie Beyond Meat und große Lebensmittelkonzerne wie Unilever oder Nestlé, die erste Produkte auf den Markt gebracht haben. Auch das Angebot von Milchersatzprodukten wächst kontinuierlich. Hier sorgte zuletzt der schwedische Hafermilch-Produzent Oatly mit seinem Börsengang für Aufsehen.

Grüner Dünger gewinnt an Bedeutung

Doch auch abseits der Supermarktregale finden sich für Investoren interessante Anlagemöglichkeiten. So wird die Düngemittel- und Pflanzenschutzproduktion weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Laut Schätzungen von Analysten entfallen auf synthetische Düngemittel zwar rund 13 Prozent der landwirtschaftlichen Emissionen und in den nächsten 30 Jahren dürfte dieser Anteil um weitere 24 Prozent steigen; auf der anderen Seite steigern Düngemittel die Erträge und reduzieren so die Notwendigkeit, neues Land zu kultivieren. Regulatorischen Gegenwind gibt es von der EU: Bis 2030 soll der Düngemittelverbrauch um 20 Prozent gesenkt werden. Deshalb dürften „grüne“ Düngemittel wie grünes Ammoniak und Biodünger an Bedeutung gewinnen. Ähnlich ist es bei Pflanzenschutzmitteln. Die EU will den Einsatz chemischer Pestizide reduzieren, dennoch schätzen Analysten das jährliche Wachstum auf rund drei Prozent. Auch hier dürften Unternehmen, die biobasierte Produkte entwickeln, einen relativen Vorteil haben.

Insgesamt gehen mit der Umstellung der Wertschöpfungskette im Ernährungssegment zahlreiche Chancen einher – sowohl für die Eindämmung der globalen Erwärmung als auch für die aussichtsreiche Portfoliokonstruktion.

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