„In den Jahren 2021 und 2022 ist es aufgrund von Angebotsschocks und der expansiven Fiskalpolitik einiger großer Volkswirtschaften zu einer gestiegenen Inflation gekommen. Um dieser Herr zu werden, haben die großen Zentralbanken im letzten Jahr mit deutlichen Zinserhöhungen reagiert“, erläutert Dr. Max Happacher, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung. Entsprechend sind die Renditen auf dem Anleihemarkt schlagartig angestiegen. Diese Entwicklung zog sich auch durch das Jahr 2023, in dem sich das Zinsniveau auf diesem höheren Niveau verstetigte.
In den letzten Jahren waren mehrere nachhaltige Einflussfaktoren im makroökonomischen Umfeld zu beobachten, etwa Deglobalisierungstendenzen und anhaltende demografische Trends. Gepaart mit der beobachteten Zunahme exogener Schocks wie der Covid-19 Pandemie, der Energiepreiskrise, oder dem seit beinahe zwei Jahren anhaltenden russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sei zumindest mittelfristig weiterhin ein Inflationsdruck zu erwarten, so Happacher weiter.
„Das spiegelt sich mittel- bis langfristig in einem gegenüber der Zeit bis 2021 höheren Zinsniveau wider. Aktuell kann man davon ausgehen, dass auch die Renditen langfristiger Staatsanleihen über dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank von 2,0 Prozent verbleiben werden“, zeigt sich Happacher überzeugt.
Höchstrechnungszins mittelfristig stabil
Vor dem Hintergrund aktueller Modellergebnisse sowie der volkswirtschaftlichen Aussichten zeigen sich die Versicherungsaktuare überzeugt, dass der vorgeschlagene Höchstrechnungszins für Neuverträge mittelfristig stabil bleibt. Und sehen genug finanziellen Spielraum, den Höchstrechnungszins ab 2025 auf ein Prozent zu erhöhen. Von 2016 bis 2021 lag der Höchstrechnungszins bei 0,9 Prozent, seit 2022 als Folge des damals lang andauernden Niedrigzinsniveaus bei 0,25 Prozent.
GDV begrüßt die Zinswende
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) begrüßt die Empfehlung der Deutschen Aktuarvereinigung, den Höchstrechnungszins ab 2025 von derzeit 0,25 auf ein Prozent anzuheben. „Die empfohlene Zinsanhebung ist aus unserer Sicht eine angemessene Reaktion auf das allgemein gestiegene Zinsniveau. Dies wird sich positiv auf die Gestaltung von Lebensversicherungsprodukten auswirken, wovon Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren”, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.
So wird der Höchstrechnungszins ermittelt
Unter Annahme verschiedener Zinsentwicklungen wurden die aus einem repräsentativen Kapitalanlageportfolio abgeleiteten Durchschnittsrenditen in die Zukunft projiziert. Zur Glättung wurde das gewichtete Mittel dieser Renditen über jeweils fünf Jahre gebildet. „Zusätzlich wurde ein 40-prozentiger Abschlag als Sicherheitspuffer eingerechnet.
Diesen hatte der Gesetzgeber seit Mitte der 1990er-Jahre bis zur Einführung des europäischen Versicherungsaufsichtsregimes Solvency II gefordert“, erläutert Happacher das Vorgehen. Auch wenn diese Vorgabe an den Höchstrechnungszins inzwischen entfallen sei, setzt die DAV diesen Sicherheitsabschlag weiterhin in ihren Analysen an. Um ein ausreichendes Sicherheitsniveau zu gewährleisten, haben die Akturar zudem beschlossen, dass auch in Niedrigzinsphasen der Sicherheitsabschlag immer mindestens 0,4 Prozentpunkte betragen muss.
Bundesfinanzministerium entscheidet final
Die Entscheidung über die Anpassung trifft schlussendlich aber das Bundesfinanzministerium. Sollte es den Vorschlag annehmen, stiege der Höchstrechnungszins erstmals seit dann 30 Jahren.