Politiker stehen derzeit vor den gleichen Fragen wie Anleger: Wann ist der richtige Zeitpunkt, nach einem panikhaften Ausstieg wieder in gewohntere Bahnen zurückzukehren? Wann also sollten pandemiebedingte Einschränkungen gelockert werden, wann sollen Anleger nach Verkäufen wieder in den Markt einsteigen? „Aus analytischer Sicht kann die Antwort nur heißen: So schnell wie irgend möglich“, sagt Swen Köster, Senior Vice President bei Moventum S.C.A.
Die Politik hat es bei ihren Entscheidungen dabei deutlich schwerer als die Börse. „Hier müssen wesentlich mehr Faktoren gegeneinander abgewogen werden“, sagt Köster. „Zudem sind die Folgen falscher Entscheidungen deutlich dramatischer, weil es nicht nur um Geld geht, sondern um Leben und Gesundheit.“ Trotzdem geben die Erfahrungen aus den Finanzmärkten vielleicht auch der Politik einen Hinweis: Für die Börse gibt es eine Geschichte, in der aus unterschiedlichsten Gründen die Kurse stark eingebrochen waren. „Und jedes Mal zeigte sich: Wer ausgestiegen war und dann den Zeitpunkt zum Wiedereinstieg verpasste, musste sich mit schlechteren Ergebnissen zufriedengeben als diejenigen, die entweder schnell wieder eingestiegen sind oder gar nicht erst ausgestiegen waren“, so Köster.
Krise vergrößert Hunger nach Liquidität
Der durch die Pandemie ausgelöste starke Börseneinbruch hat vor allem bei institutionellen Anlegern das Verlangen nach Liquidität wachsen lassen. Hier wurden viele Positionen verkauft, Cash war wichtig. Wer rechtzeitig ausgestiegen ist, konnte seine Verluste verringern. „Auf der anderen Seite sind im Dax seit dem Tiefpunkt im März aktuell auch bereits wieder Gewinne von rund 27 Prozent aufgelaufen“, sagt Köster.
Historisch betrachtet liegen viele der besten Börsentage direkt nach Tagen mit starken Einbrüchen. Für Anleger heißt dies oft: Wer gar nicht erst ausgestiegen war, hat seine Verluste oft schneller wieder hereingeholt, als diejenigen, die zwar weniger mit nach unten gingen, dann aber den richtigen Zeitpunkt zum Wiederstieg verpassten.
„Viele Privatanleger haben richtig reagiert“
„In diesem Crash haben viele Privatanleger allerdings richtig reagiert“, sagt Köster. Das liegt zum einen an der Schnelligkeit, mit der die Kurse nach unten rauschten. Viele Privatanleger waren erst einmal damit beschäftigt, grundlegende Vorsorge zu treffen für sich und ihre Angehörigen. Die Beschäftigung mit der Geldanlage kam erst danach. Da waren die Kurse schon so weit in den Keller gegangen, dass ein Verkauf sinnlos gewesen wäre. „Es lag aber auch daran, dass viele von ihren Beratern richtig aufgestellt worden waren und diese auch darauf geachtet haben, dass nicht in Panik verkauft wurde“, so Köster. Im Gegenteil: „Wir haben im Verlauf des Crashs einiges an Nachinvestitionen gesehen. Das zeigt deutlich, dass die Finanzberater einen sehr guten Job machen.“ Wer also gar nicht ausgestiegen ist, muss auch nicht den richtigen Zeitpunkt zum Wiedereinstieg finden.
Für die Politik ist das Nicht-Handeln allerdings nur sehr bedingt eine Vorlage. Hier gelten andere Kriterien der Vorsorge und der Sicherheit. Was aber möglicherweise gleich ist: Je schneller wieder zum Normalbetrieb übergegangen werden konnte, desto besser waren historisch gesehen die Ergebnisse.