„Das ,Sʻ in ESG kam in den letzten Jahren zu kurz“

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Thomas Sørensen, Co-Portfoliomanager von Nordeas neu aufgelegter Global Social Empowerment-Strategie, über den Status quo und die Perspektiven von ESG.

Seit 12 Jahren sind Sie Co-Portfoliomanager von Nordeas globalem Klima-Fonds. Nun widmen Sie sich zusätzlich einem neuen Themenfonds, der das „S“ in ESG in den Vordergrund rückt. Warum?

Sørensen: In den letzten Jahren kam das „S“ in ESG zu kurz. Hier gibt es großen Nachholbedarf. Der größte Teil der Aufmerksamkeit richtete sich bislang auf das „E“ in ESG, also auf Umwelt-Themen. So flossen von 2017 bis 2019 beispielsweise 61 Prozent der Investitionen im Zusammenhang mit den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) in umweltorientierte Fonds. Die Covid-19-Pandemie und die jüngsten Demonstrationen gegen soziale Ungleichheit, die hauptsächlich von jüngeren Generationen vorangetrieben wurden, haben jedoch das Bewusstsein für soziale Themen geschärft. Jetzt ist es an der Zeit zu handeln.

Was wollen Sie mit der neuen Global Social Empowerment-Strategie erreichen?

Sørensen: Wir verfolgen drei Hauptziele: Ziel eins ist es, attraktive Renditen zu erzielen und den breiteren Markt im Laufe der Zeit zu übertreffen – was im Wesentlichen das Ziel jeder aktiv verwalteten Strategie ist. Ziel zwei ist es, dazu beizutragen, die Welt in die richtige Richtung zu bewegen, indem Kapital für Unternehmen bereitgestellt wird, die sich auf die Entwicklung von Lösungen im Hinblick auf soziale Belange konzentrieren. Wir sollten die Macht der Kapitalallokation nicht unterschätzen, wie wir durch den Erfolg unserer globalen Klima- und Umweltstrategie aus erster Hand gesehen haben. Schließlich ist Ziel drei, dass wir ein aktiver Eigentümer von Unternehmen sein wollen – ein integraler Bestandteil dessen, was wir hier bei Nordea tun. Wir glauben, dass alle drei Ziele gleichzeitig erreicht werden können1.

Wie sieht das Anlageuniversum für die Global Social Empowerment-Strategie aus?

Sørensen: Wenn wir uns die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen ansehen, sind fast zwei Drittel sozialen Belangen gewidmet. Um diese Ziele zu erreichen, sind geschätzte Investitionen in Höhe von 5 bis 7 Billionen US-Dollar pro Jahr erforderlich2 – aber nur die Hälfte wird derzeit dafür aufgebracht. Diese Lücke schafft Möglichkeiten für Unternehmen, die Lösungen anbieten. Dies möchten wir mit dieser Strategie erfassen.

Unser Universum haben wir in drei klar definierte Themen unterteilt: Grundbedürfnisse, Inklusion und die Stärkung sozialer Belange, dem sogenannten „Social Empowerment“. Darauf aufbauend haben wir dann eine Reihe von nachgeordneten Unterthemen innerhalb der drei Säulen festgelegt. Bisher haben wir ein Universum von etwa 1000 Unternehmen mit einer guten Mischung aus stabilen und wirtschaftlich sinnvollen Geschäftsmodellen identifiziert. Dieses Universum wird mit der Zeit wachsen.

Gibt es Ähnlichkeiten zwischen der neuen Strategie und Ihrem renommierten Global Climate and Environment-Portfolio?

Sørensen: Durchaus. Die zentralen Anlagefachleute und der seit vielen Jahren bewährte Anlageprozess sind identisch mit denen der Global Climate and Environment-Strategie, aber das Universum ist natürlich anders. Wir wenden dieselbe Toolbox wie für unsere Klima- und Umweltstrategie an – strenge Fundamental- und ESG-Analyse – sowie dieselben disziplinierten Rahmenbedingungen beim Risikomanagement. Auch hier ist aktive Eigentümerschaft ein wichtiges Element unseres Prozesses. Unser internes Responsible Investments Team ist kürzlich auf 18 Mitglieder angewachsen.

Können Sie Beispiele für Unternehmen nennen, die bei der Stärkung sozialer Belange führend sind?

Sørensen: Gern. Das erste Unternehmen, das ich hervorheben möchte, ist Simply Good Foods, ein US-amerikanischer Hersteller von gesunden Snacks. Schlechte Ernährung ist weltweit eine der Hauptursachen für Fettleibigkeit. In den USA beispielsweise essen 90 Prozent der Bevölkerung Snacks, aber nur 50 Prozent wählen dabei eine gesunde Alternative. Das trägt mit dazu bei, dass 31 Prozent der US-Bevölkerung fettleibig sind. Allerdings steigt der Anteil der Konsumenten, die sich für gesundes Essen entscheiden, und wir sollten die Macht des Verbrauchers nicht unterschätzen – was es dem Unternehmen ermöglicht, im oberen Bereich um mehr als 5 Prozent zu wachsen. Dies ist ein gutes Beispiel dafür, wie Investoren dazu beitragen können, eine positive Wirkung für die Gesellschaft zu entfalten und gleichzeitig langfristig belohnt zu werden.

Die deutsche Immobiliengruppe LEG ist ein weiteres Beispiel. LEG ist auf bezahlbare Wohnungen am deutschen Markt spezialisiert, wo ein Mangel an erschwinglichem Wohnraum herrscht und die Nachfrage weit höher ist als das Angebot. Obwohl das Unternehmen relativ niedrige Renditen erwirtschaftet, ist das Geschäft sehr stabil und bietet ein attraktives Risiko-Ertrags-Verhältnis.

Das letzte Unternehmen, das ich erwähnen möchte, stammt aus den Schwellenländern: Bank Rakyat. Als zweitgrößte Bank Indonesiens ist sie eine der erfolgreichsten Mikrofinanzinstitutionen der Welt. Viele Menschen in Indonesien haben keinen Zugang zu einem Bankkonto, daher sind die Kleinkredite der Bank Rakyat von entscheidender Bedeutung, damit Familien ihre eigenen kleinen Unternehmen gründen können. Bank Rakyat kann Kredite zu angemessenen Zinssätzen vergeben, da ihre Quote notleidender Kredite im Vergleich zu herkömmlichen Bankkrediten tatsächlich sehr gering ist. Dies ist positiv für das Unternehmen, die Investoren und die Gesellschaft insgesamt.

Was begeistert Sie so an der neuen Strategie?

Sørensen: Wir sind fest davon überzeugt, dass wir auch bei sozialen Themen einen Beitrag leisten und gleichzeitig attraktive Renditen für unsere Investoren erzielen können1. Wir haben die Macht der Kapitalallokation beim Thema Klima gesehen, und es gibt keinen Grund, warum wir nicht auch innovative Lösungen für soziale Belange finden sollten.

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